Das türkische Militär geht seit Jahrzehnten gegen militante Kurden im Irak vor und ist längst über die türkischen Grenzen hinaus aktiv. Zuletzt stieß die Türkei weiter ins Nachbarland vor. "Als die Türkei das erste Mal in das Gebiet kam, stellten sie kleine tragbare Zelte auf, aber im Frühjahr errichteten sie Außenposten aus Ziegeln und Zement", wird Abdulrahman Hussein Rashid, Bürgermeister des Dorfes Sararo, in einem Report der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Der Ort ist heute nach Bombardements verlassen, die Türkei besitzt hier drei militärische Außenposten. "Sie haben Drohnen und Kameras, die rund um die Uhr arbeiten. Sie wissen alles, was vor sich geht", sagte Rashid im Dezember gegenüber Reuters.
Mehrere Analysten warnen nun dem Bericht zufolge davor, dass die Vorstöße der Türkei im Irak zu einer weiteren Destabilisierung in der Region führen könnten. Kurdische Beamte gehen demnach einerseits davon aus, dass Angriffe auf die neuen irakischen Militärstützpunkte die Situation verschlimmern könnten und andererseits, dass der Irak seine Militäraktionen gegen Gruppen ausweitet, die für Unruhen im Land verantwortlich sein sollen. Den Befürchtungen nach könnten die zunehmenden Aktivitäten der Türkei auch ausgeweitete militärische Maßnahmen des Iran nach sich ziehen. Teheran habe kurdische Stützpunkte bereits mit Raketen beschossen, berichtet Reuters. Dabei wurden demnach auch iranische Kurden getötet; jene sind der iranischen Regierung ein Dorn im Auge. Sie wirft ihnen vor, an den Frauenprotesten beteiligt gewesen zu sein.
Zuletzt ist am Mittwoch (1. Februar) ein türkischer Militärstützpunkt in nordirakischen Zilkan mit Raketen beschossen worden, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten. Angaben der Anti-Terror-Einheit, eine Sicherheitsorganisation der autonomen kurdischen Region, zufolge trafen zwei der acht abgefeuerten Raketen ins Innere des Stützpunkts. Laut einer irakischen Sicherheitsquelle wurde ein irakischer Auftragnehmer dabei verletzt. Bislang hat sich niemand zu der Tat bekannt. Die Türkei bestätigte den Angriff und kündigte Vergeltung an.
Zunehmende Militäraktivitäten der Türkei: dutzende tote Zivilisten im Irak
Darüber hinaus glauben die zitierten Analysten an ein erhöhtes Eskalationsrisiko zwischen türkischen Gruppen und Gruppen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Laut eines Berichts des Think Tanks Washington Institute nahmen die Angriffe auf türkische Militärstützpunkte im vergangenen Jahr tatsächlich zu. Kurdische Beamten berichten, dass die Türkei in den vergangenen Jahren dutzende neue Militärstützpunkte im Irak errichtet habe. "Jahr für Jahr haben die Außenposten nach der Eskalation der Kämpfe zwischen den türkischen Streitkräften und der PKK zugenommen", zitiert Reuters den ehemaligen Generalsekretär der kurdischen Peshmerga-Kräfte, Jabar Manda. Seinen Schätzungen zufolge liegt die Zahl bei aktuell 87.
Vom türkischen Verteidigungsministerium hieß es auf Anfrage von Reuters jedoch, die Operationen im Irak stünden im Einklang mit Artikel 51 der UN-Charta, der den Mitgliedstaaten das Recht auf Selbstverteidigung im Falle von Angriffen einräumt. Der "Kampf gegen den Terrorismus" im Nordirak erfolge in Koordination und enger Zusammenarbeit mit den irakischen Behörden.
Die Präsenz türkischer Militäreinheiten im Irak hält jedenfalls seit den 1990er-Jahren an und hat seitdem deutlich zugenommen. Sie unterhalten unter anderem sogar einen Stützpunkt in Bashiqa – 80 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Türkei gibt an, irakische Streitkräfte im Kampf gegen den Islamischen Staat ausgebildet sowie ausgerüstet zu haben. Und habe man sich darum bemüht, zivile Opfer zu vermeiden. Ein im August veröffentlichter Bericht einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen (NRO), End Cross-Border Bombing, kam allerdings zu dem Ergebnis, dass zwischen 2015 und 2021 mindestens 98 Zivilisten getötet wurden. Ähnliche Angaben machte die International Crisis Group und sprach von 1.180 getöteten PKK-Kämpfern zwischen 2015 und 2023.
Das große Aufrüsten – diese Länder planen wegen des Ukraine-Krieges ihr Militär zu stärken

Quelle: Reuters (1), Reuters (2), APE-MPE