In Nordirak starb am 22. März ein Reporter. Im Südirak kamen drei Journalisten ums Leben, einer wurde verletzt, mehrere gerieten unter Beschuss und flehten US-Soldaten um Hilfe an. Es gibt Gerüchte, dass sich drei französische Journalisten in der Gewalt irakischer Truppen befinden.
Am vergangenen Sonntag stirbt im Nordirak der australische Kameramann Paul Moran, ein 39-jähriger Freelancer, den der australische Sender ABC engagiert hat. Er kommt um, als an einem Checkpoint unweit eines Lagers der radikal-islamischen Gruppe "Ansar al-Islam" ein roter Toyota-Geländewagen in die Luft fliegt - vermutlich ein Selbstmord-Attentat. Moran hat sich bei einer Gruppe aufgehalten, die irakische Flüchtlinge befragen wollte. Neben ihm sterben drei kurdische Milizionäre und ein Zivilist. Weitere Reporter der Zeitungen Washington Post, New York Times und Los Angeles Times hatten beobachtet, wie Moran eine Szene mit irakischen Flüchtlingen filmte. Der Reporter Eric Campbell wird durch umherfliegende Splitter leicht verletzt.
Im Südirak, nahe des Ortes Iman Anas bei Basra, sterben in der Nacht zum Sonntag drei Mitarbeiter des britischen TV-Senders ITN und ihr libanesischer Fahrer. Es sind der bekannte Kriegsreporter Terry Lloyd, Kameramann Fred Nerac und der libanesische Übersetzer Hussein Othman. Daniel Demoustier, der ebenfalls zum Team gehört, überlebt verletzt und wird von Militärs ausgeflogen.
Er erzählt, die Gruppe sei mit zwei Geländewagen aus Kuwait über Schleichwege in den Irak gefahren. Dort kam sie unter Beschuss. Er saß neben Lloyd im Auto. "Ich sah im Rückspiegel, dass uns zwei irakische Fahrzeuge folgten. Sie überholten uns, machten mit den Händen Signale, die Daumen hoch. In dem Moment wurde mein Auto von rechts beschossen, ich duckte mich, die Fenster zerbarsten. Rechts neben mir war die Tür offen, Terry war weg. Ich rannte zu einem Graben, 200 Meter entfernt. Sie feuerten weiter. Dann brannte das Auto, auch der irakische Wagen flog in die Luft. Überall schrien Leute rum."
Bei einem ähnlichen Vorfall riefen Reporter in Panik bei US-Militärs im Hilton-Hotel in Kuwait an. Ihr Konvoi, 12 Fahrzeuge mit 24 Reportern, lag gerade bei Umm Kasr unter Feuer. In einer komplizierten Aktion wurden sie von Militärs in Sicherheit gebracht. Ganz in der Nähe überlebten drei weitere Reporter nur mit viel Glück. Eines ihrer Fahrzeuge wurde von einer irakischen Granate getroffen, Militärs brachten sie in Sicherheit.
Diese und andere Rettungsaktionen wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag von zwei Offizieren der US-Marines koordiniert. Beide sind ausgebildete Artilleristen und gehören zu einem Team von Militärs, die zur Zeit vom Hilton-Hotel in Kuwait-City aus mehr als 2000 Reporter aus der ganzen Welt betreuen, die über diesen Krieg berichten wollen.
Major David Andersen ist 38 und stammt aus New York City, sein Freund Major Chris Hughes, 37, kommt aus Richmond in Virginia und ist auf Hawaii stationiert.
Mit den stern-Reportern
Uli Rauss und Perry Kretz
sprachen sie über waghalsige Journalisten und die aktuelle Kriegsberichterstattung.
Sie halfen in der Nacht zum Sonntag Reportern, die im Irak in Lebensgefahr befanden. Was ist passiert?
