Angela Merkel wird Kanzlerin "Es geht mir gut"

Angela Merkel soll die erste Bundeskanzlerin Deutschlands werden. Die SPD lässt sich ihren Eintritt in eine große Koalition mit acht Ministerposten versüßen und konnte auch inhaltlich viele Positionen durchsetzen. Ungewiss bleibt dagegen die Zukunft von Noch-Kanzler Gerhard Schröder.

Deutschland bekommt mit CDU-Chefin Angela Merkel nach aller Voraussicht die erste Bundeskanzlerin. Drei Wochen nach der Wahl verständigten sich CDU, SPD und CSU auf Verhandlungen für eine große Koalition. Darin soll die SPD acht Ressorts erhalten. Die Union bekommt sechs Ministerposten plus Kanzlerin und den Chef des Kanzleramtes. Mit der zweiten großen Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik geht die Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (SPD) und die Zeit von Rot-Grün endgültig dem Ende entgegen.

Die offiziellen Gespräche über ein schwarz-rotes Bündnis sollen bereits am Montag beginnen und sind zunächst auf vier Wochen angesetzt. Danach entscheiden Sonderparteitage. Grundlage der Verhandlungen ist ein abgestimmtes Papier, in dem die Eckpunkte für eine auf vier Jahre angelegte Zusammenarbeit und ein Verhaltens-Kodex fixiert sind. Merkel und SPD-Chef Franz Müntefering wollen dazu beitragen, dass es zu einer stabilen Regierung kommt, in der Reformansätze aus beiden Parteien verwirklicht werden sollen.

Einstimmiges Votum für Koalitionsverhandlungen

Die Spitzengremien der beteiligten Parteien votierten einstimmig für Koalitionsverhandlungen. Der Verhandlungskommission sollen jeweils 15 Politiker angehören. Um die Bedenken der SPD angesichts der Dominanz der Union im Bundesrat auszuräumen, sollen auch hochrangige Ländervertreter daran teilnehmen, Auch Schröder wird der Kommission angehören. Dessen künftige politische Rolle blieb nach wie vor offen. Meldungen über einen Rückzug Schröders wurden offiziell nicht bestätigt. Nach Informationen der "Passauer Neuen Presse" wird er der künftigen Regierung nicht angehören.

Merkel sagte, das angestrebte Bündnis solle zu einer "Koalition der neuen Möglichkeiten" geformt werden. Personalentscheidungen seien noch nicht getroffen worden. Ausnahme: Neben Merkel als Regierungschefin führt Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber das Ministerium für Wirtschaft und Technologie.

Wichtige Ministerien für die SPD

Die SPD wird Schlüsselministerien wie das Auswärtige Amt und das Finanz- sowie das Arbeitsministerium erhalten. Hinzu kommen die Ressorts Entwicklung, Justiz, Gesundheit, Umwelt und Verkehr. Zu den fest gesetzten Ressortchefs bei der SPD zählt demnach Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Auch Justizministerin Brigitte Zypries wird mit großer Wahrscheinlichkeit im Amt bleiben. Favoritin für das Gesundheitsressort bleibt Amtsinhaberin Ulla Schmidt. Die größten Chancen für den Posten des Außenministers und Vize-Kanzlers werden Otto Schily eingeräumt. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will sich aus der Regierung zurückziehen.

Für die Union soll der CDU Fraktionsvize Wolfgang Schäuble (CDU) Innenminister werden. Gehandelt wurden aber auch andere Namen. Das Ministerium für Verbraucherschutz und Agrar soll der frühere Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) leiten. Dies wurde von Stoiber als "falsch" bezeichnet. Für das Familienressort ist die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgesehen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Das Ressort Bildung soll die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) besetzen. Die Union bekommt zudem das Verteidigungsministerium. Ein Name wurde damit zunächst nicht verbunden. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), ist als Kanzleramtschef vorgesehen. Der CDU-Politiker Norbert Lammert soll vom Stellvertreter zum Bundestagspräsident aufsteigen. Aus der Union hieß es, die Informationen über die Postenverteilung seien spekulativ. Der neu gewählte Bundestag nimmt am 18. Oktober - einen Monat nach der Wahl - seine Arbeit mit der konstituierenden Sitzung auf.

Forschungsausgaben sollen erhöht werden

In dem von Union und SPD verabschiedeten Grundlagen-Papier wird vor allem eine große Steuerreform und eine Steigerung der Forschungsausgaben in Aussicht gestellt. "Deutschland muss ab 2010 einen Anteil von mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in Forschung und Entwicklung investieren", heißt es weiter. Beide potenziellen Koalitionspartner stimmen auch darin überein, dass das Einkommensteuerrecht vereinfacht wird. Außerdem bekennen sich die drei Parteien zur Erhaltung der Tarifautonomie.

Die europäischen Nachbarländer reagierten erleichtert auf die Aussicht einer handlungsfähigen Koalitionsregierung in Deutschland. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gratulierte Merkel.

Die Grünen kritisierten das "Postengezerre und Personalgezocke" von SPD und Union. "Es war ein schlechter Start für die große Koalition", sagte der Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, verhindert eine große Koalition unter Merkel "den dringend notwendigen Politikwechsel in Deutschland". Die FDP hat einen strikten Oppositionskurs angekündigt und will dabei auch ihre erstarkte Rolle in den Bundesländern nutzen.

DPA/Reuters