Was ist "Text-to-Speech"?
Die Audioversion dieses Artikels wurde mittels künstlicher Intelligenz generiert. Bei der "Text-to-Speech"-Technik werden Texte automatisiert in lebensnahe Sprache übertragen. Wir beim stern haben uns zunächst dafür entschieden, nur nachrichtliche Artikel von KI-generierten Stimmen vorlesen zu lassen. Geben Sie uns gerne Feedback zur Vorlesefunktion.
Seit Samstag, dem 1. Juli ist Florida um mehr als 200 Gesetze reicher. Über das Gros davon dürften sich vor allem Konservative freuen. Zum Beispiel dürfen Freunde des Zweiten Verfassungszusatzes ihre Waffen fortan ohne Erlaubnis, Schulung oder Hintergrundprüfung in der Öffentlichkeit tragen. Aus dem Berg an Klein-Klein lugt jedoch ein Gesetz mit der unscheinbaren Kennung "Senate Bill 1718" hervor. Und das dürfte ein Beben in Florida verursachen – und weit über die Grenzen hinaus zu spüren sein. Es ist das wohl schärfste Einwanderungsgesetz der Vereinigten Staaten.
Vorgeschlagen hatte es der Landesfürst höchstpersönlich. Dass sich der Sunshine State zusehends zum erzkonservativen Bunker entwickelt, ist Teil von Ron DeSantis' nationalem Wahlkampf. Floridas Gouverneur versucht sich im Rennen um die republikanische Präsidentschatfskandidatur mit maximaler Härte zu profilieren, um nicht vollends von Donald Trump abgehängt zu werden.
SB 1718 könnte das Leben Hunderttausender Menschen auf den Kopf stellen
SB 1718 sei im Grunde ein Gesetz, "das die Menschen davon abhalten soll, in den Bundesstaat Florida zu kommen, und ich denke, es hat seinen Zweck erfüllt", zitiert die US-Nachrichtenseite "Vox" die republikanische Abgeordnete Alina Garcia. Als der Entwurf im Mai durch die beiden republikanisch dominierten Kammern ging, stimmte nur ein einziger Konservative dagegen. Kein Wunder, schließlich ist DeSantis auch unter Freunden für seine Rachsucht bekannt.
Dass ein solcher Paukenschlag überhaupt nötig sei, dafür sei die linke Elite in Washington verantwortlich, beteuerte DeSantis immer wieder. Schließlich habe die Biden-Regierung nichts gegen den Strom illegaler Einwanderer unternommen. Mit SB 1718 haut DeSantis mit der rechten Faust auf den Tisch.
35 Seiten Text, mehr braucht der Gouverneur nicht, um das Leben Hunderttausender Menschen auf den Kopf zu stellen. Dabei war der ursprüngliche Entwurf Berichten zufolge noch deutlich radikaler.
Hier die fünf wichtigsten Punkte der "abgespeckten" Version, die seit Samstag gültig ist:
- Verfolgung von Angestellten ohne Papiere und deren Arbeitgebern: Unternehmen mit mehr als 25 Angestellten müssen den Migrationsstatus und die Arbeitsberechtigung ihrer Mitarbeiter überprüfen und digital dokumentieren. Tun sie das nicht, drohen Geldbußen von 1000 Dollar pro Tag oder sogar der Entzug der Geschäftslizenz. Außerdem dürfen öffentliche Einrichtungen Verträge mit Betrieben und Subunternehmern auflösen, wenn sie davon ausgehen können, dass dort Mitarbeiter ohne Papiere arbeiten. "Jedes Unternehmen, das diese Krise ausnutzt, indem es illegale Ausländer anstelle von Floridianern beschäftigt, wird zur Rechenschaft gezogen", fasste es DeSantis-Sprecher Jeremy Redfern zusammen.
- Krankenhäuser müssen Migrationsstatus erfragen: Alle Krankenhäuser, die Mittel der Medicaid beziehen, also am Gesundheitsfürsorgeprogramm teilnehmen, müssen den Migrationsstatus ihrer Patienten erfragen – vor der Behandlung. Die Kliniken sind verpflichtet, alle relevanten Daten mit dem Gesundheitsamt zu teilen. Zahlreiche Ärzte in Florida kritisierten dies scharf, auch aus Kostengründen. Sie befürchten, dass Menschen aus Furcht Krankenhäuser meiden – bis ihr Zustand lebensbedrohlich ist. Das wiederum sei am Ende deutlich teurer.
- Fahrverbote: Wer keine gültigen Papiere hat, soll in Florida kein Auto mehr fahren dürfen. Auch Einwanderer ohne Papiere, die einen Führerschein aus einem anderen Bundesstaat vorzeigen können, dürfen nicht mehr über Floridas Straßen fahren, ihr Führerschein ist im Sunshine State ungültig. Wer sich über das Verbot hinwegsetzt, könnte verhaftet werden.
