Sechs Tage vor den Kongresswahlen in den USA hat Präsident Joe Biden vor einer Bedrohung der Demokratie in Amerika gewarnt. Mit eindringlichen Worten forderte er die Wählerinnen und Wähler am Mittwoch (Ortszeit) dazu auf, am 8. November ihre Stimme abzugeben – und dabei Wahlleugnern und politisch motivierter Gewalt eine Absage zu erteilen. "In einem normalen Jahr sind wir nicht mit der Frage konfrontiert, ob die von uns abgegebene Stimme die Demokratie bewahrt oder sie gefährdet", sagte Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung der Demokraten in Washington. "Aber dieses Jahr sind wir es."
Biden wies in seiner im Fernsehen übertragenen Rede darauf hin, dass die Abstimmung am kommenden Dienstag die erste US-Wahl sei, seit gewalttätige Anhänger seines Amtsvorgängers Donald Trump am 6. Januar 2021 das US-Kapitol stürmten. "Ich wünschte, ich könnte sagen, dass der Angriff auf unsere Demokratie an diesem Tag endete. Aber das kann ich nicht", rief der 79-Jährige dem Publikum zu.
Bei den anstehenden Wahlen träten "auf jeder Regierungsebene in den USA" mehr als 300 Kandidatinnen und Kandidaten für die Republikaner an, die "sich nicht dazu verpflichten, die Ergebnisse der Wahlen anzuerkennen, an denen sie teilnehmen", erklärte Biden. Ihr Ziel sei es, auf den Spuren von Trump zu versuchen, "das Wahlsystem an sich zu untergraben". Sie hätten "der Gewalt und der Einschüchterung von Wählern und Wahlhelfern Vorschub geleistet". Dies sei "der Weg zum Chaos in den USA", es sei "noch nie dagewesen", "unrechtmäßig" und "unamerikanisch".
US-Präsident Joe Biden setzt vermehrt auf Attacke
Der republikanische Ex-Präsident Trump weigert sich bis heute, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen und verbreitet weiterhin die Lüge, er sei durch Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Nach diesem Vorbild lassen auch mehrere Republikaner, die sich bei den "Midterms" um Mandate oder Ämter bewerben, offen, ob sie den Wahlausgang in jedem Fall akzeptieren werden.
Biden, der sonst stets die Wichtigkeit des Kompromisses und der Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg betonte, hatte seine Rhetorik zuletzt verschärft und Trump und dessen Unterstützer direkter denn je angegriffen. Bereits bei einer Rede in Philadelphia im September hatte er die Amerikanerinnen und Amerikaner dazu aufgefordert, bei den Zwischenwahlen ein Zeichen "gegen den Extremismus" zu setzen. Trump und die sogenannten Maga-Republikaner stünden für einen Extremismus, der die Grundlagen der Republik bedrohe. Maga steht für Trumps früheres Wahlkampfmotto "Make America Great Again" ("Macht Amerika wieder großartig").
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Bei seiner Rede am Mittwoch sagte Biden, die Maga-Republikaner seien zwar eine Minderheit, aber eine "treibende Kraft" in der republikanischen Partei. "Diese treibende Kraft versucht, dort Erfolg zu haben, wo sie 2020 gescheitert ist, um die Rechte der Wähler zu unterdrücken und das Wahlsystem selbst zu untergraben", warnte der Demokrat. Er rief die Kandidatinnen und Kandidaten, die das Wahlergebnis von 2020 leugnen, dazu auf, die Ergebnisse der bevorstehenden Zwischenwahlen zu akzeptieren. "Dieser Kampf, in dem wir uns jetzt befinden, ist ein Kampf um Demokratie, ein Kampf um Anstand und Würde, ein Kampf um Wohlstand und Fortschritt. Es ist ein Kampf um die Seele Amerikas selbst", rief Biden.
Demokraten droht Verlust beider Kongresskammern
Der US-Präsident schilderte noch einmal die gewaltsame Attacke auf den 82 Jahre alten Ehemann der demokratischen Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi am vergangenen Freitag. Der Täter hatte es auf die mächtige Demokratin selbst abgesehen, sie bei dem Überfall aber nicht angetroffen. Die falschen Behauptungen der Maga-Republikaner von der "gestohlenen Wahl 2020" hätten zu einem gefährlichen Anstieg politisch motivierter Gewalt in den USA geführt, konstatierte Biden. "Wir müssen uns mit überwältigender Stimme gegen politische Gewalt und Einschüchterung von Wählern stellen. Wir müssen uns diesem Problem stellen. Wir können nicht so tun, als würde es sich von alleine lösen."
Aktuell macht zahlreichen Wählern in den USA aber eher die anhaltend hohe Inflation von zuletzt 8,2 Prozent zu schaffen als die Sorge um die Demokratie. Umfragen zufolge dürften Bidens Demokraten bei den Wahlen ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus an die oppositionellen Republikaner verlieren. Die Demokraten könnten zwar ihre hauchdünne Senatsmehrheit verteidigen. Mehrere entscheidende Rennen sind aber so eng, dass Prognosen sehr schwierig sind.
Bei den Zwischenwahlen in der Mitte von Bidens Amtszeit werden in der kommenden Woche in den USA alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Ebenso stehen in zahlreichen Bundesstaaten Gouverneurswahlen und Abstimmungen über andere Posten an.