Deutschland kontert die heftigen Vorwürfe der USA über mangelnde Solidarität beim Nato-Einsatz in Afghanistan: In der Bundesregierung wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa geplant, den Einsatz am Hindukusch um mindestens 1000 Soldaten aufzustocken. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem entsprechenden "Spiegel"-Bericht: "Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich über zukünftige Mandate keine Ausführungen mache." Es gebe derzeit ein klares Mandat für 3500 deutsche Soldaten in Afghanistan. Der Bundestag entscheidet darüber spätestens im Oktober. Die USA fordern eine gerechtere Lastenverteilung vor allem im umkämpften Süden Afghanistans. Die Bundesregierung will keine deutschen Soldaten in den Süden schicken.
Zum Auftakt der Konferenz mit 350 hochkarätigen Politikern, Militärs und Sicherheitsexperten warnte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Nato, in Afghanistan nachzulassen. "Die Nato darf keinen Schritt zurückweichen."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rief die USA zu Fairness im Streit über die Lastenverteilung auf. "Wir lösen unsere Versprechen gegenüber Afghanistan ein und leisten - im Vergleich zu anderen - sehr viel, zivil wie militärisch", sagte er. "Deutschland muss sich mit seinem Engagement nicht verstecken." Es sei nicht sinnvoll, die gute Arbeit der Deutschen im Norden des Landes dadurch zu gefährden, "dass wir uns über das Land verstreuen".
Die NATO-Botschafterin der USA, Victoria Nuland, sagte der "Berliner Zeitung": "Wir werden alle unsere Verbündeten, darunter Deutschland, auf dem Nato-Gipfel (Anmerkung: im April) in Bukarest (Rumänien) erneut dringend bitten, mit uns Soldat für Soldat, Euro für Dollar gleichzuziehen."
Eine Anhebung sei nötig
Geht es nach militärischen Planungen im Verteidigungsministerium, die der dpa am Rande der Konferenz bestätigt wurden, sollte die Obergrenze von jetzt 3500 auf 5000 bis 6000 Soldaten aufgestockt werden. Dies sei aber vermutlich politisch in Deutschland nicht durchsetzbar. Eine Anhebung auf 4500 sei nötig, um mehr Handlungsspielraum zu haben, hieß es.
Nach den Informationen gibt es zudem die Überlegung, das bisherigen Einsatzgebiet im Norden um eine Provinz im Westen Afghanistans ausdehnen. Es sei außerdem sinnvoll, dass der Bundestag das Mandat für den Einsatz künftig nicht mehr um ein, sondern um möglichst zwei Jahre verlängere. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich dafür aus, das nächste Mandat für eine längere Zeit zu beschließen, so "dass wir im Wahljahr 2009 keine weitere Mandatsverlängerung beschließen müssen".
Diesen Gedanken verfolgte auch Steinmeier. "Ich glaube, die Fraktionen im Parlament wären gut beraten, früh genug ein Verfahren zu finden, das die Verlängerung der Mandate nicht in die heiße Wahlkampfphase fallen lässt." Die nächste Bundestagswahl ist voraussichtlich im Herbst 2009. Jeweils im Oktober stünde auch die nächste Mandatsverlängerung an.

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Der französische Verteidigungsminister Hervé Morin zeigte für den Unmut der USA Verständnis. Die Europäer seien aufgerufen, mehr Geld für ihre Armeen aufzuwenden. Europa könne nicht nur der zivile Arm der NATO sein, sagte Morin. "Europa muss mehr tun."
Auch angesichts der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan präsentierte Ministerpräsident Erdogan die Türkei als eine politische und militärische Größe, der eine Schlüsselrolle zukomme. Es sei auch deshalb unabdingbar, mit der Türkei faire Verhandlungen über einen EU-Beitritt zu führen. Scharf reagierte Erdogan auf Fragen zur Integrationsfähigkeit der Muslime in der EU. Man könne nicht von Freiheit des Gewissens und der Glaubensfreiheit reden und dann solche Frage stellen. "Wenn die EU ein Christen-Club ist, darf man nicht von einer Allianz der Kulturen sprechen", sagte Erdogan.
Bei der Debatte über Abrüstungsfragen warnte Steinmeier vor den Gefahren einer neuen atomaren Rüstungsspirale. Atommächte wie die USA und Russland seien dringend aufgerufen, eine Führungsrolle bei der Abrüstung zu übernehmen dringen. Die Zahl der Staaten, die Atomwaffen oder die Technologie zum Bau dieser Waffen hätten, steige.