Die USA fliegen jetzt auch in Syrien Angriffe gegen IS, den "Islamischen Staat". Sie tun, was sie zweieinhalb Jahre vermieden haben: Sie greifen in den syrischen Bürgerkrieg ein.
Sie hätten es schon viel früher tun sollen.
Seit dem Irak, seit Libyen hat das Eingreifen einen schlechten Ruf. Seht, was dort passiert ist, sagen Kritiker. Es heißt, wenn der Westen im Nahen Osten eingreift, schaffe er bloß noch mehr Chaos, schaffe zerfallene Staaten. Aber eine Wahrheit, wenn es sie gibt, gibt es nur für jeden einzelne Staat, für jede einzelne Intervention.
Im Irak führten die USA einen unnötigen, irrwitzigen Krieg. In Libyen, als Gaddafi vor Bengasi stand, war der Reflex richtig, man wollte einen Massenmord vermeiden - dabei hätte man es belassen können, man hätte den Rebellen nicht helfen müssen, den Diktator zu stürzen.
Deswegen aber darf man nicht folgern, ein Eingreifen sei grundsätzlich falsch.
Seit 2012 hätte der Westen in Syrien eine Flugverbotszone durchsetzen und damit das Assad-Regime daran hindern können, sein Volk zu terrorisieren. Zehntausenden Menschen hätte es das Leben gerettet, Millionen den Krieg immerhin erträglicher gemacht. Der Westen hätte moderate Rebellen unterstützen können und damit den Radikalen vorbeugen. Er hätte Assad durch taktische Luftschläge militärisch schwächen und zu Verhandlungen zwingen können.
Eine Haltung, die scheinbar friedlich ist und in Wahrheit unterlassene Hilfeleistung
Das ist vor allem deshalb nicht geschehen, weil die westlichen Gesellschaften nicht eingreifen wollen. Politiker zögern, weil sie wissen, dass Interventionen unpopulär sind. Der Westen ist des Eingreifens müde, die Menschen verlieren das Interesse an den Krisen im Nahen Osten. Und viele fühlen sich wohl in ihrer skeptischen Haltung, die scheinbar friedlich ist und in Wahrheit unterlassene Hilfeleistung.
Es heißt, in Syrien hätten die Skeptiker Recht behalten: Assad sei ja gar nicht so schlimm im Vergleich zu den Islamisten. Rebellen der FSA, der freien syrischen Armee, die die Revolution begannen, erzählen dagegen, wie sie auf Hilfe des Westens hofften und zusehen mussten, wie die Radikalen immer stärker wurden. Wie Assad den IS sogar lange unterstützte, wie seine Armee ihre Angriffe mit dem IS koordinierte. Und wie Assads Ziel aufging: die Kriminalisierung der Opposition, neben der er als das kleinere Übel erscheint.
Diese Situation war nicht unvermeidbar, sie war die Strategie Assads, und man hätte sie verhindern können. Müssen.
Was in Syrien geschieht, ist eine Tragödie für die Oppositionellen, die ein demokratisches Land wollten, es ist eine humanitäre Katastrophe. Ein Erfolg ist es für Assad und für die Terroristen des "islamischen Staats". Der Westen hat eine Verpflichtung. Er hat sich selbst Werte gegeben und muss sie auch anderswo verteidigen, sonst gibt er sich selbst auf. Wenn Menschen um Hilfe bitten, müssen wir uns immerhin mit ihrer Lage beschäftigen und uns die Frage stellen: Was können wir tun? Und manchmal müssen wir es dann auch tun.