Ungeachtet der ultimativen US-amerikanischen Kriegsdrohungen gegen den Irak wollen Außenminister mehrerer Länder am Mittwoch an einer weiteren Krisensitzung des Sicherheitsrates in New York teilnehmen. Dabei solle auch die Lage "vor einem nicht erlaubten Krieg" zur Sprache kommen, hieß es aus französischen Diplomatenkreisen.
Fischer will starke EU-Position
Neben dem russischen Außenminister Igor Iwanow bestätigten auch der Franzose Dominique de Villepin sowie Bundesaußenminister Joschka Fischer ihre Teilnahme. Fischer will ersten Informationen zufolge versuchen, ungeachtet aller Meinungsunterschiede in Europa die einmal erreichte gemeinsame Position zur Irak-Krise "fortzuentwickeln". "Wir müssen das Gemeinsame nach vorne stellen und nicht das Trennende," sagte Fischer am Dienstagabend in Brüssel vor den Beratungen. Ein Krieg in Irak werde von Deutschland nicht unterstützt.
Er bedauere zutiefst, dass der unter UNO-Aufsicht begonnene Prozess der Abrüstung in Irak nicht abgeschlossen werde. Der Krieg würde aber mit der Türkei eine direkte Nachbarregion betreffen. Das habe politische Konsequenzen, über die die Außenminister beraten müssten.
Saddam Hussein sei "ein Diktator, ein brutaler Gewaltherrscher", sagte Fischer, "das haben wir immer wieder gesagt". Die deutsche Position sei aber nicht die Forderung nach einem Regierungswechsel in Irak: "Das muss das irakische Volk tun," sagte Fischer. Stattdessen sei die Abrüstung von Massenvernichtungswaffen in Irak der entscheidende Inhalt der Resolution 1441 des UNO-Sicherheitsrats.
Powell sagt Teilnahme ab
US-Außenminister Colin Powell will nicht an der Sitzung teilnehmen. Das teilte Powell am Dienstag vor Journalisten mit. Powell betonte, sein Verzicht auf eine Teilnahme sei nicht als Signal zu verstehen, dass die USA den Sicherheitsrat nach dem Scheitern eines Irak-Konsenses für bedeutungslos hielten. Dies sei nicht der Fall. Trotz des Abzugs der UNO-Waffeninspekteure aus dem Irak soll bei dem Treffen über ein umfangreiches Arbeitsprogramm der Irak-Inspektionskommission UNMOVIC für die nächsten Monate beraten. UNMOVIC-Chef Hans Blix hatte den Entwurf am Dienstag an die Ratsmitglieder übergeben.
Aus UNO-Kreisen verlautete zudem, dass UNO-Generalsekretär Kofi Annan Beratungen über die humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen für die irakische Bevölkerung im Krieg sowie danach und über Unterstützung beim Wiederaufbau angeregt hat. Die USA hätten bereits auf diplomatischem Wege zu verstehen gegeben, dass die UNO dabei eine größere Rolle spielen sollten. Für die Notversorgung der irakischen Bevölkerung wollten die USA auf UNO-Strukturen sowie auf Personal der Weltorganisation zurückgreifen, hieß es.
Waffeninspektionen haben sich "erledigt"
In dem Programm für weitere Waffeninspektionen, das sich nach Ansicht mancher UNO-Diplomaten mit dem Abzug der Inspekteure "erledigt hat", werden unter anderem zwölf "noch zu erfüllende Schlüssel-Aufgaben der Abrüstung" für den Irak auflistet. Die Vorlage des Arbeitsprogramms geht auf die UN-Resolution 1284 vom Dezember 1999 zurück. Darin war festgelegt worden, dass nach erfolgreicher Wiederaufnahme der Waffeninspektionen dem Sicherheitsrat ein solches Programm zur Bestätigung zu unterbreiten ist. Nach den Vorstellungen der Blix-Kommission soll Bagdad innerhalb der nächsten 120 Tage rückhaltlose Auskunft über Waffensysteme geben und deren Vernichtung unter UN-Kontrolle beginnen.
UN-Diplomaten von Ländern, die einen Angriff auf den Irak ablehnen, erklärten in Hintergrundgesprächen mit Journalisten, ihre Regierungen wollten durch eine öffentliche Ratsdebatte vor der Weltöffentlichkeit noch einmal eine friedliche Alternative aufzeigen.