ARBEITSLOSIGKEIT Union-Attacken gegen Hartz-Pläne

Der Anstieg der Arbeitslosenzahl hat den Streit um die Reformpläne der Hartz-Kommission zusätzlich angefacht. Mit scharfen Worten bedachten Unionspolitiker die Idee, mit einer Staatsanleihe 150 Milliarden Euro Privatkapital in die ostdeutsche Wirtschaft zu lenken.

Der Anstieg der Arbeitslosenzahl auf mehr als vier Millionen hat den Streit um die Reformpläne der Hartz-Kommission zusätzlich angefacht. Unionspolitiker kritisierten am Mittwoch den Vorschlag, mit einer Staatsanleihe 150 Milliarden Euro Privatkapital in die ostdeutsche Wirtschaft zu lenken. CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, dies sei »an Naivität nicht zu überbieten«. Hartz wisse nicht, wovon er rede. Der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sprach von einem »Wolkenkuckucksheim«.

Scharf kritisierte Stoiber das Versprechen von Hartz, die Arbeitslosenzahl auf unter zwei Millionen senken zu können. Dies bringe »ein Stück Inkompetenz zum Ausdruck«, sagte Stoiber.

»Kaum verkraftbar«

Der sächsische Regierungschef Georg Milbradt nannte den Vorschlag einer Staatsanleihe unseriös. »Das ist nichts weiter als ein kreditfinanziertes Konjunkturprogramm«, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandradio Berlin. Ihm sei nicht klar, wer die Zinsen zahle und die Rückzahlung leisten solle. »Angesichts der Situation unserer Haushalte sind 150 Milliarden Euro kaum verkraftbar.« Im übrigen leide der Osten nicht an einem Mangel an Geld oder Aufträgen, sondern an zu viel Regulierungen gerade für Existenzgründer.

Vogel kritisierte, es solle Geld verteilt werden, das gar nicht vorhanden sei. Der rot-grünen Bundesregierung bescheinigte er im ZDF-Morgenmagazin Torschlusspanik und eine unsichere Hand.

Die Zahl der Arbeitslosen war im Juli bundesweit auf 4.046.900 Arbeitslose gestiegen, 191.100 mehr als vor einem Jahr und 92.600 mehr als vor einem Monat. In Westdeutschland lag die Quote bei 7,8 Prozent, in Ostdeutschland bei 18,0 Prozent.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, verteidigte die Vorschläge der Regierungskommission unter Vorsitz des VW-Personalvorstands Peter Hartz. Die Staatsanleihe für den Osten sei eine »pfiffige Idee«, sagte sie im ZDF.

Skeptisch zeigte sich dagegen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Hauptgeschäftsführer Ludolf-Georg von Wartenberg sagte im ZDF, im Grunde sei das »eine neue Verschuldung«. Nötig sei etwas anderes: »Wir brauchen Aufträge, dann können die Arbeitsplätze entstehen.«

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ifo-Chef: Mehr Hilfe für Kommunen

Aus Sicht des Wirtschaftsforschers und Chef des Ifo-Institutes Dresden, Wolfgang Gerstenberger, ist unklar, welche Auswirkungen die Zinszahlungen für die 150-Milliarden-Anleihe für die staatlichen Haushalte hätten. Fraglich sei zudem, ob die ostdeutsche Wirtschaft wirklich hauptsächlich an Kapitalmangel leide. Der Staat müsse vielmehr denen zu Hilfe kommen, die der Kapitalmangel am meisten betreffe, nämlich den Kommunen. Gerstenberger forderte die Schaffung eines Niedriglohn-Sektors: »Das bleibt leider ein Tabuthema - offenbar auch für die Hartz-Kommission«, sagte er der »Sächsischen Zeitung«.

Kürzungen für Spätmelder

Die »Bild«-Zeitung berichtete über neue Details aus dem Hartz-Konzept. Demnach müssen Beschäftigte, die sich nach der Kündigung nicht sofort beim Arbeitsamt melden, mit Kürzungen rechnen. Gestaffelt nach dem bisherigen Einkommen sollen für jeden Tag der verspäteten Meldung zwischen zehn und 50 Euro vom Arbeitslosengeld abgezogen werden. Auch die Zumutbarkeitsregeln würden verschärft: So müssten ledige Arbeitslose schon in den ersten drei Monaten Jobangebote in ganz Deutschland mit bis zu 20 Prozent Lohneinbußen akzeptieren.