Glosse "Operation Enduring Auferstehung"

Am Donnerstag hat Edmund Stoiber in Moskau Weltpolitik gemacht. Aber das ist nur der Anfang. Stoiber hat einen detaillierten Geheimplan ausgearbeitet, wie er sich bis Ende September selbst den glorreichsten Abgang der Menschheitsgeschichte bescheren kann. stern.de enthüllt die Details.

Still und leise? Sang- und klanglos? Herrschaftszeiten! Nein, meine Damen und Herren. So tritt ein Edmund Stoiber nicht ab! So nicht! Ein Paukenschlag muss es schon sein, einer, den sie alle hören müssen, überall: auf dem Münchner Marienplatz, im Kanzleramt, in Moskau, in Washington, in Peking, in der ganzen Welt. Wer waren Strauß, Streibl oder, mein Gott, Waigel, der Weichling? Freistaatshistorische Vorspiele für den einzig echten Erlöser, nicht mehr, nicht weniger, aber im Prinzip alles Winzlinge! Anders er, Stoiber. Wenn so einer abtritt, muss die Menschheit erfahren, was sie verliert, die ganze Menschheit.

"Operation Enduring Auferstehung" im Hobby-Keller

Seit Monaten, das hat stern.de aus zuverlässiger Quelle erfahren (Seehofer: "Was wolln's über wen wissen? Ich hab' Akten, Emails, was Sie wollen!"), tüfteln Stoiberianer im Wolfratshausener Hobby-Raum am ultimativen, glorreichen Abgangsplan, am lautest vorstellbaren Paukenschlag. In sein "Kompetenzteam"(Stoiber: "Allein der Begriff schließt den Huber und den Beckstein von vorneherein aus, gell Markus!") mit dem Decknamen "Operation Enduring Auferstehung", Geheimcode "Nero", hat Stoiber seine engsten Vertrauten berufen: Markus Söder und Markus Söder und Markus Söder ("Edmund, ich bin Dir so treu wie sonst nur meiner Frau."). Die beiden haben lange dicht gehalten. Nur die geplanten Stoiberschen Vorschriften für den bayerischen Haushalt 2027 sind durchgesickert. Blöd zwar, aber nicht tragisch. Letzte Hand angelegt haben sie in der vergangenen Wochen. Da hat sie die Landtagsfraktion geärgert, weil die dem Beckstein doch tatsächlich vor der Sommerpause noch eine Art Sicherheitsvotum gegen Stoiber geben will. Und der Huber hat sie geärgert, weil der unbedingt zur selben Zeit in Moskau herumturnen muss wie der Chef. Das hat sie so erzürnt, dass sie fast zwei Tage und Nächte durchgeackert haben im Hobby-Keller, sogar Stoibers Frau Karin haben sie zweckentfremdet ("Muschi, schreib'!")

Ahmadinedschad wird Chef der Hanns-Seidel-Stiftung

Aber die Mühen haben sich gelohnt. Jetzt ist er fertig der Plan. Und er sieht so aus: Stoiber rettet die Welt, ganz systematisch, von außen nach innen, also quasi erst global, dann lokal. In Phase eins geht's um den Weltfrieden. Zum Auftakt schlichtet Stoiber das Gezänk zwischen Freund Wladimir und Freund George um diesen Raketen-Schild. Zunächst tut Stoiber so, als würde er Putins Aserbaidschan-Vorschlag unterstützen und Bush kritisieren, dann vermittelt er aber und bietet den Amerikanern an, ihr Radar-System gemeinsam mit den Amis in Garmisch zu betreiben. Das ist ganz große Diplomatie. Von Moskau aus wird Stoiber nach Teheran reisen, um dem renitenten Atom-Achmed den Chef-Posten der Hanns-Seidel-Stiftung anzubieten, als eine Art "goldenen Fallschirm", gekoppelt an ein Meet-and-Greet beim FC Bayern ("Der Iraner an sich spielt doch so gern Fußball, oder nicht?"). Zum neuen König im Irak wird Günther Beckstein gekrönt. ("Der will doch unbedingt irgendwo regieren, mit Fragen der inneren Sicherheit kennt er sich aus und mit multi-ethnischen Gebilden eh. Vielleicht verstehen die Schiiten ja Fränkisch, gell Markus.)

Die Welt jedenfalls, sie wird Stoiber zu Füßen liegen. Spätestens Mitte August. "Edmund, Edmund, Edmund", werden sie schreien. Überall. Auf den Kreuzungen Bagdads ebenso wie in den Gassen Roms und den Straßen Londons. "Edmund S., the Peacemaker from Bavaria", wird es titeln, das "Time"-Magazin. Angela, die "angebliche Gipfel-Queen aus dem Osten, die angebliche Kanzlerin" (Stoiber), ja, sie wird auf den Knien vor ihm kriechen und flehen: "Lass' uns frühstücken, Edmund. Bitte. Bitte." Ja, so wird es sein.

