Kundus-Affäre Guttenberg schlägt zurück

Die Kundus-Affäre könnte sich auch zu einer Guttenberg-Affäre ausweiten. Was wusste der Minister wann? Die Grünen bezichtigen ihn schon der Lüge - nun weist der CSU-Mann alle Vorwürfe zurück.

Seit Tagen wächst der Druck auf den Verteidigungsminister: Hat er sich wider besseres Wissen zu früh hinter den Oberst gestellt, der die unseligen Luftschläge in Afghanistan befohlen hat? Hat er seinen Generalinspekteur und seinen Staatssekretär mit falschen Vorwürfen entlassen? Hat er die Öffentlichkeit gar über seinen Informationsstand belogen?

Jetzt ist Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit einem Interview in die Offensive gegangen. Seine Entscheidung zur Entlassung von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert seien gerechtfertigt, behauptet er darin. Beide hätten ihm Unterlagen zum Luftangriff bei Kundus vorenthalten, sagte Guttenberg der "Bild am Sonntag". Grünen-Fraktionschef Trittin bezichtigte den Minister dagegen der Lüge.

Ihm seien "relevante Dokumente" vorenthalten worden, sagte der CSU-Politiker der Zeitung. "Dafür haben die beiden Herren die Verantwortung übernommen." Guttenberg reagierte damit auf Berichte des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", wonach Schneiderhan und Wichert den Minister entgegen dessen Darstellung am 25. November darüber unterrichteten, dass es neben dem Nato-Bericht noch weitere Berichte über die Bombardierung der beiden von Taliban entführten Tanklastwagen gab.

Darunter war den Angaben zufolge ein zweiseitiger Bericht von Bundeswehroberst Georg Klein sowie ein Feldjägerbericht. Bei dem von Klein angeforderten Luftangriff mit tonnenschweren Bomben waren am 4. September in der Nähe von Kundus im Norden Afghanistans wahrscheinlich mehr als hundert Zivilisten, getötet worden, darunter Frauen und Kinder.

Guttenberg sieht sich nicht im Amt gefährdet

Das Verhalten des ehemaligen Generalinspekteurs und des früheren Staatssekretärs wird Guttenberg zufolge Thema im Untersuchungsausschuss des Bundestages sein. Durch die neuen Vorwürfe in der Kundus-Affäre sieht sich der Minister nicht im Amt gefährdet. "Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war", sagte er der "BamS".

Für die Auslandseinsätze der Bundeswehr forderte Guttenberg Einsatzregeln, die sich an einer "realistischen" Einschätzung der Lage ausrichten müssten. "Es wäre für die Soldaten nur schwer nachvollziehbar, wenn sie trotz mandatskonformen Verhaltens mit strafrechtlichen Verfahren rechnen müssten", sagte er. Sie bräuchten "aus der Heimat volle Unterstützung" sowie "Schutz und Rechtssicherheit". Er habe wiederholt darauf hingewiesen, dass es in Afghanistan derzeit "kriegsähnliche Zustände" gebe und es nicht allein darum gehe, Brunnen zu bohren, sagte Guttenberg. In solchen Situationen sei der "Einsatz der Waffe auch gegenüber Menschen nicht auszuschließen".

Grünen-Fraktionschef Trittin sagte am Samstagabend in der ARD-"Tagesschau", der Befehl zum Töten sei unter Missachtung der Regeln der Nato-Truppe in Afghanistan erteilt worden. "Das ist die Substanz des Berichtes, den die Nato hatte, den Herr Guttenberg gelesen hat", sagte Trittin. Guttenberg habe dies der Öffentlichkeit bewusst vorenthalten und zu dem Bombardement "wissentlich die Unwahrheit gesagt. Man nennt das landläufig: Er hat gelogen".

Opposition fordert Regierungserklärung

SPD und Grüne forderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Öffentlichkeit und den Bundestag vor Weihnachten durch eine Regierungserklärung umfassend über die Hintergründe des Bombardements zu informieren. Täglich kämen "neue und immer dramatischere Informationen" ans Licht, zu denen die Regierung nur "scheibchenweise" Stellung nehme, erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Sollte Guttenberg umfassender informiert gewesen sein als er bislang angegeben habe, müsse ihn die Bundeskanzlerin zum Rücktritt auffordern.

Als besonders gravierend bezeichnete Gabriel Berichte, wonach bereits am 4. September im Kanzleramt mit dem Verteidigungsministerium und den Geheimdiensten eine neue "Eskalationsstrategie" verabredet wurde. Demnach wären das Bombardement bei Kundus und die gezielte Tötung vieler Menschen keine Fehl- oder Einzelentscheidung gewesen, sondern die Folge einer zuvor politisch verabredeten Strategie.

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AFP/DPA/AP