"Dass es passieren könnte, war immer klar, aber wenn es passiert, stockt einem trotzdem erst mal der Atem": Mit diesen Worten schilderte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock dem stern ihre Gefühle, als am 24. Februar 2022 um 4.59 Uhr ihr Telefon klingelte und ihre Büroleiterin berichtete, was soeben geschehen war: Russlands Präsident Wladimir Putin hatte mit seinen Streitkräften die Ukraine überfallen und mitten in Europa einen Krieg entfesselt, wie es ihn dort seit 1945 nicht mehr gegeben hatte.
Die Invasion startete mit Luft- und Raketenangriffen. Um 4.51 Uhr wurden erste Explosionen in Kiew gemeldet. Einen "militärischen Spezialeinsatz" zur "Entnazifizierung" der Ukraine und zum Schutz der dortigen russischsprachigen Bewohner nannte Putin den Überfall höhnisch und geschichtsverdrehend – und tut das bis heute.
Tausende Zivilisten tot, Städte zerbombt
500 Tage ist es jetzt her, dass Russland die europäische Friedensordnung mit seinen Panzern und Raketen in Trümmer schoss. 9177 Zivilisten wurden nach Zählung des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) seit dem Beginn der russischen Invasion bis zum 30. Juni getötet und 15.993 verletzt. Von den Opfern waren 8717 Männer, 5567 Frauen, 758 Jungen und 567 Mädchen. Bei 9256 Erwachsenen und 305 Kindern ist das Geschlecht unbekannt.
Das Kommissariat geht aber davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen deutlich höher sind, weil es nur Fälle zählt, die von unabhängigen Experten verifiziert wurden und viele Berichte über einzelne zivile Opfer an bestimmten Orten noch nicht bestätigt werden konnten. Zu diesen Orten gehören den Angaben zufolge Mariupol (Region Donezk) sowie Lysychansk, Popasna und Sievierodonetsk (Region Luhansk).
Das OHCHR hat auch Informationen über 287 zivile Opfer auf dem Gebiet der Russischen Föderation erhalten. Demnach wurden dort 58 Zivilisten getötet und 229 verletzt. Unter den Getöteten waren 30 Männer, 21 Frauen, 2 Jungen, 1 Mädchen sowie 4 Erwachsene, deren Geschlecht noch nicht bekannt ist. Verletzt wurden 86 Männer, 51 Frauen, 11 Jungen, 4 Mädchen sowie 4 Kinder und 73 Erwachsene mit unbekanntem Geschlecht.
Die allermeisten der registrierten zivilen Opfer wurden dem OHCHR zufolge durch "Explosionswaffen mit großflächiger Wirkung" in bewohnten Gebieten verursacht. Das heißt, Menschen wurden in Wohnhäusern, auf der Straße, in Geschäften, Schulen oder Krankenhäusern mit schwerer Artillerie, Mehrfachraketensystemen, Marschflugkörpern und von Kampfflugzeugen beschossen. Der Einsatz dieser Waffen hinterließ zudem verheerende Schäden an der ukrainischen Infrastruktur.
Niemand weiß genau wie viele Schulen und Kindergärten seit dem 24. Februar 2022 in Schutt und Asche gelegt wurden, wie viele Krankenhäuser und Altenheime, wie viele Fabriken und Unternehmen – und wie viele Träume. Doch das Leid, das Putin mit seinem Angriff auf den Nachbarn über die Menschen in der Ukraine gebracht hat, lässt sich ohnehin nicht in Zahlen ausdrücken. Nicht einmal Worte können wirklich begreiflich machen, was die alltägliche Gegenwart von Tod, Zerstörung und Angst für diejenigen, die sie miterleben müssen, mit sich bringt. Aber Bilder sagen mehr als 1000 Worte, heißt es. Und vielleicht können die Bilder dieser Fotostrecke Ihnen ein klein wenig vermitteln, was 500 Tage Krieg in der Ukraine für die Betroffenen bedeuten.