Eingreifen im Nahen und Mittleren Osten ist wie Mikado-Spielen, kaum einer weiß, welche Kettenreaktion ausgelöst wird. Beispiel Irak: Wenn alles schiefläuft, dann geht den USA ganz schnell der Verbündete Irak von der Fahne. Erste Misstöne sind nach dem Angriff auf Ghassem Soleimani bereits zu hören. So hat das irakische Parlament nach dem Angriff auf den iranischen Top-General in Bagdad den Abzug der US-Truppen und deren Alliierten aus dem Land beschlossen. Sollten die nicht freiwillig gehen, würden sie des Landes verwiesen, heißt es. Die Aufforderung besteht bislang zwar nur auf dem Papier, doch sie zeigt, wie schnell die Verhältnisse in der Region kippen könnten – und nicht unbedingt zugunsten des Westens.

Donald Trump droht Irak
US-Präsident Donald Trump reagierte auf die Nachricht auf seine Weise: mit ungezügelter Wut. An Bord der Präsidentenmaschine Air Force One kündigte er drastische Sanktionen an, sollten die US-Truppen aus dem Land geworfen werden; Strafmaßnahmen "wie sie das Land noch nicht gesehen hat", so Trump. Die gegen den Iran verhängten US-Sanktionen würden im Vergleich "ein wenig harmlos" aussehen. Außerdem verlangte er, dass der Irak für den dortigen Hauptstützpunkt der US-Armee bezahle: "Wir gehen nicht, bevor sie uns für die außergewöhnlich teure Basis zurückbezahlt haben."
Ob eine Eskalation dieser Art besonders hilfreich ist, darf bezweifelt werden. Denn der Irak liegt im Herzen der umkämpften Region, ist allerdings innerlich gespalten: Die Mehrheit der Bevölkerung ist schiitischen Glaubens – wie auch die Iraner und deren Führung in Teheran. Auch wegen dieser religiösen Nähe hat der Iran massiven Einfluss auf das Nachbarland. Einige Angriffe auf US-Einrichtungen der letzten Zeit sollen laut des Pentagon auf das Konto von Iran-nahen Milizen im Irak wie der "Kataib Hisbollah" gehen. Der oberste schiitische Geistliche des Irak, Großajatollah Ali al Sistani, hatte zuletzt Neuwahlen gefordert – ganz im Sinne Teherans. Wenn es sich Donald Trump mit den (schiitischen) Irakern verscherzt, dürfte er also damit den Erzfeind Iran stärken.
Freie Bahn für Russland und den Iran
Auch aus geostrategischen Gründen wären die Amerikaner gut beraten, den Irak als Verbündeten nicht zu verprellen. Als sich die USA aus Syrien zurückgezogen hatten, machten sie damit den Weg frei für die Achse Assad-Russland-Iran. Ziel sei es nach Ansicht von Beobachtern, eine durchgehende Landbrücke vom Iran über Syrien Richtung Libanon ans Mittelmeer zu errichten. Genau das zu verhindern, war einmal Ziel der Amerikaner.
Auch die womögliche mangelnde Rechtmäßigkeit des US-Angriffs auf Soleimani sorgt im Irak für Unruhe. Denn die Attacke fand am Bagdader Flughafen statt und damit auf irakischem Staatsgebiet - ohne ausdrückliche Einwilligung der irakischen Behörden. Der Ministerpräsident des Landes, Adel Abdul Mahdi, verurteilte die Tötung des Generals als "empörenden Verstoß gegen die Voraussetzungen" für die Präsenz der US-Truppen im Irak. Obwohl der Top-Militär als wichtigster Strippenzieher des Iran in der Region galt, hatten Trumps Vorgänger George W. Bush und Barack Obama auf dessen "Neutralisierung" verzichtet, da sie eine Eskalation fürchteten. Der jetzige US-Präsident sagte, mit Soleimanis Tod seien Anschläge verhindert worden, doch laut der "New York Times" seien konkrete Erkenntnisse der Geheimdienste eher "dünn" gewesen.
Stärkt der Konflikt die Terrormiliz IS?
Ein weiterer Nebeneffekt des Luftschlags gegen Ghassem Soleimani könnte das Erstarken des Islamischen Staats im Irak werden. Das US-geführte Militärbündnis erklärte, die rund 5000 US-Soldaten im Irak, die eigentlich gegen die Terrormiliz kämpfen sollen, würden sich angesichts der angespannten Situation auf den Schutz ihrer Stützpunkte konzentrieren. Die Unterstützung der Partner im Kampf gegen den IS werde bis auf weiteres ausgesetzt.
Quellen: Deutschlandfunk, DPA, AFP, CNN, al Dschasira