ANDERSEN: Am Samstagnachmittag kam Richard Ellis von der Fotoagentur Getty Images aus New York zu mir. Er sagte, es gebe einen Notfall. Einige dumme Reporter hätten sich in Gefahr gebracht und bräuchten Hilfe. Die waren auf eigene Faust von Kuwait aus über die Grenze zum Irak gefahren, mit drei Geländewagen, und dort waren sie nun in Lebensgefahr. Ich war stinkwütend, denn jetzt mussten wir Marines und Soldaten von einer laufenden Militäroperation abziehen, in Gefahr bringen und da reinschicken, nur um diese Leute zu retten. Dabei hatten wir alle Journalisten vor so einer Aktion seit Wochen gewarnt. Ellis war auch wütend. Ich ließ mir also Namen, Passnummern, Blutgruppe und andere wichtige Einzelheiten geben. Einer war von Getty Images, einer von einer anderen Fotoagentur, einer vom Christian Science Monitor, für wen der vierte arbeitete, weiß ich nicht mehr.
In welcher Notlage befanden sich die Reporter?
ANDERSEN: Sie hatten drei Autos, eine Person saß im ersten, zwei im zweiten, einer im dritten. Irgendwo auf der Straße 8, weit im Norden beim umkämpften al-Naseriyah, wollten sie sich einem Konvoi aus Militärfahrzeugen der 3. Infanterie-Division anschließen. Der Kommandeur verbot dies und schickte sie zurück. Aber die hörten nicht auf ihn, überholten den Konvoi, um zu versuchen, sich anderen Einheiten anzuschließen.
Sie kamen durch ein kleines Dorf. Am Ende war eine Tankstelle, wo ein paar Iraker hockten und Tee tranken. Die sahen die Autos, sprangen auf und feuerten eine Granate (RPG) auf das erste Fahrzeug der Reporter. Der Reporter darin konnte gerade noch rausspringen, dann flog das Auto in die Luft. Der zweite Wagen wurde von Gewehrfeuer durchsiebt. Sie sprangen in den dritten Wagen, der mit platten Reifen davonraste, hielten an und liefen in die Wüste. Das war die Situation, als ich davon erfuhr.
Was taten Sie dann?
ANDERSEN: In dem Moment rief einer der Reporter Richard Ellis an, es war 18.35 Uhr. Ich riss ihm den Hörer aus der Hand. Ich hörte den Anrufer heftig atmen. Wir laufen gerade, flüsterte er. Sie gingen auf ein Landhaus zu. Sie hörten Stimmen. Ich fragte: Sprechen die Englisch? Er verneinte. Ich sagte sehr deutlich: Stoppt sofort. Geht zurück. Geht zurück zu der Stelle, wo ihr losgelaufen seid. Wir haben bereits eure geografischen Koordinaten. Nähert euch niemandem, auch nicht, wenn ihr ein amerikanisches Fahrzeug oder eine US-Einheit seht. Die töten euch sonst. Die sind in einer Kriegssituation, und wenn nachts jemand auf sie zukommt, dann töten sie den.
In jedem Fall?
ANDERSEN: Was denken Sie denn? Das ist Krieg da draußen.
Wie und wann wurden die Reporter gerettet?
ANDERSEN: Die Operation wurde von unserem Hauptquartier in Kuwait, Camp Doha, geleitet. Stunden später, irgendwann am frühen Morgen, wurden sie von Soldaten der 3. Infanterie-Division aufgelesen und nach Kuwait transportiert. Die ganze Sache war filmreif, aber verdammt ernst.
Was haben Sie den Geretteten gesagt?
ANDERSEN: Dass Sie sofort ihre Angehörigen verständigen müssten. Da erst haben die wirklich kapiert, wie ernst das alles war. Die haben wirklich verdammtes Glück gehabt, dass wir sie während einer größeren Kriegs-Operation retteten, obwohl sie uns damit in Gefahr brachten. Ihre Arbeitgeber sollten sie disziplinieren. Und ihre Familien haben allen Grund, sehr zornig zu reagieren. Und enttäuscht, dass sie nur für eine Geschichte ihr Leben und alles andere aufs Spiel setzten. Mich regt so etwas wirklich auf.
Wer hätte denn sonst helfen können?
ANDERSEN: Wir tragen für solche Leute nicht die Verantwortung. Wir haben unsere embedded Medien, die sind bei unseren Einheiten. Diese aber handelten auf eigene Faust - wir mussten ihnen nicht helfen. Sie haben sich völlig unprofessionell verhalten.
