Nach dem überraschenden Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner wird in der Partei die Kritik an der Führung lauter. Der FDP-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, Gerhard Papke, bedauerte den Rücktritt Lindners und forderte Parteichef Philipp Rösler zu mehr Durchsetzungskraft in der Bundesregierung auf. "Wir brauchen klarere Kante gegenüber der Union. Und das ist vor allem Aufgabe des Parteichefs und Vizekanzlers", sagte Papke der "Financial Times Deutschland".
Baden-Württembergs ehemaliger Justizminister Ulrich Goll erklärte die "Boygroup" um Parteichef Rösler für gescheitert. "Christian Lindner gibt letzten Endes auf, weil er sieht, dass er seine Ziele nicht erreicht hat. Das gilt nicht nur für ihn allein", sagte Goll der "Stuttgarter Zeitung". Die "Boygroup" habe nicht Fuß gefasst. "Deswegen meine ich schon, dass man in Zukunft einen Mix suchen sollte zwischen jüngeren und erfahrenen Politikern." Nun biete sich die Chance, die Dinge nochmals zu ändern. "Es ist die letzte Chance für Philipp Rösler."
Döring: FDP in schwieriger Lage
Gudrun Kopp (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, sagte der "Neuen Westfälischen", es sei "alles andere als hilfreich" gewesen, dass Rösler den Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm ESM vor Ablauf der Abstimmungsfrist für gescheitert erklärt habe. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses an diesem Freitag müsse es so sein, "dass wir alle gemeinsam für eine Position stehen".
Der noch am Mittwochabend von Rösler als neuer Generalsekretär präsentierte Patrick Döring räumte in den ARD-"Tagesthemen" ein, dass die FDP in einer schwierigen Lage sei. Die Partei brauche "Stabilität und Solidität", sagte der bisherige Schatzmeister. Sein vertrauensvolles Verhältnis zu Rösler sei Voraussetzung für eine neue Geschlossenheit, die die Partei nach dem Mitgliederentscheid dringend brauchen werde. "Wichtig ist, egal wie es ausgeht, dass die FDP wieder mit einer Stimme wahrgenommen wird und geschlossen in die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner eintritt", sagte er.
Frisches Gesicht für die "Abteilung Attacke"
Der Parteivize Holger Zastrow erklärte zur Nominierung Dörings: "Der Parteivorsitzende hat mit der schnellen Nominierung Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen." Rösler habe eine gute Wahl getroffen. "Die "Abteilung Attacke" der FDP hat mit einem Generalsekretär Patrick Döring ein neues, frisches Gesicht."
Der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagte der "Leipziger Volkszeitung", die FDP-Führung müsse an einem Strang ziehen und Inhalte umsetzen. Es sei "unerträglich", wenn Präsidiumsmitglieder sich immer wieder von von dem Gremium distanzierten. Dann sei es "egal, ob da Rainer Brüderle, Günther Jauch, Thomas Gottschalk oder am Ende Bushido vorne steht", sagte Becker.
"FDP hat auf die Krise nicht den Hauch einer Antwort"
Mahnende Worte kommen auch vom Koalitionspartner. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer (CDU), forderte eine rasche Klärung der FDP-internen Fragen. Gerade hinsichtlich aktueller europapolitischer Fragen sei "eine handlungsfähige deutsche Regierung" wichtig, sagte er dem "Handelsblatt". "Die FDP war bisher ein verlässlicher Partner in der Krise, ich hoffe, das bleibt so", sagte Pfeiffer.
Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter sagte der "Saarbrücker Zeitung", das Problem der FDP bestehe derzeit vor allem "darin, dass sie auf die Finanzkrise und die dadurch in Verruf geratene Deregulierung der Wirtschaft nicht den Hauch einer Antwort hat". Ihre programmatische Verengung auf Steuersenkungen sei vor dem Hintergrund dieser Krise absurd. Auch hätten die Nachfolger an der Parteispitze nicht das frühere Gewicht des ehemaligen FDP-Chefs Guido Westerwelle ersetzen können, sagte Falter.

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Niebel: "Wir waren alle überrascht"
Der bisherige FDP-Generalsekretär Christian Lindner war am Mittwoch ohne nähere Begründung zurückgetreten. "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen", sagte der 32-Jährige. Sein Verhältnis zu Parteichef Philipp Rösler galt seit längerem als angespannt.
Auch die Parteiführung war nach Angaben von Entwicklungsminister und FDP-Präsidiumsmitglied Dirk Niebel nicht über die Rückzugspläne informiert. "Wir waren alle überrascht", sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Es habe in letzter Zeit mehr Kritik gegeben und es sei nicht alles so gelaufen, wie man es sich gewünscht hätte. "Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass Christian Lindner das Handtuch wirft, schon gar nicht zu diesem Zeitpunkt", sagte Niebel.