Debatte um Hartz-IV Rüttgers plädiert weiter für eine Generalrevision

Nach dem umstrittenen Vorstoß von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für eine Arbeitspflicht bei Hartz-IV-Empfängern gewinnt die Debatte um eine Hartz-Reform an Fahrt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) plädierte erneut für eine Generalrevision.

Nach dem umstrittenen Vorstoß von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für eine Arbeitspflicht bei Hartz-IV-Empfängern gewinnt die Debatte um eine Hartz-Reform an Fahrt. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) plädierte erneut für eine Generalrevision. "Diejenigen die arbeitslos werden und diejenigen die in Hartz IV landen, bekommen nicht die notwendige Hilfe von den Arbeitsagenturen, um möglichst schnell wieder in Brot und Arbeit zu kommen. An der Stelle muss nachgebessert werden", sagte Rüttgers der ARD. Kochs Vorstoß für mehr Druck auf die Hartz-IV-Empfänger stößt aber weiter auf Kritik. Die SPD befürchtet Kürzungen nach der Landtagswahl Anfang Mai in Nordrhein-Westfalen.

Der SPD-Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, fuhr schweres Geschütz gegen Koch auf. "Herr Koch hetzte gestern noch gegen die Ausländer und heute gegen die Arbeitslosen", sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Bei den bisherigen Erfahrungen mit Roland Koch kann man vermuten, dass es jetzt nur noch ein kleiner Schritt ist, hin zu einer Forderung nach Zwangsarbeitslagern." Die Unions-Forderung nach besseren Hinzuverdienstmöglichkeiten bei Hartz- IV-Empfängern bedeute dauerhaft subventionierte Dumpinglöhne statt gut bezahlter Arbeit, so Stegner.

Koch hatte in der "Wirtschaftswoche" gesagt: "Wir müssen jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung." Nach Kochs Ansicht verstärken höhere Hinzuverdienst- Grenzen den Anreiz zur Annahme von Arbeit.

Die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft sagte der "Rheinischen Post" (Montag): "Roland Koch betätigt sich ganz kalkuliert als Brandstifter". Die CDU mache so gezielt Stimmung und erwecke den Eindruck, alle Hartz-IV-Empfänger seien Faulenzer. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai folgten dann Kürzungen bei den Hartz-IV-Sätzen. "Diese Politik der Union ist zynisch. Denn die meisten Hartz-IV-Empfänger wollen arbeiten, weil sie sich mit einer geregelten Arbeit als wertvoller Bestandteil der Gesellschaft fühlen wollen."

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ging auf Distanz zu der Forderung Kochs. Schon jetzt müssten Leistungsempfänger angebotene Arbeitsmöglichkeiten annehmen, sagte Laumann der "Frankfurter Rundschau" (Montag). "Unser Problem ist dabei nicht, dass wir zu wenig arbeitswillige Hartz-IV-Bezieher haben, sondern das Gegenteil ist der Fall: Wir haben zu wenig gemeinnützige Arbeitsangebote." Laumann warnte, viel mehr Menschen als bislang könnten nicht gemeinnützig beschäftigt werden. Ansonsten befürchte er "eine verheerende Wirkung auf dem Arbeitsmarkt".

Auch aus den Reihen des Koalitionspartners FDP kam Kritik an Kochs Äußerungen. Der FDP-Sozialexperte Pascal Kober warf dem hessischen Ministerpräsidenten Populismus vor. "Koch stellt einzelne schwarze Schafe an den Pranger, um den eigenen Populismus gegenüber allen Hartz-IV-Empfänger zu rechtfertigen", sagte der Bundestagsabgeordnete dem "Reutlinger Generalanzeiger". Koch versuche, damit die "verfehlte Arbeits- und Sozialpolitik der Union der vergangenen Jahre zu kaschieren".

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte Koch nach seinem Vorstoß gerüffelt und eine Pauschalkritik an allen Hartz-IV- Empfängern zurückgewiesen. "Das Problem lösen wir nicht, indem wir sie beschimpfen", sagte sie in Berlin. In der großen Mehrheit wollten die Leute aus Hartz IV heraus. Sie könnten aber nicht arbeiten, weil sie keine Kinderbetreuung fänden, weil sie keine Schulbildung hätten oder keinen Beruf.

Koch begründete seine Forderung auch damit, dass es in vielen Fällen zu wenig Zwang gäbe, eine Arbeit anzunehmen. Da es in Deutschland notfalls auch ein Leben lang Leistungen gebe, müssten Instrumente eingesetzt werden, "damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht".

DPA
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