Dass etliche Journalisten solche Risiken eingehen, hat auch damit zu tun, dass sie keine anderen Möglichkeit zur unabhängigen Informationsbeschaffung haben. In Kuwait sind ja nicht nur die 600 "embedded" Reporter registriert, denen vom Pentagon Plätze in den US-Einheiten zugewiesen wurden, sondern auch 1500 ohne diese Möglichkeit.
HUGHES: Der Medienplan des Pentagon sah vor, gut 600 Journalisten bei den Einheiten Zugang zu geben, damit sie Tatsachen von der Front berichten können. Sie werden dafür kurz ausgebildet, und sie können geschützt an der Front arbeiten. Aber andere sind einfach in extrem gefährliche Situationen gehetzt, sodass es sogar Tote gab.
ANDERSEN: Die große Mehrheit hält sich an die Regeln, nicht auf eigene Faust in den Irak zu fahren. Nur ein paar Ausreißer erschweren dem Rest die Arbeit ganz enorm. Wir führen den weltweiten Krieg gegen Terror nicht, damit ihr eure Geschichten bekommt. Wir werden auch Medienvertreter reinschicken, wenn das möglich ist. Aber dass Reporter gestorben sind oder in Lebensgefahr geborgen werden mussten, war auch für uns eine Lektion.
Die Medienstrategie des Pentagon legt den Journalisten etliche Fesseln an. Viele Berichte dürfen erst nach geraumer Zeit veröffentlich werden. Bilder von toten oder gefangenen Amerikanern, wie sie jetzt vom irakischen Staatsfernsehen und vom arabischen Sender El-Dschasira gezeigt wurden, wollen sie möglichst gar nicht veröffentlichen lassen. Gehören die nicht auch zur Realität eines Krieges?
HUGHES: Die Bilder sind schrecklich, und das Zeigen dieser Bilder verletzt die Genfer Konvention. Sie zeigen Leichen, die teils klar identifizierbar sind, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Angehörige dieser Soldaten noch nicht informiert werden konnten. Aber wir haben mit so etwas gerechnet. Viele meiner Kameraden haben sich durch diese Bilder emotional an den 11. September erinnert gefühlt, und diese Bilder machen uns noch überzeugter davon, dass wir hier das Richtige tun.
Wie hat sich die Kriegsberichterstattung in den letzten Jahren besonders verändert?
HUGHES: Die Medienlandschaft hat sich total verändert. Die Medien streben heute viel mehr danach als erste mit einer Breaking News auf dem Markt zu sein als früher. Schnelligkeit ist wichtiger geworden als korrekte Fakten. Und: Ich werfe den Medienorganisationen vor, ihre Leute einem viel zu großen Risiko auszusetzen. Mir sind Fälle bekannt, wo Journalisten dazu angehalten wurden, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten - von ihren Chefs an den Schreibtischen daheim.
Nennen Sie die mal beim Namen.
HUGHES: Einige machen das, ganz klar. Ich habe mehrmals und von mehreren Reportern unabhängig voneinander den Satz gehört, den ihre Chefs ihnen in diesen Tagen gesagt hatten: Just get there! Sie zu, wie Du dahin kommst, wo's gerade brennt! Das ist unverantwortlich. Und bedenken Sie, dass zusätzlich zu den 1500 Reportern hier an den Grenzen in Jordanien und der Türkei Tausende weitere mit scharrenden Füßen warten, um in den Irak zu kommen. Jede kleine TV-Station aus Atlanta oder sonst woher schickt Reporter, die hier eigentlich gar nichts zu suchen haben. Dafür gibt es doch die Nachrichtenagenturen, die machen das professionell.
Für wie groß halten Sie den Anteil der journalistischen Amateure unter den Kriegsberichterstattern?
HUGHES: Für ganz erheblich und damit für viel zu groß. Sie kommen hier ohne Ausrüstung an. Sie haben nicht die Ausbildung und in sehr vielen Fällen überhaupt nicht die nötigen Kenntnisse, um über einen Krieg berichten zu können. Und so tauchen sie hier auf mit ihrem übertriebenen Enthusiasmus und wollen nichts anderes als an die Front. Das ist teils wirklich unglaublich.
Interview: Uli Rauss und Perry Kretz