In den Machtkampf in der Ukraine kommt Bewegung. Regierungschef Nikolai Asarow ist zurückgetreten. Das teilte der Pressedienst der Regierung in Kiew mit. Er wolle mit seinem freiwilligen Abgang helfen, einen Ausweg aus der Krise des Landes zu finden, sagte der 66-Jährige. Sein Rücktritt gehört zu den Minimalforderungen der proeuropäischen Opposition um den Politiker und Boxchampion Vitali Klitschko. Es sei seine persönliche Entscheidung gewesen, sagte Asarow. Er kam mit seinem Schritt einem Misstrauensantrag zuvor, der für die heutige Sondersitzung des Parlaments, der Obersten Rada, erwartet wurde.
In der Nacht zum Dienstag hatte Oppositionspolitiker und Ex-Boxchampion Vitali Klitschko noch vor einem Ausnahmezustand gewarnt. "Ich hoffe, dass diese Entscheidung nicht getroffen wird, weil der Ausnahmezustand zu einer neuen Stufe der Krisen-Eskalation und zu gar nichts Gutem führt", sagte Klitschko Medien in Kiew zufolge.
Einigung auf Aus für repressive Gesetze
Zuvor hatten sich Opposition und Regierung nach offiziellen Angaben auf die Abschaffung umstrittener repressiver Gesetze sowie eine Amnestie für Demonstranten geeinigt. Nach einem mehr als vierstündigen Krisengespräch teilte Justizministerin Jelena Lukasch an Montagabend in Kiew mit, dass das Parlament auch die Verantwortung der Regierung für die Gewalt gegen Demonstranten erörtern solle.
Bedingung für die Amnestie sei, dass die Opposition alle in der Stadt besetzten Gebäude und belagerten Straßen räume. Nach Darstellung von Lukasch lehnte der Oppositionspolitiker und frühere Außenminister Arseni Jazenjuk das Angebot des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch ab, die Regierung zu führen. An den Gesprächen in Kiew hatte auch Klitschko teilgenommen. Auch er wolle nicht Minister werden, wie die Nachrichtenagentur Itar-Tass in der Nacht zum Dienstag berichtete.
Klitschko will Blutvergießen verhindern
Die Opposition fordert, dass die unlängst von Janukowitsch unterzeichneten Gesetze unter anderem zur Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit umgehend aufgehoben werden. Sie verlangt zudem vorgezogene Wahlen des Parlaments und des Präsidenten.
Bei den jüngsten Krawallen in der Ukraine waren mindestens vier Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt. Radikale Regierungsgegner hatten Verhandlungen mit Janukowitsch komplett abgelehnt. Die prowestliche Opposition um Klitschko setzt hingegen auf Gespräche mit der prorussischen Führung. Weiteres Blutvergießen und eine Eskalation der Lage müssten verhindert werden, erklärte Klitschko am Montag.
Die Proteste waren Ende November durch die überraschende Entscheidung der Regierung ausgelöst worden, ein über Jahre mit der EU ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen und sich stattdessen stärker Russland zuzuwenden. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden in den vergangenen Tagen mehrere Menschen getötet. Die Unruhen weiteten sich auch zunehmend auf andere Teile des Landes aus. In zahlreichen Provinzen werden die Regionalverwaltungen inzwischen von Regierungsgegnern blockiert.
Timoschenko warnt vor Zugeständnissen
Die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warnte die Opposition mit Nachdruck vor allzu großen Zugeständnissen. Die Protestführer um Klitschko dürften keinesfalls Regierungsämter unter Präsident Janukowitsch annehmen. "Das Volk der Ukraine ist nicht für Posten für die Oppositionsführer auf die Straßen gegangen", erklärte die 53-Jährige. "Ausweg aus der Krise kann nur die Erfüllung aller Forderungen des Volkes sein."
In einem erneuten Anruf bei Janukowitsch drängte US-Vizepräsident Joe Biden auf eine friedliche, politische Lösung der Krise. Biden verlangte nach Angaben des Weißen Hauses am Dienstag von Janukowitsch, mit der Opposition an sofortigen Maßnahmen zur Entschärfung der Lage zusammenzuarbeiten. Außerdem warnte er vor der Verhängung des Ausnahmezustands oder anderer harter Sicherheitsmaßnahmen, die die Situation weiter anheizen könnten. Bereits in der vergangenen Woche hatte Biden Janukowitsch angerufen und erklärt, der ukrainische Präsident müsse die Konfrontation zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften so schnell wie möglich stoppen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte von der Führung in Kiew konkrete Zugeständnisse an die Opposition. Die Parlamentssitzung am Dienstag "wäre ein geeigneter Moment, Nägel mit Köpfen zu machen und das, was bisher als Angebot im Raum steht, auch umzusetzen", sagte Ministeriumssprecher Martin Schäfer. Steinmeier telefonierte erneut mit seinem ukrainischen Kollegen Leonid Koschara.