US-Präsident George W. Bush fühlt sich auf einer Woge des Erfolgs. "Lasst uns das tun, was wir Amerikaner immer getan haben, lasst uns eine bessere Welt für unsere Kinder und Kindeskinder schaffen" - mit diesen überaus selbstgewissen, optimistischen Worten präsentierte ein bestens aufgelegter Präsident seinen Bericht zur Lage der Nation. In der ganzen 50-minütigen Rede gab es nicht den Hauch eines Selbstzweifels. Bush pries den weltweiten Siegeszug der Demokratie an und sprach von "Meilensteinen in der Geschichte der Freiheit". Er zeigte sich zuversichtlich, dass es zwischen Israelis und Palästinensern bald zum Frieden kommen könnte. Und er setzte fort, was er vor zwei Wochen bei seiner Vereidigung schon gesagt hat. Die USA meinen es Ernst mit ihrer Forderung nach einer Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens - und warnen Iran und Syrien wegen ihrer Unterstützung des Terrors mit zunehmender Schärfe. Der Iran ist nach Einschätzung von US-Präsident George W. Bush der "wichtigste staatliche Terror-Förderer der Welt". Es war Bushs erste Rede zur Lage der Nation seit den Anschlägen vom 11. September 2001, in der der Schwerpunkt auf der Innenpolitik lag.
Seine teilweise sehr emotionale Rede begeisterte nicht nur die republikanischen, sondern auch viele demokratische Abgeordnete und Senatoren. Nach der Rede umarmten sich Bush und der demokratische Senator Joe Lieberman, der um ein Haar sogar sein Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl geworden wären. Fast zu Tränen gerührt waren viele, als die Irakerin Safia Taleb al-Suhail auf der Zuschauertribüne von Bush als Heldin gewürdigt wurde. "Wir waren 35 Jahre von Saddam Hussein besetzt, das war die wahre Besatzung, Dank dem amerikanischen Volk, das einen so hohen Preis zahlt", zitierte Bush die Menschenrechts-Anwältin aus Bagdad. Und dann gab es eine Beifalls-umtoste, fast einminütige Umarmung der weinenden Mutter eines toten Marinesoldaten, Janet Norwood aus Pflugerville (Texas) und der sichtlich aufgewühlten Irakerin.
Klare Drohung Richtung Iran - und Syrien
In seiner Rede zur Lage der Nation wiederholte Bush in Washington seine Vorwürfe, das Land strebe nach Atomwaffen. Vor drei Jahren hatte Bush den Iran gemeinsam mit dem Irak und Nordkorea der "Achse des Bösen" zugeordnet. Der Präsident, der gerade seine zweite Amtszeit im Weißen Haus begonnen hat, versprach dem iranischen Volk, ihm in seinem Kampf um Freiheit beizustehen. Er betonte die multinationalen Bemühungen, den Atomstreit mit dem Land beizulegen. "Wir arbeiten mit den europäischen Verbündeten daran, dem iranischen Regime klar zu machen, dass es sein Programm zur Anreicherung von Uran und jede Wiederaufbereitung von Plutonium aufgeben und seine Unterstützung für den Terror beenden muss", sagte Bush. Angereichertes Uran kann in Atomkraftwerken, aber auch in konzentrierter Form zum Bau von Atomwaffen benutzt werden.
Bush hatte im vergangenen Monat die Möglichkeit eines Militärschlages gegen das Land nicht ausgeschlossen, falls der Iran keine erschöpfende Auskunft über sein Atomprogramm gebe. Vize-Präsident Dick Cheney hatte erklärt, der Iran stehe auf der Liste der Krisenherde der Welt ganz oben. Außerdem werde Israel vielleicht "zuerst handeln", um die von Teheran ausgehende atomare Bedrohung zu beenden. In seiner Rede nahm Bush am Mittwoch auch auf Nordkorea Bezug: "Wir arbeiten eng mit Regierungen in Asien zusammen, um Nordkorea zu überzeugen, von seinen nuklearen Ambitionen abzulassen", erklärte er. Als zentralen Teil der "Achse des Bösen" hatte Bush in seiner Rede zur Lage der Nation im Jahr 2002 den Irak bezeichnet. Ein Jahr später marschierten dort US-Truppen ein.
Bush rechnet weiter mit Gewalt im Irak
Auch nach den Wahlen im Irak rechnet der US-Präsident mit einem Anhalten der Gewalt. Die Terroristen und Aufständischen, die mit gewaltsamen Mitteln die Demokratisierung verhindern wollten, würden ihre Anschläge fortsetzen, sagte Bush. Nach den Wahlen im Irak wisse jedoch die ganze Welt, dass eine kleine Gruppe von Terroristen die Entschlossenheit der Iraker nicht bezwingen könne. Bush lehnte einen "künstlichen Zeitplan" für den Abzug der US-Truppen aus dem Irak ab, weil dies die Terroristen nur ermutigen würde. Wichtigstes Ziel sei jetzt die Ausbildung von irakischen Sicherheitskräften.
Doch auch die Innenpolitik kam zur Sprache: Bush kündigte eine umfassende Sozialreform an. Er rief den Kongress auf, ein politisches Risiko einzugehen, um die dauerhafte Gesundung der Sozialversicherung zu ermöglichen. Ohne Korrekturen drohe dem teuren System der Bankrott. Konkrete Vorschläge machte er zunächst nicht. "Alle Ideen sind auf dem Tisch", sagte er. "Wir müssen die Reformen ehrlich und mutig vorantreiben." Die Renten der Kinder seien wichtiger als Parteipolitik. Nach seinen Vorstellungen sollen die garantierten Bezüge für die jüngeren Generationen vermindert werden, für all diejenigen, die heute 55 Jahre oder älter sind, werde sich nichts ändern.
