In den vergangen Wochen und Tagen war Donald Trump regelrecht im Wahlkampfrausch. Allein am Montagnachmittag und -abend absolvierte er drei Wahlkampfauftritte in drei US-Bundesstaaten - wie zu erwarten maximal konfrontativ und aufgeheizt. Immerhin geht es bei den Kongresswahlen um nichts Geringeres als die Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Und für Trump um seine seine politische Zukunft, gelten die Zwischenwahlen doch auch als eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit.
Aktuell besagt der Blick in die Umfrage-Glaskugel: Die Demokraten könnten die Mehrheit im Repräsentantenhaus ergreifen. Was würde das für Trump bedeuten? Und was passiert eigentlich, sollten seine Republikaner die Mehrheit in beiden Kammern gewinnen sollten? Ein Überblick.
Die Republikaner siegen: Trump bekommt freie Hand
Am Montagabend (Ortszeit) hat Trump vor dem "sozialistischen Albtraum" gewarnt, der von den Demokraten ausgehe: Sie seien eine Gefahr für die Wirtschaft und die Zukunft des Landes, würden Einwanderer zur illegalen Einreise in die USA und zu Gesetzesverstößen ermuntern sowie Steuererhöhungen planen. Belege für seine Vorwürfe lieferte Trump wie so oft nicht. Aber die Botschaft ist klar: Mit ihm werde es das nicht geben.
Als ausgemacht gilt zumindest, dass Trump durch einen Sieg der Republikaner endgültig freie Hand bekommt - sowohl bei der Durchsetzung seiner Politik als auch in seiner Partei.
- Er könnte konservative Richter und Minister nach Belieben ernennen.
- Er wird wahrscheinlich sein Kabinett personell neu aufstellen: Jeff Sessions, Justizminister und einst glühender Trump-Verfechter, in der Russland-Affäre jedoch gnadenlos von Trump gedemütigt, wird wohl entlassen oder schmeißt selbst hin. Ferner könnte der wegen Spesengeschichten in die Schlagzeilen geratene Innenminister Ryan Zinke ausgetauscht werden. Auch die Posten von Verteidigungsminister James Mattis und Stabschef John Kelly gelten nicht mehr als sicher.
- Er würde vermutlich Sozialleistungen kürzen und erneut versuchen, Obamas Krankenversicherung zu kippen.
- Er wird das Thema Migration noch weiter in den Mittelpunkt rücken und verschärfen: Im Wahlkampf hat Trump das Drohszenario einer angeblichen "Invasion" mittelamerikanischer Migranten aufgebaut und kündigte an, Tausende US-Soldaten an die US-Grenze zu entsenden. Außerdem plant er eine weitreichende Änderung im Geburtsrecht: Er will verhindern, dass Babys von Einwanderern durch Geburt in den USA automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommen.
Die Demokraten siegen: Trump werden die Hände gebunden
Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Sollten die Demokraten bei den Zwischenwahlen siegen, würden sie Trump das Leben schwer machen. Schon allein mit der Mehrheit im Repräsentantenhaus könnten die Demokraten ...
- ... republikanische Gesetzesvorhaben und damit Großteile der Trump-Agenda ausbremsen. Denn allen Gesetzen müssen beide Kammern zustimmen.
- Die Demokraten hätten es beispielsweise in der Hand, Trump die geforderten Milliardensummen für den Mauerbau an der mexikanischen Grenze zu verweigern oder neue parlamentarische Initiativen zur weiteren Demontage des von Ex-Präsident Barack Obama eingeführten Gesundheitssystems abzuschmettern.
- Die Demokraten hätten es mit einer Mehrheit im Repräsentantenhaus obendrein in der Hand, ein "Impeachment" - also ein Amtsenthebungsverfahren - gegen den US-Präsidenten einzuleiten.
Erobern die Demokraten den Senat, droht Trump auch ...
- ... eine Blockade seiner Personalpolitik. Denn die Besetzung hoher Regierungs- sowie sämtlicher Bundesrichterposten bedarf der Zustimmung dieser Kammer. Bislang konnte der Präsident auch umstrittene Nominierungen durchbringen. Die knappe Mehrheit der Republikaner hielt - zuletzt bei der besonders heftig umkämpften Ernennung des neuen obersten Richters Brett Kavanaugh, der im Verdacht sexueller Übergriffe steht. Bei einem Mehrheitswechsel im Senat müsste sich Trump künftig hingegen intensiv darum bemühen, zumindest einen Teil der demokratischen Senatoren für seine Personalvorschläge zu gewinnen.
Nicht zuletzt wäre der Senat auch die letzte Entscheidungsinstanz im Falle eines Amtsenthebungsverfahrens.
Und wie geht es - unabhängig von den "Midterms" - für Donald Trump weiter?
Der Besuch bei Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, zu dem Trump schon drei Tage nach dem Urnengang aufbricht, ist eher ein Aufgalopp. Innenpolitisch droht ihm zunächst einmal der Abschlussbericht der Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre - ein möglicherweise explosives Papier.
Gleichzeitig laufen für Trump längst die Vorbereitungen auf den aus seiner Sicht wichtigsten Termin seiner politischen Karriere: die Präsidentschaftswahl im November 2020. Dann entscheidet sich, ob das Phänomen Trump mehr als ein Missverständnis der politischen Geschichte war, das seine Landsleute bei nächster Gelegenheit wieder ausgeräumt haben.
Außenpolitisch - und das heißt in den USA immer weltpolitisch - geht es in den nächsten Wochen Schlag auf Schlag. Trump wird sich beim G20-Gipfel Ende November in Buenos Aires sicher mit Chinas Staatschef Xi Jinping und möglicherweise auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin treffen. Mit China befinden sich die USA in einem ausgewachsenen Handelskonflikt. Trump sandte zuletzt relativ klare Signale, dass er seinen eigenen Handelskrieg wieder befrieden will. Das Verhältnis mit Russland ist noch komplizierter. Hier stünde eigentlich eine Neudefinierung der völlig ramponierten Beziehungen an.
Außenminister Mike Pompeo muss für Trump bei dessen vielleicht wichtigsten außenpolitischen Baustellen ran - Iran und Nordkorea. Die Sanktionen gegen die Islamische Republik hat er gerade verkündet, der Erfolg ist jedoch längst nicht garantiert. Die Iran-Frage steht in direktem Zusammenhang mit einem höchst delikaten Thema, das Trump möglicherweise noch in diesem Jahr angehen will: ein Nahost-Friedensplan. Das Papier soll angeblich weitgehend fertig sein. Der Fall Kashoggi sowie die damit verbundenen Probleme für den wichtigen Nahost-Verbündeten Saudi-Arabien und dessen Draht nach Washington könnten hier ein weiteres Hindernis darstellen.
Mit Nordkoreas Chefunterhändler will sich Pompeo noch diese Woche treffen, um einen weiteren Gipfel vorzubereiten. Trump soll wohl im Januar erneut auf Machthaber Kim Jong Un treffen. Die atomare Abrüstung des kommunistischen Landes sei technisch in einem Jahr möglich, glaubt Pompeo. Vielleicht dauert es auch zwei Jahre - dann sind wieder Wahlen in den USA.