Der Wahlkampfmanager von Hamid Karzai hat den Sieg für den amtierenden afghanischen Präsidenten beansprucht. Karzai habe nach ersten Hochrechnungen die Mehrheit erzielt und müsse nicht in einer Stichwahl gegen seinen stärksten Herausforderer Abdullah Abdullah antreten, sagte Karzais oberster Wahlkampfmanager, Deen Mohammad, am Freitag. "Wir brauchen keine zweite Wahlrunde. Wir haben die Mehrheit." Das Team von Karsai berief sich bei seiner Erklärung auf Berichte von rund 29.000 Wahlbeobachtern.
Ein Sprecher von Abdullah wies die Erklärung des Karzai-Lagers natürlich umgehend zurück. "Das stimmt nicht", sagte Sayed Fazel Sangcharaki und reklamierte im Gegenteil den Wahlsieg für seinen Chef. Nach ersten Auszählungsergebnissen der Wahlkommission liege Abdullah mit 62 Prozent der Stimmen vor Karzai, der nur 32 Prozent erhalten habe. "Wir müssen das Endergebnis abwarten", sagte Sangcharaki. "Ich liege vorne", sagte Abdullah selbst der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag in einem Telefoninterview. "Erste Ergebnisse aus den Provinzen zeigen, dass ich mehr als 50 Prozent der Stimmen habe."
Die ersten inoffiziellen Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet. Am 17. September sollen die Endergebnisse der Präsidentschafts- und der parallel angesetzten Provinzratswahlen vorliegen. Karzai war als Favorit in das Rennen um das höchste Staatsamt gegangen, Abdullah gilt als seiner aussichtsreichster Herausforderer. Insgesamt stellten sich 36 Kandidaten den Wählern, darunter zwei Frauen. Es war der zweite Urnengang seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001.
UN gratulieren zu "historischer Wahl"
Die Auszählung der Stimme hatte unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begonnen. Sollte keiner der Bewerber um das Präsidentenamt eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es nach derzeitiger Planung Anfang Oktober zu einem weiteren Wahlgang. Dann würden nur noch der Spitzenreiter und der Zweitplatzierte antreten.
Unterdessen hat der Weltsicherheitsrat den Afghanen zu den Wahlen in ihrem Land gratuliert. "Die Mitglieder des Sicherheitsrats beglückwünschen die Menschen in Afghanistan zu ihrer Beteiligung an diesen historischen Wahlen", hieß es in einer am Donnerstagabend (Ortszeit) von der Ratspräsidentschaft in New York verbreiteten Erklärung. Zugleich wurden die Anschläge Aufständischer verurteilt. Zuvor hatte bereits UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Afghanen für ihren Mut gelobt, trotz der Terrorattacken und massiver Drohungen der Taliban den Weg in die Wahllokale gewagt zu haben. Während der Wahlen waren bei Anschlägen und Gefechten mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen.
Die Unabhängige Wahlkommission in der Hauptstadt Kabul sprach von einer hohen Beteiligung - stern.de bot sich bei einer Stichprobe allerdings ein anderes Bild. In fast 95 Prozent der Wahlzentren im Land sei der Urnengang ohne Probleme verlaufen, hieß es weiter. 300.000 Sicherheitskräfte waren bei der Wahl im Einsatz. Dennoch kamen binnen weniger Stunden mehr als 50 Menschen bei verschiedenen Anschlägen und Gefechten ums Leben, rund die Hälfte davon waren Aufständische. Das Verteidigungsministerium zählte insgesamt 135 Zwischenfälle im ganzen Land, darunter vier Selbstmordanschläge.
Obama: "Job zum Abschluss bringen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "wichtigen Abschnitt in der Geschichte der demokratischen Entwicklung" Afghanistans. Die Wahl sei auch ein Zeichen dafür, dass sich in Afghanistan vieles geändert habe, sagte sie bei einem Besuch in Bielefeld. Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobte die Wahl als "Erfolg demokratischer Tugenden" nach 30 Jahren Terror und Krieg. Nun gehe es darum, wachsam zu bleiben.
US-Präsident Barack Obama unterstrich, weiterhin gegen die radikalislamischen Extremisten am Hindukusch vorgehen zu wollen. "Wir müssen sicherstellen, dass wir uns wirklich darauf konzentrieren, den Job in Afghanistan zum Abschluss zu bringen", sagte Obama. Das werde allerdings seine Zeit brauche, räumte der Präsident ein.