Griechenland kann nicht mit weiteren Milliarden-Hilfen der EU rechnen, falls die neue Regierung in Athen nicht mehr zum Sparen und zu Reformen bereit ist. Dies machte die politische Spitze der Europäischen Union am Mittwoch in Brüssel deutlich. Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderten Athen auf, an der vereinbarten Sparpolitik und den dringend nötigen Strukturreformen festzuhalten.
"Wir wollen, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, aber ob Griechenland in der Eurozone bleibt, das liegt in den Händen Griechenlands", sagte Westerwelle am Mittwoch in Brüssel vor Journalisten. "Und das ist eine Entscheidung, die in Griechenland gefällt wird." Westerwelle sagte weiter: "Wir stehen zu unseren Hilfszusagen, aber das bedeutet auch, dass die Vereinbarungen umgesetzt werden." Wenn Griechenland den mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Reformkurs verlasse, "dann sehe ich nicht, dass die entsprechenden Tranchen ausgezahlt werden". "Es gibt zwischen Griechenland und der Eurozone eine Vereinbarung. Und Griechenland muss die einhalten", betonte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte in Brüssel: "Die griechischen Repräsentanten müssen die Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, genau so einhalten, wie wir die Verpflichtungen einhalten, die wir gegenüber Griechenland eingegangen sind." Jeder Zweifel an der Vertragstreue Griechenlands "würde in den Finanzmärkten sofort katastrophale Verunsicherung nach sich ziehen". Griechenland könne ohne schmerzhafte Reformen seinen Lebensstandard nicht halten: "Das ist die bittere Wahrheit. Und um die darf man das griechische Volk nicht betrügen."
Keine Einigung zwischen Linksradikalen und Sozialisten
Nach der Parlamentswahl am Sonntag ist bisher unklar, welche Parteien die künftige Regierung in Athen stellen werden. Konservative, Linksradikale und Sozialisten konnten sich bislang nicht auf eine Koalitionsregierung einigen - trotz der dramatischen Lage. Auch die zweite Sondierungsrunde zwischen dem Chef des radikalen Linksbündnisses (Syriza), Alexis Tsipras, und dem Vorsitzende der griechischen Sozialisten, Evangelos Venizelos, scheiterte am Mittwoch. Venizelos will an diesem Donnerstag nun selbst die Bemühungen zur Bildung einer Regierung fortsetzen. Allerdings läuft den Griechen die Zeit davon. Das Land hat nur noch Geld bis etwa Ende Juni. Dann muss die nächste Finanzspritze kommen. Das Grüne Licht dafür müssen die Kontrolleure der Geldgeber geben, doch diese wollen eine handlungsfähige Regierung sehen, wenn sie Anfang Juni nach Athen kommen.
Im Mittelpunkt des Hickhacks steht das Bündnis der Radikalen Linken, eine Allianz aus verschiedenen linken Gruppierungen und Parteien. Ihr Chef Tsipras hat Syriza von einer Protestpartei mit 4,6 Prozent Ende 2009 auf stolze 16,8 Prozent vergangenen Sonntag geführt. Eine wichtige Rolle bei dem kometenhaften Aufstieg hat gespielt, dass die Einkommen der Mittelschicht und der Arbeiterklasse in der Krise praktisch eingebrochen sind.
Hunderttausende haben mehr als ein Viertel ihres Verdienstes verloren. Jeder zweite junge Mensch ist arbeitslos. "Ein Becken, in dem man mit Versprechungen endlos nach Stimmen angeln kann", meinen Analytiker. Auch die EU trage einen Teil der Verantwortung. Seit drei Jahren verlören die Menschen ihre Arbeit und hörten von Investitionen, "die kommen, aber nicht ankommen". Sparen ohne Aussichten führe zur Radikalisierung großer Schichten.
Linke wollen Banken verstaatlichen
Tsipras verspricht, das Sparprogramm zu annullieren. Was kommt, wenn den Griechen dann der Geldhahn zugedreht wird, will er nicht genau sagen. "Wir werden die Banken unter staatliche Kontrolle stellen", sagt einer seiner Mitarbeiter. Da wollen die Linken Geld finden. Eine irrige Vorstellung, meinen Beobachter. Die Radikallinken glaubten, in den Räumen der Banken gebe es Berge von Geld.
Tsipras erklärt, alle von Griechenland unterzeichneten Sparprogramme seien null und nichtig, da die Mehrheit des Volkes gegen das Sparprogramm gestimmt habe. Der Chef der stärksten Partei im neuen griechischen Parlament, der Konservative Antonis Samaras, kontert: "Dann ist Griechenland raus aus dem Euroland. Ich werde nicht der Zerstörung meines Landes zustimmen."
Die Zeichen für ein baldiges Ende der Regierungslosigkeit in Griechenland stehen schlecht. Unter den jetzigen Bedingungen scheinen Neuwahlen binnen eines Monats als mögliche Lösung. Bei der Wahl am Sonntag hätten die Griechen die Politiker abgestraft, die für Vetternwirtschaft und Korruption verantwortlich seien: "Vielleicht werden bei den nächsten Wahlen die Bürger sagen, wie das Land regiert werden soll. Auch wenn sie das geringste Übel wählen müssen", urteilte ein Radiokommentator am Mittwoch.