Gipfel in San Francisco Ende der Funkstille: Was beim Treffen von Biden und Xi auf dem Spiel steht

Mächtige Männer unter sich: US-Präsident Joe Biden (r.) und Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping
Mächtige Männer unter sich: US-Präsident Joe Biden (r.) und Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping
© Saul Loeb / AFP
Ein Jahr herrschte Funkstille zwischen Joe Biden und Xi Jinping. Umso größer ist die Spannung vor dem anstehenden Treffen der mächtigen Männer. Doch beide Seiten dämpfen vorab die Erwartungen.

Wenn Joe Biden an diesem Mittwoch auf Xi Jinping trifft, wird nichts dem Zufall überlassen. Von dem Moment, in dem Chinas Staatsoberhaupt den Raum betritt, bis hin zum genauen Timing des Händedrucks wird jede Minute, die die beiden mächtigen Männer miteinander verbringen, perfekt durchchoreografiert sein. Zu lange wurde hinter den Kulissen auf dieses Treffen hingearbeitet, zu groß sind die Spannungen zwischen den beiden Supermächten.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass sich Biden und Xi am Rande des G20-Gipfels in Bali zuletzt in die Augen blickten. Ein Jahr der Funkstille, das die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China auf eine harte Probe gestellt hat.

In Washington kann man den chinesischen Spionageballon, der im Februar über die Ostküste schwebte, noch nicht vergessen. In Peking hat sich Bidens "Diktator"-Kommentar mit Blick auf Xi eingebrannt. Ganz zu schweigen von Chinas zunehmender Aggression gegenüber Taiwan und dem Handelsstreit um US-Beschränkungen für Technologieexporte. Mehr Zündstoff geht kaum.

Was also kann erwartet werden, wenn Biden und Xi am Rande des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in San Francisco zusammenkommen? In einem sind sich beide Seiten vorab einig: die Hoffnung auf konkrete Ergebnisse zu dämpfen.

Joe Biden und Xi Jinping: Es geht darum, die Wogen zu glätten

Es gab eine Zeit, in der Gipfeltreffen zwischen China und den USA zu erklärten Vereinbarungen führten. Die da hießen: Nordkorea in Schach halten. Iran an der Beschaffung von Atomwaffen hindern. Einvernehmliche Klimaziele. Gemeinsame Terrorismusbekämpfung. Diese Zeiten sind vorbei. Wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den beiden Wirtschafts- und Militärmächten geworden ist, zeigte sich bereits in der unterschiedlichen Vorab-Kommunikation des Treffens. Erst letzte Woche hatte der chinesische Botschafter in den USA, Xie Feng, klargestellt, dass Xi sich von Biden versichern lassen werde, dass die Vereinigten Staaten "keinen neuen Kalten Krieg anstreben".

Zwar klingt die Ankündigung von Bidens Nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan auf den ersten Blick versöhnlich: Der US-Präsident werde sich um eine Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den Streitkräften beider Länder bemühen. Solche Kommunikationskanäle seien nötig, "um Fehler, Fehleinschätzungen oder Missverständnisse" zu verhindern, so Sullivan. Das Weiße Haus wiederholt zudem mantraartig, wie wichtig ein "verantwortungsvoller" Umgang im "Wettbewerb" zwischen beiden Ländern sei. "Wir befinden uns in einem Wettbewerb mit China, aber wir suchen keinen Konflikt, keine Konfrontation und keinen neuen Kalten Krieg", hieß es bei der offiziellen Verkündung des Treffens. "Wir wollen den Wettbewerb verantwortungsvoll managen." Durch "intensive Diplomatie", wie Sullivan betont.

Doch interessant ist, was nicht gesagt wird. 

Im Gegensatz zu ihrem früheren Wunsch haben Bidens Berater von der Formulierung "Leitplanken in die Beziehung bringen" abgesehen etwas, das die Chinesen als neuen amerikanischen Stil der "Eindämmung" ablehnten. Auch die Aufforderung, der Beziehung, die sich in einer Abwärtsspirale befindet, einen "Boden" zu geben, wurde gestrichen. Und was Peking von der "Wettbewerbs"-Formulierung hält, wurde ebenfalls schnell deutlich. "China hat keine Angst vor Wettbewerb, aber wir sind dagegen, die Beziehungen zwischen China und den USA als Wettbewerb zu beschreiben", verkündete die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, 48 Stunden vor dem Treffen. Die USA sollten nicht versuchen, "China zu formen oder zu verändern". Eine Warnung, keine Bitte.

