Obama holt absolute Mehrheit Ein Sieger mit zwei Problemen

  • von Katja Gloger
Barack Obama hat es geschafft: Der Senator aus Illinois hat die absolute Mehrheit an gewählten Delegierten. Seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten scheint unausweichlich, und doch hat er mit zwei Problemen zu kämpfen: mit der Hartnäckigkeit von Hillary Clinton - und mit seiner Hautfarbe.

Gestern Abend, prime time, es war noch zur besten Sendezeit im Fernsehen, konnte er endlich seinen Sieg zelebrieren. Knapp 20 direkt gewählte Delegierte hatten ihm zur Mehrheit noch gefehlt - gestern Abend war es soweit. 15 Monate nach Beginn seines Wahlkampfes stand er strahlend vor seinen Anhängern, dunkelgrauer Anzug, rosa Krawatte, ein patriotischer Anstecker mit amerikanischer Flagge am Jackett, seine Frau und die beiden Töchter neben sich und rief: "Wir haben die Schwelle erreicht." Und seit gestern Abend traut man sich auch im Obama-Lager zu flüstern: Ja, er ist der Kandidat. Ja, Barack Obama soll für die Demokraten das Weiße Haus erobern. Und um kurz nach 21 Uhr Ortszeit meldete der Fernsehsender CNN: Barack Obama hat die Mehrheit der direkt gewählten Delegierten.

Obama hat die absolute Macht

Der voraussichtliche Sieger im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur versuchte mit einem geschickten Schachzug, zumindest psychologisch vollendete Fakten zu schaffen: Barack Obama beendete den Vorwahltag mit einer Veranstaltung in Iowa, in dem eher ländlich geprägten, mehrheitlich weißen Bundesstaat, in dem er die erste Vorwahl am 3. Januar überraschend gewonnen hatte. Dort, wo niemand mit dem Sieg eines schwarzen Newcomers gerechnet hatte. Dort, wo Hillarys langer Weg in die Niederlage begann. Dort, wo er gesagt hatte: "Sie sagten, dieser Tag würde niemals kommen."

Mit seiner inoffiziellen Krönungszeremonie gestern Abend wollte Barack Obama demonstrieren, dass er von nun an die absolute Mehrheit der direkt gewählten Delegierten hinter sich hat - könnten dieser Macht der Mehrheit denn die Superdelegierten wirklich widerstehen, die Parteihierarchen, die bis zum letzten Moment frei entscheiden dürfen?

Und zugleich sendete er ein Signal an den wahren Gegner der kommenden Monate: John McCains Schonzeit ist jetzt vorbei. John McCain, so die Parole, bedeutet eine dritte Amtszeit Bush.

Zwanzig Mal sprach Obama gestern Abend in Des Moines von "change" und reklamierte den wahren Wandel für sich. Hier in Iowa hatte vor vier Jahren noch George W. Bush Iowa gewonnen. Sein Vorsprung im hart umkämpften "swing state" betrug damals ganze 10.000 Stimmen.

Mutter Teresa gibt nicht auf

Hunderte Kilometer südöstlich zelebrierte gestern Abend auch Hillary Clinton einen süßen Sieg: Wie erwartet, gewann sie die Vorwahlen im konservativen Kentucky mit 65 Prozent. Auch hier hatte sie sich ins Zeug gelegt, als ob sie das Ruder noch herumreißen könne. Und positionierte sich noch einmal als Mutter Teresa der (weißen) Arbeiterklasse, als unermüdlich hart arbeitende" Kämpferin für das "hart arbeitende" Volk, für die Männer und Frauen des wahren Amerika, "die jeden einzelnen Tag so hart kämpfen", wie sie immer wieder sagt. Im Gegensatz zu ihm, dem unerfahrenen Jungspund Barack Obama, der offenbar nur von Nichtstuern, romantischen Jugendlichen und volvofahrenden Intellektuellen gewählt wird. Ganz so, als ob in all den anderen Bundesstaaten, in denen dieser Obama gewonnen hat, hart arbeitende Menschen einer aussterbenden Spezies angehören.

Natürlich weiß sie, wie künstlich der Gegensatz ist, den sie da gerade zu Obama konstruiert. Sie weiß natürlich auch, dass man ihr immer weniger zuhört, immer weniger Fans zu ihren Auftritten kommen, die Medien immer spärlicher über sie berichten. Sie darf auch nicht als Spalterin ihrer Partei dastehen - als amoklaufende Kandidatin gar, die den Wahlsieg der Demokraten im November riskiert. Also stellte sie ihre wütenden Angriffe gegen Obama ein, auch die "attack-ads", die aggressiven Wahlkampfspots im Fernsehen. "Sie hält einen brüchigen Waffenstillstand ein", wie der Reporter der New York Times beobachtete. Außerdem ist ihr Wahlkampf mit mittlerweile 21 Millionen Dollar verschuldet. "Die teuerste Fantasiewelt der Geschichte", lästerte der Late-Night-Talker David Letterman.