- Transport von Immigranten ohne Papiere wird kriminalisiert: Das Gesetz bricht fortan auch jeder, der Menschen ohne Papiere "wissentlich und vorsätzlich" nach, innerhalb oder außerhalb Floridas transportiert. Das sei "Menschenschmuggel" und werde mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Ab fünf illegalen Mitfahrern drohen sogar 15 Jahre Gefängnis. Die Regelung kennt keine Ausnahmen – nicht einmal für Familienmitglieder.
- Keine Unterstützung mehr bei provisorischen Papieren: Der Bundesstaat untersagt es Lokalverwaltungen in Zukunft, die Ausstellung sogenannter Gemeinschaftsausweise ("community identification") zu fördern. Diese Dokumente berechtigen Einwohner von Florida, die keinen staatlichen Ausweis haben, soziale Dienste wie Schulen, Kitas oder Bibliotheken zu besuchen.
Mike Pence beendet Kandidatur – diese Republikaner wollen ins Weiße Haus einziehen

Florida schneidet sich ins eigene Fleisch
Das sind freilich nur die Eckpunkte des Gesetzes. Wie die mehrheitlich konservativen Behörden es umsetzen, bleibt abzuwarten. Kritiker bemängeln auch, dass der Gesetzestext absichtlich schwammig formuliert sei, um den Behörden Spielraum zu geben – oder eben Willkür.
Viele Familien fürchten nun, über Umwege auseinandergerissen zu werden. Kinder, die in den USA zur Welt kommen, erhalten automatisch die Staatsbürgerschaft – im Gegensatz zu ihren Eltern. "Ich werde meinen Sohn nicht zurücklassen", zitiert "CBS News" einen Landarbeiter. "Wenn ich gehe, kommt mein Sohn mit mir." Derselbe Mann habe sich übrigens kürzlich den Arm gebrochen und sei nicht ins Krankenhaus gegangen – aus Angst, man könne nach seinem Einwanderungsstatus fragen.
Noch vor Inkrafttreten des Gesetzes waren Menschen im gesamten Bundesstaat auf die Straßen gegangen, um zu demonstrieren. Auch das mexikanische Außenministerium hat das Gesetz verurteilt. Es werde "die Menschenrechte Tausender Mexikaner, darunter auch Kinder, beeinträchtigen", hieß es in einer Erklärung am Samstag. Im Mai hatte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador die hispanischen Floridianer angehalten, DeSantis nicht zu wählen.
"Wir arbeiten hart auf den Feldern. Wir pflücken Tomaten, Erdbeeren, Wassermelonen und Orangen, und wer soll das jetzt noch machen?", fragte laut der Nachrichtenagentur AP eine 15-jährige Mitorganisatorin eines Protests vor dem historischen Kapitol in Tallahassee.
Da hat sie einen Punkt. Denn SB 1718 stellt nicht nur Einwanderer, sondern in Folge auch die floridianische Wirtschaft vor massive Probleme. Betriebe haben bereits jetzt Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zu finden. Der Staat scheffelt sein Geld vor allem in drei Branchen: Tourismus, Landwirtschaft und Bauwesen – alles Bereiche, die enorm abhängig von billigen Arbeitskräften sind. Rund zehn Prozent von ihnen sollen keine Papiere haben – circa 400.000 Menschen, sagte Samuel Vilchez Santiago, Direktor der American Business Immigration Coalition gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Das neue Gesetz könnte "tatsächlich verheerend sein", ist er sich sicher.
Viele Menschen würden nun abwarten, wie die Behörden bei der Umsetzung des Gesetzes umgehen, bevor sie eine Entscheidung treffen – und womöglich Florida für immer den Rücken kehren. "Wir hören, dass die Leute anfangen zu gehen", sagt Yvette Cruz von der Farmworkers Association of Florida gegenüber CBS News.
Nur ein Vorgeschmack auf eine USA unter Ron DeSantis
Ron DeSantis will ins Weiße Haus. Damit das klappt, müssen möglichst viele Migranten aus Florida raus, so lautet offenbar ein Teil der absurden Rechnung. Migranten ohne Papiere sind da ein willkommenes Ziel – schließlich können sie den Hass nicht an der Wahlurne abstrafen.
Ohnehin hat DeSantis sein Ziel bereits erreicht. Für ihn ist SB 1718 nichts anderes als eine grell leuchtende Reklametafel. Schließlich buhlt er verbissen (und womöglich zusehends verzweifelt) um die Gunst rechter Wähler. "Make America Florida", so lautet sein Wahlspruch. Als einzige echte Alternative will der 44-Jährige den Trumpisten zeigen, was sie von ihm als US-Präsidenten erwarten können. Kurzum: Er will der "bessere" Trump sein. Der Mann, der nicht nur Reden schwingt, sondern auch handelt. Denn DeSantis muss allmählich punkten. Aktuellen Umfragen zufolge liegt der Herausforderer fast 30 Prozentpunkte hinter Trump.
Am Ende ist SB 1718 ist nur ein Vorgeschmack auf ein Amerika unter Ron DeSantis, vielleicht auch unter Trump. Der Kampf um Amerikas konservative Seele geht weiter, soviel ist sicher. Und er findet ausschließlich Rechtsaußen statt.