Es ist der Höhepunkt der Haushaltswoche im Bundestag: die Generaldebatte. Vier Stunden lang geht es an diesem Mittwoch aber weniger um die Bundesfinanzen. Vielmehr wird die Debatte für Kritik, Abrechnungen gegen die Regierung genutzt, in diesem Fall die Ampel.
Traditionell eröffnete der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion die Aussprache, also CDU-Chef Friedrich Merz. Der bekrittelte das Kindergeld und das Bürgergeld. Die Ampel wolle mit diesen Leistungen einen bevormundenden, alles regulierenden und paternalistischen Staat ausbauen. Scholz habe als SPD-Generalsekretär im Jahr 2002 von der "Lufthoheit über den Kinderbetten gesprochen, die die SPD erreichen müsse", sagte Merz in der Generaldebatte im Bundestag. "Sie sind auf diesem Weg ein ganzes Stück vorangekommen."
Merz: Scholz wolle "Lufthoheit über Kinderbetten"
Die Kindergrundsicherung sei "genau das, was sie erreichen wollen: Lufthoheit über den Kinderbetten, über den Familien, über dieser Gesellschaft, damit Sie sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten können". An den Kanzler gewandt sagte Merz, die Union streite nicht nur über Details des Haushaltes, sondern widerspreche ganz grundsätzlich dem Staatsverständnis der Ampel.
Der CDU-Chef warf der Koalition zudem vor, bei der Finanzierung der Bundeswehr den Herausforderungen angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht gerecht zu werden. "Bei SPD und Grünen bleibt das unbeliebte Kind Bundeswehr wieder weitgehend strukturell unterfinanziert", kritisierte Merz. Mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner, der am Dienstag auf künftig drohende Finanzlücken bei der Bundeswehr hingewiesen hatte, sagte Merz: "Spätestens seit gestern haben wir also zwei Oppositionsführer – einen im Parlament und einen in der Regierung.
Weiter kritisierte der CDU-Mann eine überbordende Bürokratie, das Gebäudeenergiegesetz und verlangte Technologieoffenheit im Gebäude- und Verkehrssektor. Es sei keine Überraschung, dass die Ampel mit ihrer Verbotspolitik auch im zweiten Jahr in Folge die Klimaziele verfehle. Die Klimapolitik der Regierung werde von den Menschen im Land mehrheitlich nicht mehr mitgetragen, weil sie es leid seien, nur noch mit Verboten, Regulierungen, unkalkulierbaren Kosten und bürokratischen Auflagen konfrontiert zu werden.
Das sogenannte Bürgergeld würde die Union so ausgestalten, dass sich Arbeit mehr lohne als der Bezug von staatlichen Transferleistungen, betonte Merz. Die Menschen gingen nicht zurück in Beschäftigung, weil sie sich ausrechnen könnten, dass sie mit staatlichen Transferleistungen mehr herausbekämen, als wenn sie in einer einfachen Beschäftigung arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge und Steuern bezahlen müssten.
Die Regeln sind klar. Doch warum einfach, wenn man es sich auch schwer machen kann?

AfD fordert Neuwahlen: "Zeit der Ampel ist abgelaufen"
Würde die Ampel den Vorschlägen der Union folgen, gebe es schnell Spielräume für eine größere Steuerreform, sagte Merz. Dann könne man auch endlich den Solidaritätsbeitrag abschaffen, was vor allem den mittelständischen Unternehmen schnell und wirksam helfen würde. "Aber das wollen sie nicht, weil sie natürlich in ihrer ganzen Klassenkampf-Rhetorik immer nur von den reichen und den breiten Schultern sprechen, die sie meinen, immer noch mehr belasten zu müssen", rief Merz unter Beifall aus den eigenen Reihen.
Ebenso scharfe Worte kamen von der AfD. Deren Chef Tino Chrupalla hat in der Generaldebatte gleich Neuwahlen gefordert. "Die Zeit der Ampel ist abgelaufen", sagte Chrupalla und kritisierte die Regierung unter anderem wegen der Energiepreise, der Inflation und des Heizungsgesetzes. Er warf der Koalition zudem eine "fahrlässige und verfehlte Migrationspolitik" und speziell den Grünen in der Ampel eine wirtschaftsfeindliche Politik vor.

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An den Bundeskanzler gerichtet sagte er: "Öffnen Sie wieder, wenn Sie können, bitte beide Augen und sehen Sie, wie die deutsche Wirtschaft reagiert, wie sie abschmiert, und kümmern Sie sich endlich um das Rückgrat in diesem Land, um die deutsche Wirtschaft." Angriffe der anderen Parteien auf seine Partei wies Chrupalla zurück und warf ihnen vor, "schon lange nicht mehr" die Interessen der Bürger vertreten zu wollen. Nicht die AfD sitze in der Regierung. "Sie sollen endlich mal sich selbst und Ihre politischen Leistungen anfangen zu kritisieren und sich vielleicht einfach mal fragen: Warum gibt es eigentlich eine Alternative für Deutschland?"

Linke zieht Vergleich zur Weimarer Republik
Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sprach ebenfalls von einer "großen Wirtschaftskrise" in Deutschland und missbilligte die Haushaltspläne der Ampel. "Wir dürfen jetzt nicht sparen, wir brauchen große Investitionspakete." Viele Menschen seien zu Recht wütend, dass im Etat Milliarden Euro für Rüstung rausgehauen werden sollten und überall sonst geknausert und gespart werde. Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend und ein "Etikettenschwindel".
Mohamed Ali monierte, dass Scholz die Probleme im Land kleinrede und "grottenschlechtes Regierungshandeln" beschönige. Auf den von Scholz angebotenen "Deutschland-Pakt" für eine nationale Kraftanstrengung zur schnelleren Modernisierung ging sie nicht ein – und schlug einen historischen Bogen.
"Es gab schon einmal einen Kanzler, der Deutschland mit seiner Sparpolitik ruiniert hat: Heinrich Brüning, Reichskanzler der Weimarer Republik von 1930 bis 1932. Und wohin das geführt hat und welche politischen Kräfte dadurch stark geworden sind, das wissen wir", sagte Mohamed Ali mit Blick auf die Nationalsozialisten. Aus Geschichte könne man aber lernen.
Noch bis Freitag werden in erster Lesung die Haushaltspläne der einzelnen Ressorts beraten. Am Mittwoch stehen auch Verteidigung, Auswärtiges und Verkehr auf der Tagesordnung. Verabschiedet werden soll der Gesamthaushalt nach jetzigem Stand am 1. Dezember.