Kritik an Israel wird oft mit Kritik an den Vereinigten Staaten gleichgesetzt. Denn beide Länder gelten auf der politischen Bühne als ziemlich beste Freunde – wenn man von einigen Meinungsverschiedenheiten absieht. Zu nennen wäre da beispielsweise die umstrittene Justizreform von Benjamin Netanjahu, die Joe Biden und seine Anhänger alles andere als guthießen. Oder die UN-Resolution für humanitäre Feuerpausen im Gazastreifen, die die USA unterstützt haben – zum Missfallen Israels.
Was am Ende zählt, ist die ungebrochene Solidarität – auch in schwierigen Zeiten. Genau diesen Balanceakt schaffen Tel Aviv und Washington soweit so gut. Nicht nur seit dem blutigen Überfall der Hamas am 7. Oktober bekräftigt Biden, sein Land stehe an der Seite der Israelis. Doch das war nicht immer so.
Dass Palästina für den Staat Israel geteilt werden sollte, gefiel den US-Amerikanern in den 1940er Jahren gar nicht. In den Jahrzehnten danach waren es daher andere, die dem noch jungen Staat den Rücken stärkten. Erst in den 1960er Jahren entwickelten sich engere Beziehungen zu den USA. Ein Blick in die Vergangenheit:
Israels frühe Verbündete
Über die Gründung des Staates Israels war man in Washington zunächst nicht sonderlich angetan. Theodore Roosevelt war dagegen, weil Palästina ohne Zustimmung der mehrheitlich arabischen Bevölkerung geteilt werden sollte. Dabei hatte er den Arabern zugesichert, dass die Entscheidung nur mit ihnen gefällt werde. Sein Nachfolger, Harry S. Truman, der drei Jahre vor der Staatsgründung Israels das US-Präsidentenamt übernahm, sah das anders. Grund dafür waren wohl seine Sympathien für die Holocaust-Überlebenden, die nach Kriegsende in Europa als "displaced persons" in amerikanischen Lagern in Deutschland lebten, und jenen Juden, die vor einem neuen Antisemitismus in Osteuropa flüchteten. Gemeinsam mit der Sowjetunion stimmten die USA währen des ersten israelisch-arabischen Krieges für die UN-Resolution, die die Teilung Palästinas besiegelte und Hunderttausende Palästinenser teils gewaltsam aus der Region vertrieb (mehr dazu lesen Sie hier).
Die USA waren zwar das erste Land, das den Staat Israel nach seiner Gründung 1948 anerkannte. Sie verhängten jedoch direkt ein Waffenembargo und begnügten sich zunächst damit, das Geschehen im Nahen Osten skeptisch zu beobachten. Als Israel gemeinsam mit Frankreich und den Briten während der Suezkrise 1956 in Ägypten eindrang, forderten die USA mit der Sowjetunion den Rückzug.
Frankreich versorgte Israel mit Fliegern, Panzern und Schiffen und baute das Kernkraftwerk, mit dem Israel seine Atomwaffen entwickeln sollte. Mit der Anlage Dimona in der Negev-Wüste stellte Israel Plutonium her. Die Regierung konnte zwar noch so häufig betonen, nur "friedliche Absichten" zu hegen – die USA blieben skeptisch, nicht zuletzt, weil der Auslandsgeheimdienst CIA sicher war, Israel würde dort Atomwaffen bauen.
Das Verhältnis erwärmte sich erst nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967, weil sich Paris von Tel Aviv abwandte, um seine Beziehungen zu den arabischen Ländern zu verbessern. Gleichzeitig verhängten die Franzosen ein Waffenembargo gegen Israel und weigerten sich, 50 Kampfjets zu liefern, die bereits bezahlt waren.
Fragiler Frieden Part 1
Trotzdem ging Israel erfolgreich aus dem Krieg hervor. Die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, Ostjerusalem und das Westjordanland waren besetzt. Das imponierte den USA, gleichzeitig ging man davon aus, dass sich die arabische Welt nun auf die Seite der Sowjets geschlagen hatte – für Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson ein Grund, selbst einzugreifen. Der US-Präsident verpflichtete sein Land dazu, den militärischen Vorsprung Israels im Nahen Osten aufrecht zu erhalten und legte damit den Grundstein, der das israelische Militär bis heute konkurrenzfähig macht.
