AKW-Laufzeiten Merkel will Verlängerung "im zweistelligen Bereich"

Angela Merkel hat sich klar für eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgesprochen, 10 bis 15 Jahre sollten die Meiler länger laufen. Scharfe Krtitik zu Merkels Atom-Festlegung äußerte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für 10 bis 15 Jahre längere Atomlaufzeiten ausgesprochen. Nach der Vorlage der Energieszenarien sei zwar klar, "dass aus energiefachlicher Sicht eine Verlängerung der Kernkraft-Laufzeiten im zweistelligen Bereich wünschenswert ist", sagte Merkel am Sonntag in der ARD nach Vorlage des neuen Gutachtens zu den Energieszenarien. "Fachlich 10 bis 15 Jahre ist vernünftig."

"Ich muss allerdings als Regierungschefin dann auch schauen: Wie kriegen wir die Sicherheit als ganz oberstes Prinzip der Kernenergie da mit rein?" Zudem könne eine Neuregelung den Bundesrat nur passieren, wenn sie zustimmungsfrei sei. Sie werde darauf achten, "dass das rechtlich belastbar ist". Deshalb wolle sie eine Lösung finden, die nicht auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen sei, in dem die schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit hat.

Der erste Überblick über die Szenarien zeige: "Sowohl was die Versorgungssicherheit, den Strompreis als auch das Erreichen der Klimaziele anbelangt, ist die Kernenergie als Brückentechnologie wünschenswert." Sie fügte hinzu: "Wir werden das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen." Aber aus energiefachlicher Sicht sei eine Verlängerung der Kernkraftwerkslaufzeiten im zweistelligen Bereich wünschenswert. Dafür wolle sie bei den Menschen werben.

FDP-Chef Guido Westerwelle hatte zuvor im ZDF-Sommerinterview von einem "Korridor zwischen zehn und 15 Jahren gesprochen". Nach den von der Kanzlerin aufgestellten Kriterien dürfte die Zahl aber darunter liegen. Denn Innen- und Justizministerien habe Zweifel, dass eine zustimmungsfreie Verlängerung ohne Bundesrat über zehn Jahre rechtlich haltbar sein dürfte. Generell gehe an der Verlängerung der Laufzeiten laut Merkel aber kein Weg vorbei: Die Szenarien hätten klar ergeben, dass der Vorteil ein geringerer Strompreis, mehr Versorgungssicherheit und ein schnelleres Erreichen der Klimaschutzziele sei, die sich die Regierung gesetzt habe.

Ausdrücklich bekannte sich Merkel zu einem Zusatzbeitrag der Konzerne. "Ich will, dass es über die Brennelementesteuer hinaus ... auch einen Beitrag für erneuerbare Energie gibt", betonte sie. Wie dieser aussehe, sei offen und Gegenstand der Gespräche mit den Konzernen. "Aber einen solchen Beitrag sollte und muss es meiner Meinung nach geben." Am 1. September werde im Bundeskabinett auch nur über den Grundsatz einer Brennelementesteuer entschieden.

Um den Widerstand in der Bevölkerung zu überwinden, müsse die Regierung besser für den Einsatz der Atomenergie werben, sagte Merkel auf die Frage, ob der Kurs der Regierung nicht schwarz-gelbe Wahlerfolge bei den Landtagswahlen im Jahr 2011 gefährde. Zwar wünsche sich die Mehrheit der Bürger einen Einstieg in der Zeitalter der erneuerbaren Energie. Gleichzeitig wollten aber die meisten, dass der Strom auch bezahlbar bleibe.

Krtik von Gabriel

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat scharfe Kritik an der Festlegung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf 10 bis 15 Jahre längere Atomlaufzeiten geübt. "Die Festlegung der Kanzlerin zeigt: Es geht nicht um ein zukunftsfähiges Energiekonzept sondern um knallharte Lobby-Politik für die Atomkonzerne", sagte Gabriel am Sonntagabend in Berlin. "Indem sie alte Atomkraftwerke um fast die Hälfte länger laufen lassen will, verkauft sie die Sicherheit der Bevölkerung. An dieser Festlegung sieht man, dass alle Gutachten überflüssig waren."

Merkel habe ihre Bewertung auf Basis eines Energiegutachtens getroffen, das die Effekte längerer Laufzeiten auf die künftige Energieversorgung analysiert hatte. Die Opposition kritisiert, dass das Gutachten tendenziös sei und ein beteiligtes Institut mit Millionensummen von den Atomkonzernen RWE und Eon unterstützt wird. 10 bis 15 Jahre längere Laufzeiten würden bedeuten, dass es bis mindestens 2035 deutschen Atomstrom geben würde. Vor rund zehn Jahren hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen, den Union und FDP nun zum Teil rückgängig machen wollen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Bericht hält längere Laufzeiten für verzichtbar

Laut einem "Handelsblatt"-Bericht, hält das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zur Energiepolitik allerdings längere Laufzeiten für Atomkraftwerke offenbar für verzichtbar. Aus den darin beschriebenen Szenarien ergebe sich, dass ein Verzicht auf eine Laufzeitverlängerung weder nennenswerten Einfluss auf die Strompreise noch auf die Versorgungssicherheit hätte. Ohne längere Laufzeiten seien zwar massive Stromimporte aus dem benachbarten Ausland erforderlich. Es ergebe sich jedoch kein zwingender Grund für eine Verlängerung, schreibt das Blatt.

Die Monopolkommission forderte die Bundesregierung derweil auf, die Atomkonzerne im Gegenzug zu einer Laufzeitverlängerung stärker in ihrer Marktmacht einzuschränken. "Eine Verlängerung der Laufzeiten führt zu einer Zementierung der Marktstruktur", sagte Kommissionschef Justus Haucap der "Rheinischen Post". "Dadurch bleibt die Marktmacht der vier großen Energieerzeuger erhalten."

DPA
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