Als am Montag die amerikanischen Flaggen in Washington vor Ablauf der im Protokoll vorgesehenen Trauerzeit wieder gehisst wurden, war das für viele ein eindeutiges Zeichen: Senator John McCain ist nicht tot. Nein, er lebt. Und falls er doch tot ist, war es nicht der Krebs, sondern Suizid.
Warum? Wieso? Weshalb? Darüber kursieren seit Tagen vielerlei Verschwörungstheorien im Internet. Auch wenn eine verrückter ist als die andere, fallen sie auf fruchtbaren Boden. Sogar republikanische Politiker machen bei dem Wahnsinn inzwischen mit.
John McCain ist nicht krank, er will mir schaden
So zum Beispiel Kelli Ward. Die ultrakonservative, rechte Trump-Unterstützerin will als McCains Nachfolgerin für Arizona in den Senat einziehen. Als die Familie des Senators am Freitag bekannt gegeben hatte, dass der 81-Jährige, der unter einem aggressiven Gehirntumor litt, auf weitere medizinische Behandlung verzichte, versuchte sie, die Nachricht für sich auszuschlachten. Ernsthaft behauptete sie, die Mitteilung sei nur herausgegeben worden, um ihrer Kampagne zu schaden. Um die Aufmerksamkeit von ihr weg zu lenken. In jedem ihrer Sätze die folgten, ließ sie mehr als deutlich durchklingen, dass sie überzeugt ist, McCain sei überhaupt nicht schwerkrank.
Ward hatte 2016 bei den Senatswahlen in Arizona gegen McCain verloren. Nur Stunden bevor sein Tod bekannt gegeben wurde, entschuldigte sie sich öffentlich für ihren Fehltritt – beschuldigte aber die Medien, ihre Einlassungen falsch dargestellt zu haben. Teile der USA im Jahr 2018 sind um den Verstand gekommen.
Prozess gegen McCain stand kurz bevor
Auch andere Trump-Anhänger haben wilde Ideen, wenn es um den Tod des Senators geht. Eine Gruppe behauptet zum Beispiel, McCain sei gar nicht an Krebs gestorben, sondern habe sich selbst getötet und führt dazu einen völlig absurden Grund an: Der Republikaner habe damit seinen Abtransport in das Militärgefängnis in Guantanamo Bay verhindern wollen. Denn er sei ein langjähriger, geheimer Unterstützer des Terrornetzwerkes "Islamischer Staat" gewesen. Ein Prozess vor einem Militärgericht habe kurz bevor gestanden. McCain habe bereits mehrere Wochen eine elektronische Fußfessel tragen müssen. Diese habe er aber geschickt unter einer Beinschiene verborgen.
Ja, McCain trug bei der Hochzeit seiner Tochter, einem seiner letzten öffentlichen Auftritte, tatsächlich eine Schiene - weil er sich kurz zuvor die Achillessehne gerissen hatte. Aber egal, die Wahrheit stört nur. Auf einer der prominentesten Plattformen für Verschwörungstheoretiker hieß es kurz nach dem Tod McCains zynisch: "Selbstmord-Wochenende".
McCain arbeitet für den "Deep State"
Und dann gibt es noch die, die glauben, es habe keinen Krebs und schon gar keinen Selbstmord gegeben. McCain lebt, sagen sie auf Twitter, Facebook und wo auch immer. Sein Tod sei nur inszeniert worden, damit der Trump-Kritiker untertauchen kann und nun im Untergrund für die Clintons und den sogenannten "Deep State" arbeiten kann. Erzkonservative Verschwörungsfreunde glauben nämlich, die USA würden in Wahrheit von einer Schattenregierung aus Geheimdiensten, Banken und dem 'militärisch-industriellen Komplex' regiert - dem "Deep State".
Was McCain von all dem Unsinn halten würde? Natürlich nichts. Er war bekannt dafür, besonders gerne Verschwörungstheorien zu widerlegen. Er selbst nannte sie Spinner-Theorien.
Auch wenn sie politische Gegner betrafen. So zu sehen in einem Clip, der gerade millionenfach geteilt wird. Darin nimmt er im Präsidentschaftswahlkampf 2008 einer Frau das Mikro ab und widerspricht ihr, weil sie vor laufender Kamera behauptet, sein Kontrahent Barack Obama sei ein "Araber". Teile des Publikums buhen ihn daraufhin aus. Auch seine potentielle Nachfolgerin im US-Senat, Kelli Ward, attackierte er für ihre Behauptung, Flugzeuge würden heimlich biologische Mittel versprühen, um die Amerikaner gefügig zu halten.
McCain - verantwortlich für die Russland-Ermittlungen
Vielleicht gerade weil er ein kritischer Geist war, stand McCain auch schon zu Lebzeiten oft im Mittelpunkt wilder Spekulationen. Zum Beispiel hieß es viele Jahre lang, er habe als Agent für das einst kommunistische Nordvietnam gearbeitet. Deswegen habe er absichtlich gegen Barack Obama 2008 verloren. Um sozusagen den Weg für den Sozialismus freizumachen.
Damit nicht genug: McCain habe sich außerdem regelmäßig mit Anführern des Islamischen Staates in Syrien getroffen und sei verantwortlich für die Enthauptungen von Geiseln durch IS-Anhänger. Und natürlich steckt er hinter den Russland-Untersuchungen von US-Sonderermittler Robert Mueller gegen Donald Trump. Diese vom US-Präsidenten "Hexenjagd" genannten Ermittlungen seien einzig die Idee McCains gewesen.
So also tickt Amerika in Jahr 2018. Und der US-Präsident persönlich schreitet voran: Vergangene Woche unterhielt er sich im Weißen Haus angeregt mit Lionel Lebron und ließ sich anschließend mit ihm fotografieren. Lebron ist ein sogenannter "9/11 Truther", einer, der glaubt, dass die amerikanische Regierung hinter dem Anschlag auf das Word Trade Center 2001 steckt, Und einer, der glaubt, dass Trump gegen den geheimen "Deep State" kämpfen müsse.
Lebron gehört zu denjenigen, die seit Tagen die wilden Verschwörungstheorien über den Verstorbenen auf seinen Webseiten verbreitet. McCain wird den USA und der Welt fehlen - als einer, der wenigstens noch versucht hat, sich dem Wahnsinn entgegenzustellen.