Antisemitismus-Skandal Die Akte Hohmann

In der Anhörung des vom Ausschluss bedrohten CDU-Abgeordneten Martin Hohmann hat dieser seine Ansichten bekräftigt. Der Ausschluss Hohmanns gilt als sicher.

Nach der Anhörung des vom Ausschluss bedrohten CDU-Abgeordneten Martin Hohmann sehen sich die Kritiker in der Unionsfraktion des Bundestags bestätigt. Hohmann erklärte nach Angaben von Parteikollegen am Dienstag, er wolle nicht länger die Bürde der Kollektivschuld tragen und von seinen umstrittenen Reden nicht Abstand nehmen. Mit der Debatte leitete die Unionsfraktion das Ausschlussverfahren gegen Hohmann ein.

Hohmann wolle nicht mehr "mit der Last der Kollektivschuld herumlaufen"

Der CDU-Abgeordnete Hermann Kues sagte nach der Anhörung Hohmanns, dieser habe es abgelehnt, weiter "mit der Last der Kollektivschuld herumzulaufen". "Im Kern ist er eben nicht bereit, sich zu distanzieren", sagte Kues. Fraktionsvize Wolfgang Bosbach erklärte, Hohmann habe sich als fest im Glauben verankerter "Fuldamentalist" bezeichnet - unter Anspielung auf seine Heimat Neuhof bei Fulda. "Sein roter Faden ist nicht das Thema Antisemitismus", meinte Bosbach. Zum Verhalten der Fraktion bei der für Freitag angesetzten Abstimmung über den Ausschluss Hohmanns sagte Bosbach: "Es hat keiner angekündigt, mit Nein zu stimmen." Er hoffe, dass Hohmann noch selbst austrete. In der Fraktionssitzung habe er allerdings nichts zurückgenommen, sondern erklärt, von Tenor und Geist seiner Rede wolle er nicht abgehen.

Die Aussprache verlief in sehr gedrückter Stimmung, wie Teilnehmer berichteten. Den Ausschlussantrag, den der Vorstand der Fraktion und das CDU-Präsidium zuvor gebilligt hatten, begründete Parteivorsitzende Angela Merkel. Sie erklärte, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Fraktion sei zerstört. Die Äußerungen Hohmanns in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit und in einem ZDF-Interview hätten "antisemitischen Charakter".

Auch Parteiausschlussverfahren beantragt

CDU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder sagte, das CDU-Präsidium habe in einer Telefonkonferenz am Dienstagmorgen einmütig dem Verfahren zugestimmt. Der Fraktionsvorstand hatte am Vorabend beschlossen, das Ausschlussverfahren in Gang zu setzen. Vorher hatte bereits der hessische CDU-Vorsitzende, Ministerpräsident Roland Koch, angekündigt, auch das Verfahren zum Ausschluss Hohmanns aus der Partei einzuleiten.

Kauder rechtfertigte das Zögern der Fraktions- und Parteiführung damit, dass Hohmann Zeit gegeben werden sollte, mehr als nur eine taktische Entschuldigung für seine Rede zum Tag der deutschen Einheit zu geben. Laut Kauder und CSU-Landesgruppenchef Michael Glos verlief ein neuerliches Gespräch mit Hohmann am Montag erfolglos.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Merkel: Nicht zu lange gewartet

Merkel wies Vorwürfe zurück, mit dem Antrag zu lange gewartet zu haben. Ein so weit reichender Beschluss dürfe nicht überhastet getroffen werden, sagte sie. Die politischen Handlungsmöglichkeiten für das konservative Wählerspektrum müssten erhalten werden.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, nannte den geplanten Ausschluss Hohmanns einen "richtigen Schritt", der zwar "etwas spät, aber nicht zu spät" getan worden sei. Zugleich warnte Korn: "Es gibt in Deutschland noch andere Hohmänner." Es wäre ihm nur bange, wenn es bei den Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien auch "Hohmänner gäbe, aber Gott sei Dank, das scheint nicht der Fall zu sein".

Merkel hatte in ihrer Begründung für den Ausschlussantrag Passagen der Hohmann-Rede und Äußerungen eines ZDF-Interviews zitiert. "Diese Äußerungen haben antisemitischen Charakter und sind unter keinen Umständen hinnehmbar", heißt es in dem Ausschlussantrag.

SPD-Hessen wirft Koch in Hohmann-Affäre Prinzipienlosigkeit vor

Die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti hat dem Ministerpräsidenten ihres Landes, Roland Koch (CDU), Prinzipienlosigkeit vorgeworfen. In der Affäre um den CDU- Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann habe Koch als Unions-Landeschef offenbar keinen eigenen Standpunkt vertreten und sich von seiner Bundesvorsitzenden Angela Merkel zum Ausschlussverfahren treiben lassen, sagte Ypsilanti am Dienstag in Wiesbaden. «Das ist ein Armutszeugnis für den Vorsitzenden einer demokratischen Partei.» Koch habe die Tragweite der Affäre um Hohmanns als antisemitisch empfundene Rede nicht überblickt.

Die Gruppe der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) begrüßte den angekündigten Ausschluss. Hohmann habe auch Homosexuelle in unerträglicher Weise diffamiert, sagte LSU-Bundesvorsitzender Rolf Ohler in Wiesbaden.

Mehr zum Thema