"Ich gebe nicht einfach so auf", sagt sie dazu. Wir haben einen wichtigen Sieg errungen." Es geht ihr um einen Rückzug zu ihren eigenen Bedingungen, vielleicht sogar um ein Ende in Ehren. Doch Hillary Clinton ist zugleich eine erfahrende, eiskalt kalkulierende Politikerin, und sie weiß auch: sie hat Barack Obama ein echtes Problem verschafft. Denn in Bundesstaaten wie West Virginia und Kentucky, aber auch in Pennsylvania gingen ihm in den Vorwahlen die "Blue collar"-Arbeiter von der Fahne, die "Blaumänner" mit wenig Bildung und Niedrigsteinkommen.

Es sind mehr Männer als Frauen, sie haben Angst um ihre Jobs, Angst um ihre Zukunft - und die wählen nun einmal keinen Schwarzen. So erklärte jeder vierte Wähler nach den Vorwahlen im ebenso armen wie stramm konservativen West Virginia vor einer Woche, dass Hautfarbe ein Grund für ihre Entscheidung war. Diese Wahlen hatte Hillary mit einem Vorsprung von rund 40 Prozent gewonnen. In Kentucky lag sie gestern mehr als 30 Prozent vorne.

Rasse bleibt ein Faktor

Es ist auch dem Wahlkampf des Ehepaares Clinton mit seinen rassistischen Untertönen zu verdanken, dass Barack Obama in dieser traditionellen Wählergruppe der Demokraten mehr und mehr als Kandidat der Schwarzen" gesehen und abgelehnt wird. In dieser Wählergruppe erklären im Moment bis zu 22 Prozent, sie könnten im November zu John McCain desertieren. Umgekehrt aber wollen nur 11 Prozent der Republikaner zu Barack Obama wechseln. Schon werden Erinnerungen wach: hatten doch einst die konservativen "Reagan Democrats" dem republikanischen Strahlemann Ronald Reagen zum Sieg verholfen.

Den "Blaumännern" will Obama eine Generation neuer Wähler entgegensetzen: er will seinen Sieg vor allem mit einer Koalition aus Erstwählern sowie unabhängigen Wechselwählern erringen. Er setzt auf eine demokratische Partei der kommenden Generation, eine Art "Demokraten 2.0." Doch im November könnten weiße Arbeiter in hart umkämpften Bundesstaaten wie Pennsylvania und Ohio immer noch wahlentscheidend sein. "Man würde ja gerne glauben, dass Rasse kein Faktor in der amerikanischen Politik mehr ist", so der ehemalige Clinton-Wahlkampfmanager und heutige Clinton-Oberkritiker Dick Morris. Doch es ist ein Faktor. Die wachsende Furcht vor dem immer noch unbekannten Obama wird noch den letzten weißen Republikaner vom Golfplatz an die Wahlurne treiben, um dort für McCain zu stimmen. Und wenn er es schafft, die erschreckten Demokraten auf seine Seite zu ziehen, dann hat er im November eine gute Chance."

Clintons Comeback am Horizont

Sie werde weitermachen, erklärt Hillary Clinton, bis zum 3. Juni, wenn die letzten Vorwahlen in Montana und South Dakota stattfinden. "Man verlässt den Court nicht, bevor die Glocke ertönt. Man kann nie wissen. Ich bin besser darauf vorbereitet, Präsident zu werden, und ich kann die Wahl eher gewinnen." Dies ist die Botschaft, mit der sie den ehrenvollen Rückzug einleiten will.

Und wenn es dann für sie zu Ende geht, wenn Hillary Clinton ihre Niederlage öffentlich machen muss, dann wird sie noch einmal die Werte der amerikanischen Blaumänner" hochhalten, die wahren Werte des anständigen Amerika, das man nicht vergessen darf. Ihre Fans glauben, es geht ihr um die Einheit der Partei. Sie glauben, es geht ihr um Obamas Sieg.

Ihre Kritiker hingegen fürchten erneut gnadenloses Kalkül: eine Hillary Clinton, die auf Obamas Niederlage setzt, um nach der ersten Amtszeit des dann 76jährigen John McCain noch einmal um die Präsidentschaft zu kämpfen - und zwar nicht als Ehefrau eines ehemaligen Präsidenten, sondern als Kämpferin aus eigener Kraft. Noch nie hat sich Hillary Clinton geschlagen gegeben. Ihr Wahlkampf ist noch lange nicht vorbei.