"Danke, dass Sie vorbeischauen, guten Morgen. Warum sind Sie schwul?"
Als Moderator Simon Kaggwa Njala 2012 den LGBTQ-Aktivisten Pepe Julian Onziema mit dieser Frage zu einer Diskussionsrunde im ugandischen Fernsehen begrüßte, hätte er nicht ahnen können, dass der aus seiner Sicht wohl harmlose Gesprächseinstieg Jahre später millionenfach durchs Internet geistern würde. Elf Jahre später hat das nach eigenen Angaben "Witzigste afrikanische Interview aller Zeiten" auf Youtube mehr als 29 Millionen Aufrufe.
Heute ist der Clip buchstäblich Galgenhumor. Laut einem neuen Gesetz droht Homosexuellen in Uganda nicht wie bislang "nur" eine langjährige Haftstrafe, sondern im schlimmsten Fall der Tod. Im Westen ist die Empörung groß. So groß, dass die legalisierte Homophobie für den ostafrikanischen Staat teuer werden könnte.
Wer "schwerwiegend" schwul ist, dem droht die Todesstrafe
Bisher galt in Uganda bereits: Allein der Versuch, eine homosexuelle Beziehung einzugehen, kann mit bis zu zehn Jahren, gleichgeschlechtlicher Sex gar mit lebenslanger Haft geahndet werden. Das am Montag vom ugandischen Präsidenten verabschiedete "Anti-Homosexualität-Gesetz" geht noch weit darüber hinaus. Für sogenannte "schwerwiegende" Fälle sieht der Gesetzgeber zukünftig die Todesstrafe vor. Das heißt auch: Wer homosexuellen Sex mit einer Person unter 18 Jahren hat oder mit HIV infiziert ist (ungeachtet dessen, ob der Überträger selbst davon wusste), muss fortan um sein Leben fürchten. Der Straftatbestand der "versuchten schweren Homosexualität" wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 14 Jahren geahndet. Wer Homosexualität "wissentlich fördert", dem drohen bis zu zwei Jahrzehnte hinter Gittern. Was genau wiederum damit gemeint ist, bleibt unklar. Kritiker glauben, die Formulierung sei absichtlich vage gehalten, um die Arbeit von Aktivisten staatlich leichter einschränken zu können.
Der Abgeordnete Asman Basal Irwa, der das Gesetz ins Parlament eingebracht hatte, sagte gegenüber der BBC, dass es zwar niemanden störe, "wenn zwei Erwachsene unter vier Augen homosexuellen Sex haben". Auch würden Behörden nicht aktiv nach Homosexuellen fahnden. Tatsächlich stellt das neue Gesetz klar, dass Homosexualität an sich nicht illegal ist – auf das Ausleben kommt es an: "Aber wenn man versucht, es in der Öffentlichkeit zu tun, und dann andere anwirbt, es auf seine Weise zu tun, dann ist das ein Problem", behauptet der Parlamentarier
Dass es für die LGBTQ-Gemeinschaft in dem Binnenstaat mit 47 Millionen Einwohnern (noch) schlimmer werden würde, war abzusehen. Der entsprechende Entwurf war bereits Ende März bekannt geworden (der stern berichtete). 387 der 389 Abgeordneten im Parlament der Hauptstadt Kampala hatten damals für eine massive Verschärfung der bereits rigorosen Anti-LGBTQ-Gesetzgebung gestimmt. Bei der Schlussabstimmung in Kampala riefen die Parlamentarier homophobe Kommentare, eine der Abgeordneten forderte, Homosexuelle zu kastrieren.
Uganda macht Gesetz juristisch wasserdicht
Präsident Yoweri Museveni äußerte zunächst Zweifel an dem Entwurf und gab ihn an die Kammer zur Überarbeitung zurück. Grund dafür waren jedoch sicher keine Hemmungen des Staatsoberhaupts. Der 78-Jährige, der seit mehr als drei Jahrzehnten an der Macht ist, gilt selbst als offen homophob, bezeichnete Homosexuelle schon öffentlich als "widerlich". Grund für seine Skepsis war vielmehr, dass der Entwurf ohnehin rechtlich abgeschmettert würde. Der Unterschied zwischen Homosexualität und homosexuellem Sex müsse klarer werden, um das Gesetz juristisch unangreifbar zu machen.
Nachdem die Abgeordneten das Gesetz aus ihrer Sicht leicht abgeschwächt hatten (unter anderem müssen Bürger, die homosexuelle Handlungen nicht melden, keine Haftstrafe mehr fürchten), zögerte Museveni nicht weiter – der Entwurf passierte die Instanzen letztlich im Rekordtempo. Parlamentssprecherin Anita Among dankte dem Präsidenten. Ihrer Meinung nach schützt das neue Gesetz die "Unantastbarkeit der Familie".