Intensivkurs für Westerwelle in der "Schlange"

In Phase zwei erlöst Stoiber Deutschland: Von der Arbeitslosigkeit, von den Schulden, und von der SPD. Mitte August ersetzt er Michael Glos als Wirtschaftsminister in Berlin ("Michi, mit Deinem Englisch. Das geht doch nicht!"), und auch SPD-Finanzminister Peer Steinbrück ("Ein Verschwender"). Stoiber streicht sofort alle Zahlungen an Ostdeutschland ("Die sind doch schon Kanzlerin, oder?), entlässt Ursula von der Leyen und startet das Investitionsprojekt "Transrapid für Deutschland - nie mehr zu Fuß gehen", das binnen Tagen fünf Millionen Arbeitsplätze entstehen lässt. Während seiner Zeit in Berlin nimmt sich Stoiber den Bonner "Leichtmatrosen" Guido Westerwelle zur Brust, in einem dreiwöchigen allabendlichen Politik-Intensiv-Kurs im Abgeordneten-Wohnsilo an der Spree, der "Schlange." ("Das ist fruchtbares Terrain. Vielleicht bleibt da sogar bei dem was hängen.") Spätestens in der ersten Septemberwoche melden Forsa, Infratest und die Forschungsgruppe Wahlen sensationelle Umfrageergebnisse für Schwarz-Gelb - über 75 Prozent. Man wird vom "Stoiber-Schub" reden. Kurt Beck wird die SPD vom politischen Betrieb abmelden, Peter Gauweiler übernimmt "Die Linke", Oskar Lafontaine wird Ahmadinedschads Vize in der Stiftung. Mit einer großzügigen, sehr menschlichen Geste wird Stoiber Merkel noch einmal das Amt der Kanzlerin antragen. "Angela, mach's ruhig", wird er sagen, während ihre Lippen lüstern beben und Professor Sauer zürnt: "Ich hab's Dir verdient," wird Stoiber sagen. Merkel wird hemmungslos weinen.

"Der Horst ist für mich wie ein Sohn"

Die dritte Phase wird menschlich gesehen noch bewegender, getreu dem CSU-Motto "Mitten im Leben". Bei einem Heimspiel des FC Bayern München gegen Bremen wird Stoiber in der letzten Septemberwoche bekannt geben, dass Gabriele Pauli Zwillinge von Horst Seehofer empfangen und geboren hat (Stoiber: "Die bayerischen Kaczynskis") und dass er, Stoiber, Patenonkel des CSU-Nachwuchses wird. Die Söhne werden von Franz Beckenbauer am Anstoßpunkt auf die Namen Günther und Erwin getauft. Es ist ein grandioser Akt biblischer Vergebung, der Pauli, der Sünderin, hier zuteil wird. "Ich verzeihe Dir", verkündet Stoiber. Und auch für Seehofer ist der Tag etwas ganz Besonderes. "Der Horst, der ist für mich wie ein Sohn", wird Stoiber sagen. "Und deshalb, deshalb möchte ich, dass er an meine Stelle tritt." Auf dem Parteitag in München schlägt er Seehofer als Nachfolger für alle seine Ämter vor. Seehofer erhält 99,9 Prozent, die Basis bebt, und keiner fragt, weshalb Huber eigentlich nie zurückgekehrt ist aus Moskau ("Du Wladimir, der Kleine hinter mir, weißt schon: Das ist ein Journalist.") Seehofer wird noch in der Nacht von der Landtagsfraktion zum bayerischen Regierungschef gewählt.

Die Welt wird weinen

Nach all diesen Paukenschlägen, nach all diesen Phasen, nach all dieser Grandeur, wird er dann endlich erklingen, der bayerische Defiliermarsch, wie die Erlösung. Und alle werden johlen, schreien, von Bayreuth bis Bogota: "Edmund, bleib! Bleib! Bleib! Bleib!" Und Stoiber wird die Gabi auf die Bühne holen, den Horst und natürlich die Muschi, aber auch den Söder. Und sie werden winken. Und die Kapelle wird den Defiliermarsch spielen. Wieder und Wieder. Und dann wird es, plötzlich, ganz plötzlich, ganz still werden. Und mit leiser, aber fester Stimme wird Edmund Stoiber sagen: "Nein. Vielen Dank. Ihr habt es nicht anders gewollt. Ihr wart blind. Aber jetzt, jetzt lasst es gut sein. Die Wunden sind geheilt. Für mich ist es jetzt Zeit zu gehen."

Und dann wird er in den Transrapid steigen, der am Hintereingang wartet. Und wie von Himmelskräften gezogen wird er davongleiten, in Richtung des bayerischen Alpenpanoramas, dem Sonnenuntergang entgegen. Auf den Großbildleinwänden dieser Welt, beim globalen Public-Viewing, wird eine Nahaufnahme von Stoibers Antlitz zu sehen sein. Man wird sehen, wie seine Augen feucht werden und ihm eine Träne die Wange hinunterläuft. Mit ihm wird die Welt weinen, weil es so unbegreiflich ist, dass so einer geht, so einer gehen will.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ja. So wird Stoiber abtreten. So. Und nicht anders.

Sagt Seehofer.