In den Jahrzehnten darauf mischten die USA stärker im Nahost-Geschehen mit – allerdings immer in der Angst, die arabischen Länder gegen sich aufzubringen. Als Ägypten und Syrien 1973 Israel attackierten, setzen die USA alles daran, die ägyptischen Verluste so gering wie möglich zu halten. Damit sollte auch die Sowjetunion aus dem Krieg herausgehalten werden. Unter Vermittlung Washingtons kam schließlich die israelisch-ägyptische Friedensvereinbarung zustande. Israel zog sich aus dem Sinai zurück und gab die besetzten Palästinensergebiete frei.
Unter Präsident Ronald Reagan folgte eine Trendwende: Israel und die USA unterzeichneten strategische Militärvereinbarungen. Waffen, offiziell dem US-Militär zugehörig, wurden in Israel gelagert, um sie im Ernstfall dem Partner übergeben zu können. Allerdings sorgte der Angriff auf den iranischen Atomreaktor 1981 für Verstimmungen, weil Tel Aviv ohne Zustimmung aus Washington handelte. Das galt auch für die israelische Invasion in den Libanon.
Die USA zogen daraufhin ihre Waffen zurück und konzentrierten sich auf Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien. Sie gipfelten 1993 im Friedensvertrag von Oslo und der Gründung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin machte die Friedensbemühungen wieder zunichte.
USA ergreifen Partei für Israel
US-Präsident Bill Clinton setzte auf dem Gipfeltreffen in Camp David im Jahr 2000 erneut an, den Streit zwischen Palästinensern und Israelis zu schlichten – und scheiterte. Nach Aussagen damaliger Unterhändler sollen Washington und Tel Aviv nicht ganz unschuldig daran gewesen sein. Israels damaliger Außenminister soll Verständnis dafür geäußert haben, dass die Palästinenser die Vorschläge zurückgewiesen haben. Zudem räumte ein US-Beamter Jahre später ein, dass sich Washington nicht neutral, sondern auf der Seite Israels positioniert habe.
Clintons Nachfolger George W. Bush versuchte sich mit einem Vorschlag für einen unabhängigen palästinensischen Staat an einer Schadenbegrenzung. Israel lobte den Plan zwar, um ihn anschließend zu boykottieren.
Fragiler Frieden Part 2
Ähnlich wankelmütig blieb die Beziehung zwischen den beiden Staaten auch in den folgenden Jahrzehnten. Unter Präsident Barack Obama wurde das größte Militärhilfspaket für Israel geschnürt. Trotzdem ärgerte man sich in Tel Aviv, weil Obama seinen ersten Besuch in der Region nach Kairo verlegte und der arabischen Welt nach dem Irak-Krieg einen "Neuanfang" versprach. An Netanjahu gerichtet forderte der US-Präsident dagegen den Stopp des jüdischen Siedlungsbaus und Friedensgespräche mit den Palästinensern. Israel weigerte sich.
Auch Donald Trump konnte die Wogen nur zeitweise wieder etwas glätten. Vom Rest der Welt mehr oder minder verachtet, sammelte er Beliebtheitspunkte bei Netanjahu, weil er die US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem verlegte und die Stadt damit als Hauptstadt des Landes anerkannte. Zudem kam er nicht umhin, sich in die Friedensfrage einzumischen und legte dafür einen eigenen Vorschlag vor. Israel sollte demnach 30 Prozent des Westjordanlandes annektieren und der palästinensische Staat aus mehreren von Israel umgebenen Enklaven zusammengesetzt werden. Allerdings kühlte das Verhältnis zwischen Netanjahu und Trump schnell ab, nachdem bekannt wurde, dass der US-Präsident seinen israelischen Amtskollegen als Hindernis für den Frieden in der Region bezeichnet hatte.
Mit Joe Biden im Weißen Haus plätschert das Verhältnis weiter so vor sich hin. In einem Interview hatte Joe Biden Netanjahus Kabinett als "eines der extremistischsten", die er jemals gesehen habe, bezeichnet. Gleichzeitig wird der Präsident nicht müde, die volle Solidarität mit Israel zu betonen – aber die Stimmung zu trüben: Entgegen der Erwartungen hat Washington für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen gestimmt. Das passt dem israelischen Präsidenten wieder einmal gar nicht. Es bleibt eine komplizierte Beziehung.