Dass beide Seiten jedoch ein Interesse daran haben, die Spannungen abzubauen, wurde am regen diplomatischen Austausch der vergangenen Monate sichtbar. Nach einem abgesagten Besuch im Februar – Stichwort Spionageballon – reiste Antony Blinken im Juni als erster US-Außenminister seit fünf Jahren nach Peking. Ende Oktober empfing Biden seinerseits den chinesischen Außenminister Wang Yi im Weißen Haus, als ranghöchsten chinesischen Politiker seit fast fünf Jahren.

Handelsbeziehungen, Kriege und Taiwan auf der Agenda

Seit Beginn seiner Präsidentschaft betont Biden immer wieder, wie wichtig die Zusammenarbeit mit China bei großen internationalen Herausforderungen sei. Und der Krisenkatalog ist lang.

Ganz oben stehen die belasteten Handelsbeziehungen der zwei größten Volkswirtschaften. Biden selbst hatte im Namen der nationalen Sicherheit neue Beschränkungen für den Export fortschrittlicher Technologie nach China verhängt zur Entrüstung Pekings. Nun haben sich amerikanische Vertreter im Vorfeld des Treffens Mühe gegeben zu betonen, dass die USA und China eher Konkurrenten als Nullsummenrivalen seien. "Wir unterhalten Handelsbeziehungen mit China im Wert von 700 Milliarden US-Dollar. Die überwiegende Mehrheit 99 Prozent davon – hat nichts mit Exportkontrollen zu tun", stellte die US-Handelsministerin Gina Raimondo gegenüber "CNN" klar. Dass Xi im Rahmen des Apec-Gipfels ein Luxus-Bankett mit führenden amerikanischen Geschäftsleuten abhält, zeigt immerhin, dass auch sein Land offen für ausländische Unternehmen ist.

Abgesehen von Handels- und Wettbewerbsfragen wird es bei dem Treffen um die zwei Großkonflikte gehen, die derzeit die Weltagenda bestimmen: der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sowie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Peking unterhält gute handelspolitische und diplomatische Beziehungen zum Iran, ein Land, das die Hamas und andere militante Gruppen im Nahen Osten unterstützt. Der US-Regierung ist dies ein Dorn im Auge. Biden wird gegenüber Xi betonen, dass die Vereinigten Staaten auf jede vom Iran verursachte Ausweitung des Krieges reagieren werden.

Besonders brenzlig ist der Umgang mit Taiwan: China sieht die demokratisch regierte Insel als Teil seines Territoriums an und will sie sich notfalls mit Gewalt wieder einverleiben. Washington dagegen ist ein wichtiger Verbündeter Taiwans und will Xi daher auch vor einer Einmischung in Taiwans Präsidentschaftswahl in zwei Monaten warnen. "Wir haben sehr große Befürchtungen hinsichtlich einer Einmischung in die Wahl in Taiwan", so ein US-Regierungsvertreter. "Und natürlich wollen wir diese Botschaft erneut übermitteln." Als Bereiche potenzieller Zusammenarbeit stehen zudem Klimawandel und Bekämpfung des Drogenhandels auf der Gesprächsliste.

Ein erster Schritt

Biden und Xi kennen sich bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Seit Bidens Amtseinführung im Jahr 2021 haben die mächtigen Männer stundenlange Gespräche geführt, sich jedoch nur einmal persönlich getroffen. Xi erklärte einer Delegation des US-Kongresses letzten Monat, dass es "tausend Gründe gebe, die Beziehungen zwischen den USA und China zu verbessern, aber keinen Grund, sie zu verschlechtern." Das was man eben sagt, wenn eine Beziehung am Tiefpunkt ist.

Nach Monaten der Spannungen ist ein großer Durchbruch unwahrscheinlich. Auch angesichts der heiklen Themenlage. Stattdessen wird die Tatsache, dass es überhaupt zu dem Treffen kommt, in Washington als positives Zeichen gewertet. Politische Beobachter sind sich einig, dass die Begegnung in einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens stattfinden wird. Und dennoch vereint beide Staatsführer die Gewissheit, den Tisch nur gemeinsam gestärkt verlassen zu können.

"Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen stehen immer noch vor großen Herausforderungen und es ist noch ein langer Weg zur Stabilisierung und Verbesserung der Beziehungen zu gehen", bringt es Chinas Botschafter Xie kurz vor dem Treffen auf den Punkt. 

An diesem Mittwoch liegt es an Biden und Xi, den ersten Schritt machen.

Quellen: "NY Times", "CNN", "WSJ", "NPR", mit Reuters und AFP-Material