Die USA reagieren auf die anhaltenden Plünderungen in Bagdad und anderen irakischen Städten: In der Hauptstadt und in Mossul setzte die US-Armee in der Nacht zum Samstag ein Ausgehverbot in Kraft. Das Außenministerium in Washington kündigte an, insgesamt 1.200 Polizisten und Justizbeamte nach Irak schicken zu wollen. Militärisch richtete sich das Hauptaugenmerk der Alliierten auf Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit.
Plünderungen halten an
Der US- Fernsehsender CNN zeigte in der Nacht zum Samstag Live-Bilder von Bränden in der Hauptstadt, die von Plünderern gelegt worden seien. Ladenbesitzer hatten am Freitag Plünderer mit Gewehren, Pistolen und Eisenstangen angegriffen. Mindestens 25 Menschen wurden mit Schussverletzungen ins El-Kindi-Krankenhaus gebracht. Die Klinik im Osten der Stadt war am Donnerstag geplündert worden, nur noch zwei Ärzte leisteten erste Hilfe. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sprach von "chaotischen und katastrophalen" Zuständen in der Klinik. Auch das weltberühmte archäologische Museum wurde zum Ziel von Plünderern.
Der Kommandeur der US-Marine-Infanteristen in Bagdad, Oberst Steve Hummer, erklärte, seine Männer versuchten, die Sicherheit so gut wie möglich zu gewährleisten. "Wir sind keine Polizeitruppe", schränkte er ein. Einige Bewohner bewaffneten sich mit Gewehren, um sich gegen Plünderer zur Wehr zu setzen, und errichteten Straßenblockaden, um Fahrzeuge nach Diebesgut zu durchsuchen.
Zitat
"Freiheit ist unordentlich. Und sie gibt den Menschen die Freiheit, Fehler zu machen und Verbrechen zu begehen."
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld über die Unruhen im Irak
Hilfsorganisationen haben an die US-Streitkräfte appelliert, den Plünderungen ein Ende zu setzen. Als Folge der weit verbreiteten Anarchie verschlechtere sich die humanitäre Situation zusehends, warnte InterAction, eine Verband von mehr als 160 amerikanischen Gruppen. Mitarbeiter der Hilfsorganisation CARE berichteten, die Krankenhäuser befänden sich in einer fürchterlichen Notlage - einige seien geplündert, andere geschlossen, um Plünderungen zu vermeiden. In der südirakischen Stadt Basra kehrte nach Angaben eines britischen Militärsprechers allmählich wieder Ruhe und Ordnung ein.
Sprengstoffwesten in Schule entdeckt
In einer Grundschule in Bagdad entdeckten Marine-Infanteristen der US-Armee rund 50 Sprengstoffwesten für Selbstmordattentäter. Journalisten wurden am Samstag zu der Schule geführt, wo die ihnen der Fund präsentiert wurde, den die Soldaten zwei Tage zuvor gemacht hatten. In einer anderen Schule in der Nähe wurden Granatenwerfer, Raketen und Munition gefunden.
Lage in Tikrit kritisch
Unterdessen wurde damit gerechnet, dass sich in Tikrit, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Bagdad, irakische Truppen neu formieren. Dennoch erklärten Vertreter des US-Zentralkommandos, viele Soldaten seien in Erwartung von Luftangriffen aus Tikrit geflohen, und die meisten der Zurückgebliebenen seien nicht in der Lage, eine effektive Verteidigung aufzubauen.
Bush: Krieg noch nicht vorbei
Beamte des Verteidigungsministeriums in Washington erklärten, in Irak gebe es keine größeren Militärverbände mehr. Reste von Einheiten oder Widerstandszellen seien jedoch noch vorhanden. Trotz der militärischen Erfolgsmeldungen aus Irak lehnte es US-Präsident George W. Bush ab, bereits von einem Sieg zu sprechen. Zunächst müsse der kommandierende General Tommy Franks erklärten, dass die gesetzten Ziele eindeutig erreicht worden seien, sagte Bush am Freitag.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zeigte sich von den chaotischen Zuständen und Plünderungen im Irak nicht überrascht. Er erklärte die Vorgänge mit dem Übergang von Jahrzehnten der Unterdrückung zu einer freien Gesellschaft. Sie seien zwar bedauerlich, aber als «Preis» zu akzeptieren. Es kämen jedoch jeden Tag mehr US-Soldaten ins Land, sagte der Minister. Der Fernsehsender CNN berichtete, die USA wollten andere Länder bitten, Polizeikräfte für den Irak bereitzustellen. An welche Länder sich die USA konkret wenden, wurde nicht gesagt.
Forderung: Wiederaufbau unter UN-Führung
Russland, Deutschland und Frankreich bekräftigten ihre Forderung nach einem Wiederaufbau Iraks unter dem Dach der UN. Den Vereinten Nationen müsse eine „zentrale Rolle“ zukommen, erklärten der russische Präsident Wladimir Putin, Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac nach einem Gipfeltreffen in St. Petersburg.