Massive Kritik im In- und Ausland: US-Präsident Joe Biden erwägt Sanktionen
"Der ugandische Präsident hat heute die staatlich geförderte Homophobie und Transphobie legalisiert", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die ugandische LGBTQ-Aktivistin Clare Byarugaba. Ein Zusammenschluss von Aktivisten und Anwälten will derweil angeblich Klage einreichen. Ein ähnliches Gesetz war zum Inkrafttreten 2014 vom Verfassungsgericht gekippt worden – Erzkonservative hatten den entsprechende Entwurf fünf Jahre zuvor mit dem Titel "Tötet die Schwulen" ins Parlament eingebracht.
Nicht nur in Uganda reagierte man auf die Gesetzesverabschiedung mit Entsetzen. Auch über die Landesgrenzen hinaus, vor allem aber in westlichen Ländern kritisierten NGOs und Regierungen den Beschluss scharf. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten weltweit führende Gesundheitskampagnen das Gesetz und zeigten sich zutiefst besorgt über dessen "schädliche Auswirkungen". Bereits jetzt, so die Unterzeichner, habe die mit dem Gesetz verbundene "Stigmatisierung und Diskriminierung zu einem eingeschränkten Zugang zu Präventions- und Behandlungsdiensten [von HIV-Patienten, Anm. d. Redaktion] geführt".
Was ultrakonservative Kräfte nichtsdestotrotz als großen Sieg feiern, könnte Uganda aber teuer zu stehen kommen – wortwörtlich. Dass US-Präsident Joe Biden das Gesetz am Montag als "tragische Verletzung der allgemeinen Menschenrechte" bezeichnete und die Regierung Ugandas zur Umkehr aufforderte, dürfte nur der erste Schritt sein. Washington erwäge "zusätzliche Schritte, einschließlich der Verhängung von Sanktionen und der Beschränkung der Einreise in die Vereinigten Staaten gegen jeden, der an schweren Menschenrechtsverletzungen oder Korruption beteiligt ist".
Als wichtiger Handelspartner der USA profitiert Uganda unter anderem vom African Growth and Opportunity Act, der dem ostafrikanischen Staat einen vereinfachten Zugang zum lukrativen US-Markt ermöglicht. Auch Unterstützungsgelder in Milliardenhöhe stünden auf der Kippe. Wie "Africa News" berichtet, zeigte sich die ugandische Politik davon bisher wenig beeindruckt. Sollten westliche Regierungen und Investoren den Geldhahn zudrehen, würde man sich eben in der arabischen Welt um stärkere Partnerschaften bemühen, zitiert das Nachrichtenportal einen Abgeordneten.
Rechtsreligiöse Welle bedroht LGBTQ-Rechte in Afrika
Im streng christlichen Uganda selbst stößt das Gesetz auf breite Zustimmung. Berichten zufolge hatte es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder Straßenproteste gegeben, bei denen religiöse Gruppen die Regierung in Kampala zum Schutz ihrer christlichen Werte aufgerufen hatten. Auch rechten Interessengruppen außerhalb des Landes, zum Beispiel der im US-Bundesstaat Arizona ansässigen "Family Watch International", wird nachgesagt, gezielt Einfluss auf die ugandische Bevölkerung und Politik genommen zu haben.
Erzkonservative Politiker hatten wiederholt unbelegte Behauptungen verbreitet, wonach es eine Verschwörung zur Förderung von Homosexualität an Schulen gebe. Laut "New York Times" behauptete Stephen Samuel Kaziimba, der Erzbischof der anglikanischen Kirche von Uganda, LGBTQ-Gruppen würden "unsere Kinder für die Homosexualität rekrutieren".
Schon vor der Neuausrichtung galt Uganda als eines der gefährlichsten Länder für Homosexuelle. Auf dem afrikanischen Kontinent ist der Binnenstaat damit jedoch bei weitem keine Ausnahme. In weniger als der Hälfte aller afrikanischen Staaten ist Homosexualität geduldet, in noch weniger Ländern aktiv geschützt. Bislang wurden insbesondere in streng muslimischen Ländern Mitglieder der LGBTQ-Gemeinde verfolgt – in Mauretanien, Somalia und Nigeria droht bereits die Todesstrafe. Doch gilt Uganda als Vorbote einer immer radikaleren christlichen Verfolgung Homosexueller: So erwägen auch die Regierungen des mehrheitlich christlichen Ghana und Kenia eine Verschärfung der Anti-LGBTQ-Gesetze. Uganda könnte demnach nur die Speerspitze einer rechtsgerichteten Anti-LGBTQ-Welle auf dem Kontinent sein.
Quellen: BBC; "New York Times"; Reuters; "Africa News"