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Anti-Hartz-IV-Demonstration "Wir sind das verarschte Volk"

Rund 20.000 Menschen sind dem Aufruf von Reformgegnern zu einer Großdemonstration in Berlin gefolgt. Unterdessen befürchtet die Regierung einen massiven Imageschaden durch voraussichtlich stark ansteigende Arbeitslosenzahlen.

Rund zwanzigtausend Menschen haben am Samstag in Berlin gegen die Sozialreform Hartz IV demonstriert. In der Innenstadt versammelten sich die Demonstranten mit Transparenten, auf denen sie die Rücknahme der Reform forderten. In Sprechchören kritisierten sie die Bundesregierung, aber auch Union und Wirtschaft. Mit Blick auf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und CDU-Chefin Angela Merkel skandierten sie: "Schröder in die Wüste, Merkel hinterher!" In Anlehnung an die Demonstrationen vor dem Mauerfall 1989 hieß es auf einem Transparent: "Wir sind das verarschte Volk." In dem Zug durch die Innenstadt wurden Fahnen unter anderem der PDS und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geschwenkt.

Die globalisierungskritische Organisation attac, die mit zu den Protesten aufgerufen hatte, erwartet mehrere zehntausend Demonstranten. Nach dem Protestmarsch war für den späten Nachmittag eine Kundgebung auf dem Alexanderplatz geplant. Im Aufruf zu der Kundgebung fordern die Veranstalter neben der Rücknahme von Hartz IV den Verzicht auf Niedriglöhne sowie eine stärkere Besteuerung von Großkonzernen, Kapitalgesellschaften und großer Vermögen.

Die Organisatoren erhoffen sich von der Kundgebung auch neuen Schwung für die zuletzt abgeflauten örtlichen Proteste gegen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Diese hatten in Anlehnung an die Montagsdemonstrationen in der DDR kurz vor dem Mauerfall vor allem in Ostdeutschland anfangs zahlreiche Teilnehmer angezogen. Organisatoren dieser Veranstaltungen hatten auch zur Kundgebung in Berlin aufgerufen, die einen Tag vor dem Tag der Deutschen Einheit stattfindet.

Regierung befürchtet Anstieg der Arbeitslosenzahlen

Einem "Spiegel"-Bericht zufolge befürchtet die Bundesregierung einen massiven Imageschaden, weil die Arbeitslosenzahlen durch Hartz IV voraussichtlich stark ansteigen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) habe seinen Kabinettskollegen in der vergangenen Woche über die "statistischen Effekte" berichtet, die sich aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ergäben, bestätigte ein Sprecher seines Ministeriums am Samstag in Berlin auf Nachfrage.

Durch die Zusammenlegung würden voraussichtlich rund eine halbe Million arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger ab Januar als erwerbslos gemeldet sein, berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin in einer Vorabmeldung. Infolgedessen werde die Arbeitslosenzahl nach oben schießen. Aus Angst vor neuen Negativschlagzeilen sollten nun auf Clements Vorschlag sein Ministerium, die Bundesagentur für Arbeit und das Bundespresseamt eine "Kommunikationsstrategie" erarbeiten. Der Ministeriumssprecher sagte, die Kommunikation bette sich in die Gesamtkommunikation zu Hartz IV ein.

Der SPD-Politiker Markus Meckel sagte in NDR Info, es wachse das Verständnis für die Reformen. Tendenziell gebe es weniger Resignation, dafür mehr Verständnis. Der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere übte heftige Kritik an den rot-grünen Arbeitsmarktreformen. In Regionen, in denen wie in Ostdeutschland keine Arbeit zu finden sei, "bleiben die Hartz-IV-Gesetze wirkungslos", sagte de Maiziere der Chemnitzer "Freien Presse" vom Samstag.

DPA/AP AP DPA

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