Indonesien Viele Völker, viele Inseln, viele Probleme

Krisenherde gibt es im Inselreich Indonesien zuhauf. Schauplatz einer der längsten Sezessionskriege in Asien ist die Provinz Aceh, in der Rebellen seit 1976 für einen eigenen islamischen Staat in der an Bodenschätzen reichen Region kämpfen.

Das seit dem Ende des 16. Jahrhunderts von den Niederlanden kolonisierte Indonesien wurde 1946 unabhängig. Zwei verbliebene koloniale Enklaven, das niederländische West-Irian und das nach schweren Auseinandersetzungen Ende 1999 von Indonesien unabhängig gewordene ehemals portugiesische Ost-Timor, wurden später eingegliedert. Wie zuvor in Ost-Timor gibt es auch in anderen Provinzen des Inselreiches blutige ethnische und religiöse Konflikte. Mit einem Anteil von über 80 Prozent leben in keinem Land der Welt mehr Moslems als in Indonesien. Mit schätzungsweise etwa 225 Millionen Menschen - überwiegend Malayen - steht das Land nach der Bevölkerungzahl an vierter Stelle in der Welt.

Sezessionsbestrebungen und Terrorismus

Das südostasiatische Land mit über 17.000 Inseln, von denen 6000 unbewohnt sind, gilt in der Region schon lange als Sorgenkind. Seit dem Sturz des als korrupt verschrienen Suharto-Regimes haben sich die Spannungen in dem Vielvölkerstaat verschärft. Neben zahlreichen Konflikten in nach Unabhängigkeit strebenden Provinzen bereitet vor allem der Zulauf islamistischer Gruppen westlichen Experten Kopfzerbrechen.

Bislang galt der Islam in Südostasien allgemein als gemäßigt. Nicht erst seit dem 11.September 2001 hat sich die Region jedoch zum idealen Betätigungsfeld für radikale Islamisten entwickelt. Im bevölkerungsreichsten muslimische Land der Erde hat die Regierung von Präsidentin Megawati Sukarnoputri die als "muslimische Achse" bekannten islamischen Parteien durch ihren proamerikanischen Kurs gegen sich aufgebracht.

Religiös und sozial motivierte Konflikte

Krisenherde gibt es in dem riesigen Inselreich zuhauf: In Aceh auf Sumatra und auf den Molukken sind religiöse Konflikte Motiv für Unabhängigkeitsbestrebungen. Auf dem im Osten gelegenen Molukken-Archipel starben bei Unruhen zwischen Christen und Muslimen vor zwei Jahren mindestens 1.500 Menschen. Ausschreitungen gegen wirtschaftlich einflussreiche Minderheiten, vor allem Chinesen, hat es in der Vergangenheit etwa auf Java gegeben. Tragisch: Viele mittelständische Unternehmer flohen daraufhin auf die als sicher geltende Insel Bali, deren Bevölkerung mehrheitlich hinduistisch ist.

Die Provinz Aceh im Norden der Insel Sumatra ist dabei Schauplatz einer der längsten und blutigsten Sezessionskriege in Südostasien. Seit 1976 fielen ihm mehr als 11 000 Menschen zum Opfer, die meisten davon Zivilisten. Für die Unabhängigkeit der rohstoffreichen Provinz kämpft die "Bewegung Freies Aceh" (GAM). Die Zentralregierung in Jakarta versucht, die Abspaltung mit militärischen Mitteln zu verhindern.

Aceh größter Erdgasproduzent Indonesiens

Die Provinz Aceh ist der größte Erdgasproduzent Indonesiens. Zusammen mit Erdöl, Holz, Kautschuk und Kaffee brachten die Erzeugnisse Ende der 90er Jahre Schätzungen zufolge der Regierung jedes Jahr etwa vier Milliarden US-Dollar/Euro ein. Den 4,3 Millionen Einwohnern, deren Leben von einem konservativen Islam geprägt wird, verblieb etwa nur ein Zehntel davon.

Nach Ende der niederländischen Kolonialherrschaft in Indonesien 1945 versprach die Regierung eine umfassende Autonomie für Aceh, denn Aceh gehört erst seit 1910 zu Indonesien. Zuvor hatte sich die dortige Bevölkerung erfolgreich gegen die Kolonialisierung zur Wehr gesetzt. Auch im indonesischen Unabhängigkeitskrieg von 1945 bis 1949 stand sie an vorderster Front, nach dem Abzug der europäischen Kolonialherren wurde das Versprechen einer Autonomie aber nicht erfüllt.

Als sie ausblieb, formierte sich bereits in den 50er Jahren der Widerstand. Der in den USA ausgebildete Hasan di Tiro gründete dann 1976 die GAM, in der sich unterschiedliche Widerstandgruppen zusammenfanden. Fünf Jahre später flohen er und der Führungszirkel unter dem Druck der Regierungstruppen ins schwedische Exil, wo sie bis heute leben. Diverse Friedensgespräche sind in den letzten Jahren gescheitert.