Halbierung des Haushaltsdefizits bis 2009
Ebenso wichtig ist dem Präsidenten die Haushaltslage: Bush unterstrich sein Ziel, das Haushaltsdefizit der USA bis zum Jahr 2009 zu halbieren. "Amerikas Wohlstand verlangt, den Ausgaben-Hunger der Bundesregierung zu zügeln", sagte Bush, der gerade seine zweite Amtszeit im Weißen Haus begonnen hat, in Washington. Im Budget für das Jahr 2006 würden mehr als 150 Regierungsprogramme drastisch gekürzt oder gestrichen. Der Ausgabenplan, den er am Montag an den Kongress weiterleiten werde, verfolge das Ziel "das Defizit bis 2009 zu halbieren". Er wolle außerdem das Ausgabenwachstum unterhalb der Inflation halten. Im Weißen Haus geht man von einer Inflation in Höhe von rund zwei Prozent aus.
Kongress zur Genehmigung seines Energie-Plans gedrängt
Den US-Kongress forderte der US-Präsident in seiner Rede auf, seinem Energiegesetz zuzustimmen. Der Entwurf soll die US-Energieproduktion ankurbeln, das Wirtschaftswachstum sichern und den USA zu mehr Unabhängigkeit von Energieimporten verhelfen. Bush, der gerade seine zweite Amtszeit im Weißen Haus begonnen hat, sagte, er habe dem Kongress vor vier Jahren seinen Energie-Plan vorgelegt. Dieser sehe eine Erhöhung der Fördermengen von US-Erdöl und -gas vor, eine Modernisierung des Stromnetzes, den Bau von Atomkraftwerken und die Entwicklung alternativer Energiequellen. Die Abgeordneten konnten sich auf eine Verabschiedung des Planes bisher nicht einigen. "Vier Jahre der Debatte sind genug", sagte Bush. "Ich bitte den Kongress dringend, das Gesetz zu verabschieden, das Amerika zu mehr Sicherheit und weniger Abhängigkeit von ausländischer Energie machen wird".
Reformen von Saudi Arabien und Ägypten gefordert
Saudi-Arabia und Ägypten wurden zu demokratischen Reformen ermutigt. Die Regierung Saudi-Arabiens könne ihren Führungsanspruch in der Region mit einer stärkeren Selbstbestimmung der Bevölkerung unterstreichen, so Bush. Auch Ägypten biete sich nun die Chance, dem Nahen Osten den Weg zur Demokratie zu zeigen. Die USA unterstützten überall die Verbreitung der Freiheit, würden aber niemandem eine Regierungsform diktieren.
350 Millionen Dollar Finanzhilfe für Palästinenser
Die neue Palästinenserführung wird belohnt. Bush kündigte eine Finanzhilfe von 350 Millionen Dollar (268 Millionen Euro) an. Damit sollen die Demokratie gefördert und die Reformen in den Sicherheitskräften unterstützt werden. Das Ziel sei in Reichweite gerückt, dass Israel und Palästina als zwei demokratische Staaten Seite an Seite in Frieden leben. Die Vereinigten Staaten wollten beiden helfen, dieses Ziel zu erreichen. Die neue US-Außenministerin Condoleezza Rice wird am Donnerstag zur ihrer ersten Auslandsreise in den Nahen Osten aufbrechen. Rice will Gespräche mit der israelischen und palästinensischen Führung führen.
Demokraten kritisieren fehlenden Abzugsplan aus Irak
Die oppositionellen Demokraten in den USA haben scharf die Irak-Politik von US-Präsident George W. Bush kritisiert. Bush habe auch in seiner Rede zur Lage der Nation keinen Plan für die Beendigung der Besatzung vorgelegt, sagte die demokratische Minderheitsführerin im US-Repräsentantenhaus Nancy Pelosi am Mittwochabend in Washington. Die US-Truppen könnten nicht für immer im Irak bleiben, dürften sich aber auch nicht durch die Hintertür hinausstehlen und Chaos hinterlassen. Pelosi schlug vor, dass die Verantwortung für die Sicherheit so schnell wie möglich den Irakern übertragen wird. Außerdem sollten Wirtschaftsprojekte beschleunigt und die diplomatischen Bemühungen in der Region verstärkt werden.
Bush hatte in seiner Rede zuvor erklärt, er wolle keinen Zeitplan für den Abzug der US-Truppen aufstellen. Bush begründete dies damit, dass er die Terroristen nicht ermutigen und ihnen nicht das Gefühl geben wolle, sie könnten die Zeit aussitzen.
Kabinettsmitglied und Abgeordnete bleiben Bush-Rede fern
Der amerikanische Wirtschaftsminister Don Evans und vier führende Kongressmitglieder haben der Rede von Präsident George W. Bush zur Lage der Nation nicht beigewohnt. Es handelte sich um eine Vorsichtsmaßnahme, damit im Falle eines Terroranschlags auf den Kongress nicht die gesamte Regierung ausgeschaltet werden könnte. Es ist eine lange Tradition in den USA, ein Kabinettsmitglied von der Rede des Präsidenten fern zu halten. Schon im vergangenen Jahr traf es Evans. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 bleiben auch immer einige führende Abgeordnete den Veranstaltungen fern. In diesem Jahr waren dies die Demokraten Senator Kent Conrad und der Abgeordnete John Doolittle sowie auf republikanischer Seite der Abgeordnete George Miller und der Senator Ted Stevens.
Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten soll der Präsident regelmäßig über die Lage der Nation Bericht erstatten. Dies geschieht meist jährlich.