Der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow ist am Dienstagabend im Alter von 91 Jahren gestorben. Hier internationale Pressestimmen zu seinem Tod.
Russland
"Kommersant": "Michail Gorbatschow, der 30 Jahre vor seinem Tod sein Amt im Kreml niederlegte, musste sowohl mit Lob als auch mit Schmähung umgehen. Ein Großteil des Lobes galt seiner Außenpolitik, mit der er dazu beitrug, dass sich die damaligen beiden Supermächte im Rahmen einer Doktrin der nuklearen Abschreckung nicht weiter auf den Abgrund zubewegten und die zum Zusammenbruch der politischen Abhängigkeit Mittel- und Osteuropas von der Sowjetunion führte - einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands. Dieser Außenpolitik wurde gleichermaßen vorgeworfen, den Verlust des sowjetischen Einflussbereichs in Kauf genommen und quasi die Voraussetzungen für die Osterweiterung der Nato geschaffen zu haben."
Der sowjetische Ex-Präsident Michael Gorbatschow – sein Leben in Bildern

Großbritannien
Die Londoner "The Times" lobt Gorbatschow als einen Staatsmann, "der Frieden mit dem Westen schloss und den Preis dafür zahlte. Nur wenige Staatsmänner des 20. Jahrhunderts hatten einen solchen Einfluss im In- und Ausland, und nur wenige haben ein solches Vermächtnis hinterlassen. (...) Michail Gorbatschow, der letzte sowjetische Führer, wird im Westen als der Mann gefeiert, der den Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus herbeiführte und den Kalten Krieg beendete."
Polen
Die polnische Tageszeitung "Rzeczpospolita" schreibt: "Michail Gorbatschow war ein Kind des Systems. Er war ein überzeugter Anhänger des Kommunismus, den er eigentlich nur menschlicher gestalten wollte. (...) Vermutlich hat er sich selbst geärgert, dass es ihm nicht gelungen ist, die Einheit der UdSSR zu erhalten. Obwohl im Nachhinein klar ist, dass er dazu keine Möglichkeit gehabt hätte. Vielleicht, wenn er beschlossen hätte, alle Proteste - von Litauen bis Kasachstan - in einem Meer von Blut zu ertränken. Aber das konnte er nicht, weil er glaubte, dass der Sozialismus ein "menschliches Antlitz" haben soll und nicht nur Militärstiefel."
Ungarn
"Magyar Nemzet" schreibt: "Gorbatschow ließ den Geist aus der Flasche, doch die auf diese Weise entfesselten Kräfte fegten auch ihn hinweg. (...) In seiner Heimat verbindet ein beträchtlicher Teil der Menschen mit seinem Namen den Zusammenbruch der Sowjetunion und das darauffolgende Chaos. Doch aufgrund seines Lebenswegs und seiner Taten respektiert ihn die Welt bis heute als Persönlichkeit (...).
Frankreich
"Le Monde" in Paris kommentiert: "Der im Westen verehrte Michail Gorbatschow lebte in Russland seit seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 1991 fast anonym. Der Gipfel des Paradoxen: Der Architekt der Ost-West-Annäherung begeisterte die Massen in Europa, während er in seiner Heimat Gleichgültigkeit hervorrief."
Spanien
"El Mundo": "Gorbatschow war ein tragischer Held, der kluge Entscheidungen traf, die aber gleichzeitig seinen Handlungsspielraum als Herrscher einschränkten. Er sprach mehrmals über seine Entscheidung, den sowjetischen Truppen nicht zu befehlen, den Fall der Berliner Mauer aufzuhalten – oder zu versuchen, ihn aufzuhalten."
Italien
In der "Corriere della Sera" ist zu lesen: "Er ein tragischer Held, ein Riese ohne Frieden, ein Kommunist, der den Kommunismus begrub, indem er ihn zu retten versuchte, ein Patriot, der trotz bester Absichten das Grab bereitete für den ersten sozialistischen Staat der Geschichte. (...), der Mann, der wie Ikarus glaubte, sich der Sonne nähern zu können, dabei aber sich selbst und sein Werk zerstörte, das er doch erhalten wollte."
Von der "La Stampa" heißt es: "Wenn es so ist, wie der große israelische Autor Amos Oz einmal sagte, dass man ein Verräter werden - oder sein - muss, um die Welt zu verändern, dann war Michail Gorbatschow der größte von allen, zumindest in den letzten 80 Jahren."
Australien
"Sydney Morning Herald" schreibt: "Es ist (...) ernüchternd, sich daran zu erinnern, dass Gorbatschow, als er 1996 für das Amt des russischen Präsidenten kandidierte, weniger als ein Prozent der Stimmen erhielt - so sehr waren seine Aktien im eigenen Land gefallen. Vielleicht war es seine private Tragödie, lange genug gelebt zu haben, um zu sehen, wie sein Traum von einem gütigeren, offeneren und weltoffeneren Russland zerronnen ist."