Deutscher Uno-Ermittler berichtet Syrien war in Mord-Komplott verstrickt

Der deutsche Uno-Ermittler Detlev Mehlis hat Syrien beschuldigt, an der Ermordung des libanesischen Ex-Premiers Rafik Hariri beteiligt gewesen zu sein. Der Vorwurf könnte einen schwelenden Konflikt zum Eskalieren bringen.

Syrien ist nach Ermittlungen der Vereinten Nationen (Uno) an der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri am 14. Februar dieses Jahres maßgeblich beteiligt gewesen. Uno-Sonderermittler Detlev Mehlis, ein Berliner Oberstaatsanwalt, macht in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht den syrischen Geheimdienst für den Bombenanschlag mitverantwortlich. "Es gibt Grund zu der Annahme, dass die Entscheidung, den ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri zu ermorden, nicht ohne Billigung hochrangiger syrischer Sicherheitsbeamter und nicht ohne Absprache mit ihren Pendants bei den libanesischen Sicherheitskräften erfolgen konnte", heißt es in dem 54-seitigen Bericht. Die Regierung des syrischen Staatspräsidenten Baschar Assad und der Syrien-treue libanesische Präsident Émile Lahoud wiesen die Anschuldigungen am Freitag zurück.

Starke Argumente für Syrien-Gegner

Der Bericht hat eine immense Bedeutung für die Gegner des syrischen Präsidenten Assad. Er liefert ihnen Argumente für ein geschlossenes - möglicherweise auch militärisches - Vorgehen der internationalen Gemeinschaft, gegen die Regierung in Damaskus. In Washington werden bereits seit Monaten Szenarien für einen militärischen Einsatz diskutiert.

Die Syrer sind vor allem den USA, aber auch Großbritannien, Frankreich und Israel ein Dorn im Auge. Ihnen wird vorgeworfen, die iran-freundliche Hisbollah-Miliz zu protegieren, die vom Libanon aus operiert. Zudem soll Syrien islamischen Terrorismus gegen die USA fördern - oder den Terroristen zumindest Unterschlupf gewähren. Der Libanon gilt seit Jahrzehnten als Satellitenstaat der Syrer. Diese hatten dort immer wieder interveniert - und bis zu diesem Frühjahr auch Truppen dort stationiert.

Die Ermordung von Ex-Premiers Hariri im Februar hatte der anti-syrischen Opposition Auftrieb gegeben. Sie erzwang den Rücktritt der Regierung. Auf Druck der USA, Großbritanniens und Frankreichs hin, erklärte sich Syrien im März auch bereit, seine im Libanon stationierten Truppen abzuziehen. Seitdem schwelt der Konflikt zwischen pro- und anti-syrischen Kräften.

Am Dienstag erläutert Mehlis Bericht im Sicherheitsrat

Seit Anfang Juli ermittelt der 56-jährige Mehlis im Libanon und in Syrien - unterstützt von rund 30 Fahndern aus der ganzen Welt. Am Montag soll sein Bericht dem Uno-Sicherheitsrat übergeben werden. Am Dienstag wird der deutsche Sonder-Ermittler den Mitgliedern des Sicherheitsrates seine Ergebnisse erläutern. Möglicherweise wird dann schon ein Resolutions-Entwurf in das Gremium eingebracht werden. Nur der Sicherheitsrat kann Uno-Sanktionen gegen Syrien verhängen. Bereits jetzt haben die Vereinten Nationen Mehlis' Mandat, das ursprünglich auf drei Monate begrenzt war, nach libanesischen Angaben bis zum 15. Dezember verlängert.

USA dringen auf Reaktion

Der amerikanische Uno-Botschafter John Bolton drang darauf, dass die internationale Gemeinschaf auf den Bericht reagiert. "Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis (von Mehlis) klar Besorgnis erregend aus. Das wird eine weitere Debatte von Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft erforderlich machen", sagte Bolton. Auch die EU-Kommission äußerte sich am Freitag besorgt über den Bericht. Kommissionssprecherin Emma Udwin sagte in Brüssel, die syrische Regierung müsse uneingeschränkt mit den Uno-Ermittlern zusammenarbeiten. Andernfalls verletze Syrien seine eigenen Interessen. Für Konsequenzen gegen Syrien sei es aber noch zu früh. "Der nächste Schritt ist, dass die internationale Gemeinschaft den Bericht im Uno-Sicherheitsrat diskutiert", sagte Udwin.

In seinem Bericht beschuldigt Mehlis die Syrer, nur "in begrenztem Maße" mit ihm kooperiert zu haben. Mehrere syrische Zeugen und Verdächtige hätten versucht, die Ermittler zu täuschen. Der damalige Chef des syrischen Geheimdienstes in Libanon, General Rustum Ghassale, soll danach bereits seit Juli 2004 nach einem Weg gesucht hat, um Hariri durch ein Komplott politisch kaltzustellen. In Damaskus wird unter anderem General Asaf Schawkat, ein Schwager des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, zu den Tatverdächtigen gezählt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Zu 100 Prozent politisch beeinflusst"

Der syrische Informationsminister Mahdi Dachlalla bezeichnete Mehlis Bericht als "zu 100 Prozent politisch beeinflusst". "Es handelt es sich um eine politische Stellungnahme gegen Syrien, die sich auf für ihre Feindschaft zu Syrien bekannte Zeugen stützt", sagte er dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira. Der libanesische Präsident Émile Lahoud gerät in Bedrängnis, weil in dem Bericht einer seiner Vertrauten zitiert wird, der sagt: "Der Premierminister (Hariri) ärgert ihn (Lahoud) immer, und wir sagen ihm (Hariri) immer, er soll still sein, und wir schreien ihn an. Er (Lahoud) hat klargemacht, dass es so nicht weitergehen kann." Der Lahoud-Vertraute plant in dem Telefonat mit dem syrischen Geheimdienstgeneral Rustum Ghassale eine Kampagne, um Hariri zum Rücktritt zu zwingen. Lahoud bestritt den Vorwurf, kurz vor dem Attentat mit einem Hauptverdächtigen telefoniert zu haben. Nach dem Bericht soll der Verdächtige Mahmud Abdel Al, damals die Nummer von Lahouds Mobiltelefon angewählt haben.

Die damalige libanesische Opposition, die inzwischen die Mehrheit im Parlament in Beirut hat, hat für die Tat von Anfang an Syrien und die pro-syrischen Chefs der libanesischen Geheimdienste verantwortlich gemacht. Nach Vorlage des Berichts erneuerte sie ihre Forderung nach einem Rücktritt von Präsident Lahoud.

AP
GÜSS mit Material von DPA/AP