Innerhalb von nur wenigen Wochen treffen sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan zum zweiten mal persönlich. Putin empfängt Erdogan heute im russischen Badeort Sotschi. Der Austausch soll gegen 14 Uhr MESZ beginnen.
Das Treffen ist ein Gipfel zweier Staatsmänner, die wissen, dass sie einander brauchen. Erdogan hat zwar den Einmarsch der Russen in der Ukraine kritisiert, den Sanktionen des Westens hat sich die Türkei jedoch nicht angeschlossen. Auch die Türkei ist – wie große Teile der westeuropäischen Länder – abhängig von Putins Gaslieferungen. Die Pipelines TurkStream und Blue Stream enden hier.
Wie Amur Gadgijew, Direktor des Zentrums für Studien der modernen Türkei in Moskau, auf "tagesschau.de" sagte, springe die Türkei zudem auch bei Waren- und Lieferengpässen in Russland ein, die sich dort nach dem Rückzug westlicher Firmen aufgetan hätten. Im Juni 2022 hatte die Türkei mit Waren im Wert von 5,1 Milliarden US-Dollar aus Russland so viel importiert wie aus keinem anderen Land. Im Vergleich zum Vorjahresmonat hat sich der Import damit mehr als verdoppelt. Zudem bilden Russen die Haupturlauber-Gruppe in der Türkei. Der russische Kraftwerkbauer Rosatom baut außerdem im Süden der Türkei das erste Atomkraftwerk des Landes.
Kommt es zwischen Putin und Erdogan zum Quid pro Quo?
Die beiden wichtigsten Felder, auf denen sich die zentralen Interessen beider Nationen berühren, sind jedoch die Themen Syrien und Waffenexporte. Die Türkei will seit Langem gegen die kurdischen Kämpfer im Norden Syriens vorgehen. Gemeinsam mit arabischen Islamisten halten türkische Truppen dort seit 2018 Gebiete besetzt. Erst im Mai hatte Erdogan angekündigt, Syriens kurdische Autonomieregion ganz zerschlagen zu wollen. Bislang hatte sich Russland als Schutzmacht von Syriens Machthaber Assad allen türkischen Offensiv-Plänen entgegengestellt.
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Weitaus geschmeidiger gestalten sich die Beziehungen bei den Waffenexporten. Bereits kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine hatte Erdogan gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Moskau nicht aus. Eine Haltung, die dem türkischen Staatschef viel Kritik der westlichen Verbündeten eingetragen hat. Immerhin ist die Türkei Nato-Mitglied. Dennoch hat das Erdogan nicht davon abgehalten, 2017 etwa das russische Raketenabwehrsystem S-400 zu erwerben.
Türkische Kampfdrohne hat Putins Interesse geweckt
Diesmal steht jedoch ein türkisches Waffensystem im Blickpunkt: die Kampfdrohne Bayraktar TB2, die die ukrainische Armee gerade mit großem Erfolg gegen russische Truppen einsetzt. Das Waffensystem gilt als Exportschlager. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, hatte Erdogan nach Angaben des Senders CNN Türk gesagt. Eine entsprechende Fabrik könne in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet werden. Das hätten die Emirate angeboten.
Das Unternehmen will davon allerdings nichts wissen. Man habe Russland keine Drohnen geliefert und werde das "nie tun", sagte der Vorsitzende von Baykar, Haluk Bayraktar, dem Sender CNN international. "Wir unterstützen die Ukraine!"
Die Türkei pflegt traditionell sowohl zur Ukraine als auch zu Russland enge Beziehungen und sieht sich als Vermittler zwischen beiden Parteien. Unter türkischer Vermittlung wurde zuletzt ein Abkommen unterzeichnet, das Getreideausfuhren aus drei Häfen der Ukraine ermöglichen soll. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Erdogans-Vermittlungsbemühungen in einem stern-Interview ausdrücklich gelobt. "Aber ohne ein Ja aus Washington wird es nicht gehen", schränkte Schröder die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg mit Blick auf die Haltung der US-Regierung ein.