Euro-Debatte Willkommen Europa, goodbye Hellas

Es mutet absurd an: Die Eurozone ist tief in der Krise - und die Idee Europa wird von deutschen Politikern so heftig propagiert wie lange nicht. Wäre da doch nur nicht das Sorgenkind Griechenland.

Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hin oder her: Europa ist das zentrale Thema des Wochenendes in der deutschen Politik. Es mangelt - wie schon während der Woche - nicht an Bekenntnissen zur Idee Europa. Man hat den Eindruck, Deutschlands Politgrößen verabschieden sich langsam vom Nationalstaat. Ein unerwarteter Effekt der Eurokrise, die beim Bürger eher zum gedanklichen Abschied von Europa führt.

Beispiel Gerhard Schröder: Der Altkanzler lobte ausdrücklich Angela Merkels Vorstoß für eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung. Im Gespräch mit dem "Spiegel" plädierte er unter anderem für einen gemeinsamen europäischen Finanzminister, der vom Europäischen Parlament kontrolliert wird: "Man wird national Souveränitätsverzichte üben müssen", sagte Schröder. "Das, was die nationalen Parlamente abgeben, muss beim Europäischen Parlament als oberste Instanz landen."

Beispiel Wolfgang Schäuble: Er sprach sich schon in der Woche für einen neuen Europäischen Vertrag aus, der mehr Gemeinschaftskompetenzen in der Haushalts- und Finanzpolitik der Eurozone erlaubt. Der Finanzminister und Kanzlerin Angela Merkel wollen jetzt laut "Spiegel" einen neuen Vorstoß in der Steuerpolitik im Euro-Raum wagen. Ziel: Eine gemeinsame, weitgehend vereinheitlichte Körperschaftsteuer für Unternehmen in der ganzen Euro-Zone vor. In der "Leipziger Volkszeitung" hielt Schäuble ein flammendes Plädoyer für Europa und sein Sorgenkind: "Im Übrigen ist und bleibt der Euro der Motor der europäischen Integration. Und ohne das Zukunftsprojekt Europa hätte in unserer sich immer weiter globalisierenden Welt kein einzelner Staat, auch Deutschland nicht, eine gute Chance auf Entwicklung."

Griechenland soll austreten

Beispiel Ursula von der Leyen: Sie versuchte sich diese Woche als Europa-Verfechterin zu profilieren und ging am weitesten von allen: "Mein Ziel sind die Vereinigten Staaten von Europa - nach dem Muster der föderalen Staaten Schweiz, Deutschland oder USA." Auch dafür gab es Lob von Schröder. Allerdings nicht von der Bevölkerung: Nur 35 Prozent der Befragten sprachen sich in einer von "Zeit Online" veröffentlichten Erhebung für einen europäischen Bundesstaat aus. 43 Prozent lehnen ihn dagegen ab.

Und so ist Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer vielleicht endlich einmal nah am Puls des Volkes, wenn er vor einem "europäischen Superstaat" warnt. Allerdings fordert er auch: "Europa darf nicht auseinanderfallen."

Für die Eurozone ist dieses Szenario keine Science Fiction. Das Land, das allen Europafreunden am meisten Sorgen bereiten dürfte, hatte Ende der Woche mit neuen Negativnachrichten aufgewartet. Griechenland wird vereinbarte Ziele trotz Sparpaket nicht erfüllen, weshalb Beobachter erst einmal abgereist sind und die Athener Rettungsbemühungen anzweifeln. Politiker in Deutschland sind jetzt sauer. So überlegt FDP-Finanzmann Hermann Otto Solms schon laut, "ob der Weg über eine Umschuldung und einen Austritt aus dem Euro nicht für die Währungsunion und Griechenland selbst die besseren Perspektiven bietet". Sein Parteikollege Frank Schäffler formuliert es drastischer: "Griechenland war nie reif für den Euro und wird es wohl auch nicht werden." Auch CDU-Mann Wolfgang Bosbach sieht Griechenland "unter den Bedingungen des Euro" auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Eine Aufforderung zum Austritt.

Eine Fantasie von Hardcore-Europäern erhielt am Wochenende einen Dämpfer. Euro-Bonds, gemeinsame Anleihen der Eurozone würden mit dem Rating des schwächsten Mitgliedslandes bewertet. "Wenn wir einen Euro-Bond haben, bei dem Deutschland 27 Prozent garantiert, Frankreich 20 und Griechenland zwei Prozent, dann läge das Rating des Euro-Bonds bei 'CC', was der Kreditwürdigkeit Griechenlands entspricht", sagte Moritz Krämer von der größten Ratingagentur Standard & Poor's. Sprich: Die Zinskosten der gemeinsamen Anleihen wären riesig. Ob die Bonds da wirklich das "richtige Mittel" sind, um der Krise Herr zu werden, wie der Altkanzler schwärmt?

ben