Die Irak-Krise hat das angespannte Verhältnis Frankreichs zu den USA und Großbritannien auf einen neuen Tiefpunkt gebracht. Knapp wischte der französische Außenminister Dominique de Villepin heute den britischen Sechs-Punkte-Plan vom Tisch, mit dem Tony Blair doch noch eine vom ihm dringend benötigte zweite Irak-Resolution im Weltsicherheitsrat erreichen wollte. In London schlugen die Wellen der Empörung hoch.
Ohne angemessene Prüfung habe die französische Regierung die Vorschläge zurückgewiesen, kritisierte Außenminister Jack Straw. Premierminister Blair rief den Vorsitzenden der oppositionellen Tories, Iain Duncan Smith, zu einem 45-minütigen Krisengespräch in seinen Amtssitz nach Downing Street 10. Frankreich mit seiner kompromisslosen Haltung handle unverantwortlich, schimpfte der Konservative anschließend. Weil Paris bei jeder Resolution mit einem Veto drohe, mache es einen militärischen Konflikt wahrscheinlicher.
Scharfe Töne aus Washington
Blair hat offenbar resigniert und sieht kaum noch eine Chance für die zweite Resolution, die er aus innenpolitischen Gründen unbedingt braucht. Diesen Eindruck gewann neben Duncan Smith auch der außenpolitische Berater von Gerhard Schröder, Bernd Mützelburg, wie er dem ARD-Morgenmagazin sagte.
Außenminister Straw versicherte dagegen noch einmal standhaft, Großbritannien werde sich weiter um die Resolution bemühen - auf welche Schwierigkeiten auch immer es dabei stoßen und was auch immer auf der anderen Seite des Ärmelkanals dazu gesagt werde. Auch ein Sprecher Blairs erklärte, die Verhandlungen bei den Vereinten Nationen könnten das Wochenende über weitergehen. "Wir sind im diplomatischen Endspiel, aber das ist noch nicht abgepfiffen." Man befinde sich in einer "dynamischen Situation".
Auch aus Washington sind immer schärfere Töne zu hören. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schickte heute seinen Berater Richard Perle vor, der Chirac im französischen Rundfunk Wortbruch und Verrat vorwarf. Die Irak-Politik sei offenbar in Chiracs "persönlicher Beziehung mit Saddam Hussein" begründet, den er als Freund bezeichnet habe, polterte Perle ganz undiplomatisch.
Paris will kein Öl ins Feuer gießen
Der Groll gegen Chirac sitzt tief. In letzter Zeit hatten schon der Brüsseler Kompromiss zu den Agrarsubventionen und die Einladung des Präsidenten von Simbabwe, Robert Mugabe, zum Frankreich-Afrika-Gipfel nach Paris für Streit zwischen Blair und Chirac geführt. Doch das Zerwürfnis im Irak-Konflikt stellt alles in den Schatten.
Der französische Präsident hat sich als Anführer der Kriegsgegner und als wichtigster Gegenspieler von US-Präsident George W. Bush und Blair etabliert. Beharrlich und unnachgiebig setzt er auf eine friedliche Entwaffung des Iraks und ist dabei zum Leidwesen Washingtons und Londons auch vor einer offenen Veto-Drohung im Weltsicherheitsrat zurückgeschreckt.
Paris hütete sich auch heute, auf die gereizten Töne aus London und Washington zu reagieren. Chirac hat der Regierung bereits vor Monaten eingetrichtert, sich zu keinen polemischen Ausfällen hinreißen zu lassen. Die diplomatischen Verstimmungen seien halb so schlimm, bemühte sich die Regierung um Schadensbegrenzung.
Das Ultimatum an den Irak ist nicht akzeptabel
Das Außenministerium verwies auf Fortschritte, die Frankreich und Großbritannien beim letzten Gipfeltreffen in Le Touquet auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik erzielt hätten. Im Elysee-Palast wurden die fast täglichen und "herzlichen" Telefonkontakte von Chiracs Berater Maurice Gourdault-Montagne mit US-Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice herausgestellt.
De Villepin gab sich als aufrechter und an der Sache orientierter Friedensstreiter. Frankreich widersetze sich der "Logik des Krieges" und lehne deshalb die neuen britischen Vorschläge ab. Das Ultimatum an den Irak sei nicht akzeptabel, sagte der Minister dem Sender France-2.