Kanada Nach Streit mit Trudeau: Kanadas Finanzminister tritt zurück

Bill Morneau tritt mitten in der Corona-Krise zurück
Bill Morneau tritt mitten in der Corona-Krise zurück
© Justin Tang / DPA
Es geht offenbar um Uneinigkeiten über die Finanzierung von Corona-Finanzhilfen und Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Regierungsaufträgen: Nach einem Streit mit Premierminster Trudeau ist der kanadische Finanzminister zurückgetreten.

Der kanadische Finanzminister Bill Morneau hat überraschend seinen Rücktritt erklärt. Angesichts der "nächsten Phase" im Kampf gegen die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen sei es "Zeit für einen neuen Finanzminister", sagte Morneau am Montagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz. Auch sein Mandat als Parlamentsabgeordneter werde er niederlegen. Morneaus Rücktrittserklärung war ein Streit mit Premierminister Justin Trudeau über die Höhe der Ausgaben in der Corona-Krise vorausgegangen.

Der Prozess der wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Krise werde "viele Jahre" dauern, sagte Morneau. Es sei die richtige Zeit für einen Finanzminister, der die Krisenstrategie der Regierung "auf dem langen und herausfordernden "Weg, den wir vor uns haben", weiterverfolgen könne. Er wolle sich stattdessen als Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bewerben, kündigte Morneau weiter an.

Ethik-Kommission überprüft Auftragsvergabe an Wohltätigkeitsorganisation

Morneau leitete das Finanzministerium in Ottawa ab 2015. Kanadische Medien hatten vergangene Woche von tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Morneau und Premierminister Trudeau in der Krisenbekämpfung berichtet. Das kanadische Haushaltsdefizit lag zuletzt bei mehr als 340 Milliarden kanadischen Dollar (rund 216 Milliarden Euro).

Hinzu kam, dass die kanadische Ethik-Kommission ihre Überprüfung eines umstrittenen Regierungsauftrags an eine Wohltätigkeitsorganisation auf Morneaus Ministerium ausweitete. Trudeaus Regierung hatte Ende Juni die Organisation WE Charity mit der Umsetzung eines 900 Millionen kanadische Dollar umfassenden Regierungsprogramms beauftragt. Im Zuge des Programms werden Studenten, die während der Corona-Pandemie Freiwilligenarbeit für gemeinnützige Organisationen leisten, Zuschüsse von bis zu 5000 kanadischen Dollar gewährt.

Die Opposition hatte die Vergabe kritisiert, weil Trudeau und mehrere seiner Familienangehörigen in der Vergangenheit von WE Charity als Redner eingeladen worden waren. Trudeaus Mutter, sein Bruder und seine Ehefrau erhielten Honorare in Höhe von insgesamt knapp 300.000 kanadischen Dollar von der Organisation. Die Gründer von WE Charity haben sich mittlerweile wegen der anhaltenden Kritik aus der Vereinbarung zurückgezogen.

Morneaus Töchter arbeiten für Wohltätigkeitsorganisation

Morneaus Name tauchte in dem Skandal auf, als herauskam, dass er erst kürzlich rund 41.000 kanadische Dollar an Spesen an WE Charity zurückgezahlt hatte, die er und seine Familie für zwei humanitäre Reisen im Jahr 2017 erhalten hatten. Zudem räumte er öffentlich ein, dass eine seiner Töchter bei der Organisation beschäftigt ist und eine weitere ehrenamtlich für sie arbeitet. Die Opposition hatte daraufhin den Rücktritt des Finanzministers verlangt.

Die oppositionellen Konservativen und Neuen Demokraten bezeichneten den Rücktritt Morneaus am Montag als ein Zeichen dafür, dass die Regierung von Trudeau "im Chaos" stecke. Der Finanzminister sei dabei zum Sündenbock gemacht worden.

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Trudeau begrüßte derweil Morneaus Kandidatur für die Nachfolge des scheidenden OECD-Generalsekretärs José Angel Gurría. Er werde die Bewerbung Morneaus "energisch unterstützen", erklärte der Premierminister. Dem zurückgetretenen Finanzminister dankte er für seine unermüdliche Arbeit an einer "belastbaren und gerechten Wirtschaft, die allen zugute kommt".

Als Nachfolger für Morneau im Finanzministerium werden unter anderem die stellvertretende Premierministerin Chrystia Freeland, Außenminister Francois-Philippe Champagne und Schatzkammer-Präsident Jean-Yves Duclos gehandelt.     

AFP
tis / Michel Comte