TV-Debatte bei "Anne Will" Zwischen Ausreden und Phrasen: Wie sich die Bundesregierung aus der Debatte um Waffenlieferungen windet

Arian Yazdani Kohneschahry
"Anne Will"
Bei Anne WIll zu Gast (v. n. r.): Egon Ramms, Annalena Baerbock, Michael Müller und Roderich Kiesewetter
Bei "Anne Will" zeigt sich: Die Bundesregierung hat riesige Angst vor Putin – und lehnt deshalb die Waffenlieferungen an die Ukraine ab. Doch die Argumente sind nur schwache Ausreden.

Die Ukraine startete in den vergangenen Tagen eine Gegenoffensive im Osten des Landes. Doch auch nach dem Abzug der russischen Truppen aus dem Gebiet Charkiw steht die Region weiter unter Beschuss. In den befreiten Gebieten nahe Isjum entdeckten die ukrainischen Behörden hunderte tote Zivilisten. Die Kiewer Regierung spricht von Kriegsverbrechen.

Derweil kündigte die Bundesregierung am Samstag an, der Ukraine den Kauf von Haubitzen aus deutscher Produktion zu genehmigen. Die Lieferung von Panzern lehne man weiterhin ab. Sollte Deutschland auch Panzer an die Ukraine liefern? Muss die Bundesrepublik eine neue militärische Führungsrolle in Europa einnehmen? Darüber diskutierte die Talk-Runde bei "Anne Will".

Zu Gast bei Anne Will:

  • Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen, Bundesaußenministerin)
  • Michael Müller (SPD, Bundestagsabgeordneter)
  • Roderich Kiesewetter (CDU, Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D.)
  • Egon Ramms (General a.D. und ehem. Oberbefehlshaber NATO Allied Joint Force Command)
  • Anne Applebaum (amerikanisch-polnische Historikerin und Journalistin)

Warum zögert die Bundesregierung?

Annalena Baerbock (Grüne) erklärt im Gespräch mit Anne Will, dass jede Woche unter russischer Besetzung weitere Gräueltaten und Massengräber bedeuten würde. Laut der Außenministerin würden die westlichen Waffen für einen Wandel im Kriegsgebiet sorgen. Bei der Frage nach einer Lieferung von Kampfpanzern verstrickt sich Baerbock dennoch wieder in einem Netz von Ausreden:

"Kein anderer internationaler Partner geht diesen Schritt. Wir können ihn nicht allein gehen." Wie so häufig erklärt die Außerministerin: "Die Kampfpanzer müssen technisch so bedient werden, dass sie im Einsatz einen Unterschied machen können." Eine Lieferung allein mache nicht den Unterschied.

Talkrunde zerlegt Baerbocks Argumentation

Die Journalistin Anne Applebaum empfindet das Agieren Deutschlands als zögerlich. Die Deutschen würden international so wahrgenommen werden, als würden sie hinterherhinken. Ihr fehlt eine klare Aussage Deutschlands in diesem Krieg – ein Hinweis an Putin, dass der Westen zusammensteht. Die Lieferung von Kampfpanzern wäre ein solches Zeichen. Der US-Präsident Biden habe schließlich klar gesagt, dass jedes Land selbst entscheiden könne, welche Waffen es liefern will.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter kann die Politik der Bundesregierung nur schwer nachvollziehen. Kiesewetter habe keine Angst vor einer Kriegseskalation. Er ist der Meinung, dass Deutschland Panzer liefern sollte. General a. D. Egon Rams pflichtet ihm bei und erklärt, dass die Ausbildung für die Kampfpanzer längst nicht so aufwändig sei, wie für viele andere Waffen, die Deutschland bereits in die Ukraine geliefert hatte.

"Putin nutzt die Sprache des Terrors, um unsere Politik zu gestalten"

SPD-Politiker Michael Müller hat eine ganz andere Meinung als der Rest der Talkrunde. Er finde es "bedenklich", wenn ein deutscher Politiker sagt, er habe keine Angst vor einer Eskalation des Kriegs. Schließlich gehöre auch "Besonnenheit" zum Handeln einer Führungsmacht dazu. Was Müller mit dieser Phrase meint, bleibt unklar.

Anne Applebaum zeigt dafür eindrücklich, dass Putin ein Mann großer und leerer Drohungen ist. Putin hatte gedroht, dass Schlimmes passieren würde, wenn Finnland und Schweden der Nato beitreten oder wenn der Wester der Ukraine Waffen liefern sollte. Beides ist passiert, doch es gab keine schlimmen Folgen. Applebaums Apell lautet daher, Deutschland solle mehr auf die Worte der Ukrainer und weniger auf die Worte Putins hören, der die Sprache des Terrors und der Bedrohung nutze, um Einfluss auf unsere Politik zu nehmen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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