Militäroffensive gegen Rebellen

Erst im Dezember vergangenen Jahres kam nach vierjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen zu Stande, das sich jedoch rasch als brüchig erwies. Auch die letzten Gespräche zu seiner Rettung scheiterten kürzlich. Präsidentin Megawati Sukarnoputri ordnete daraufhin - wie zuvor angekündigt - eine Militäroffensive an. Rund 30.000 Soldaten sind gegen die 5.000 Rebellen im Einsatz. Seit Beginn der Offensive am 19. Mai kamen nach Angaben der Armee 255 Rebellen, 106 Zivilisten und 28 Soldaten und Polizisten ums Leben. Trotz wachsender Zweifel an der indonesischen Militäroffensive hat die Armee erneut mehrere Dutzend Panzer in die Unruheregion verlegt.

Der Inselstaat Indonesien

Indonesien liegt beiderseits des Äquators und erstreckt sich von Ost nach West über eine Länge von 5.100 km. Sumatra, Java, Kalimantan und Sulawesi gehören zu den Grossen Sunda-Inseln, die Kleinen Sunda-Inseln reichen von Bali bis Timor, die Inseln zwischen Irian Jaya und Sulawesi werden als die Molukken bezeichnet.

Die Landessprache ist Bahasa Indonesia. Außerdem werden rund 250 Sprachen und Dialekte gesprochen. Englisch, Niederländisch und Arabisch sind Schulpflichtsprachen. Englisch ist Handels- und Geschäftssprache.

Indonesien ist nach europäischen Maßstäben ein Kontinent. Auf Europa projiziert würde Indonesien von West nach Ost von Spanien bis zum Ural reichen. Drei Zeitzonen durchreist man in Indonesien, und jede der 30 Provinzen hat die Größe eines kleinen oder mittleren Staates in Europa. Die klimatischen Bedingungen mit hoher Temperatur, hoher Luftfeuchtigkeit und relativ großen Niederschlagsmengen schaffen günstige Bedingungen für die landwirtschaftliche Nutzung des Landes. Indonesien hat zudem viele Bodenschätze. Vulkane durchziehen die Inseln, ca. 60 Prozent der über 200 Vulkane sind noch aktiv.

Im Irian Jaya auf Neuguinea und auf der Insel Timor sind die Auseinandersetzungen dagegen von der Kolonialgeschichte geprägt. Gerade der Konflikt um Osttimor birgt nach Meinung mancher Experten möglicherweise andere Erklärungen für die Bomben von Bali: Hier erlitt die indonesische Armee 1999 eine empfindliche Niederlage, als von ihr kontrollierte nationalistische Milizen von der internationalen Friedentruppe INTERFET vertrieben wurden. INTERFET stand unter Führung Australiens, woher auch die Mehrheit der Opfer von Bali stammte.

Gefährliche Gerüchte

Hinzu kommt, dass seit Jahrzehnten immer wieder Gerüchte auftauchten, dass die indonesischen Sicherheitskräfte insgeheim islamistische Gruppen gründeten, um Unruhe im Land zu stiften. So sollten die Islamisten insgesamt als Buhmänner vorgeführt und geschwächt werden, wie Kay Möller von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt.

Die wegen ihrer Rolle in der Innenpolitik berüchtigte Armee hat nach Ansicht von Beobachtern unter Präsidentin Megawati jüngst wieder an Einfluss gewonnen. Gleichzeitig führt die seit Juli 2001 amtierende Tochter des Staatsgründers Sukarno einen respektablen Kampf gegen die Korruption der Eliten, den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung hat das bisher aber nicht gebracht.

Am Tropf des Westens

Wirtschaftlich hängt Indonesien weiter am Tropf der internationalen Gemeinschaft, was anti-westlichen Terroristen ein Motiv geben könnte. Wegen seiner Wachstumschancen von Ökonomen als asiatischer "Tigerstaat" eingestuft, haben sich Indonesiens Wirtschaftsdaten enttäuschend entwickelt - mit 2,5 und 3,5 Prozent Wachstum in den ersten beiden Quartalen blieben die Werte hinter den Erwartungen zurück. Die Staatsverschuldung wird nach Schätzung der American Express Bank Ende 2002 immer noch so hoch sein wie das Bruttoinlandsprodukt.

Ein Staatsbankrott ist der internationalen Gemeinschaft jedoch zu riskant: "Die internationalen Geldgebern halten die Megawati-Regierung künstlich am Leben", sagt der Indonesien-Experte Vincent Houben von der Berliner Humboldt-Universität. Trotz der Finanzhilfe kann sich der Staat nicht angemessen um die sozialen Probleme kümmern: Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut, schätzungsweise 40 Prozent sind ohne Job. In diese Lücke treten laut Houben islamische Gruppen, die so ihre Anhängerschaft in den untersten Schichten vergrößern könnten.

DPA
Nikolaus von Twickel

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