Vor dem Hintergrund der befürchteten Steuerausfälle in Milliardenhöhe hat SPD-Chef Franz Müntefering die Union zu einem umfangreichen Subventionsabbau aufgefordert. Eine dauerhafte Konsolidierung der Haushalte könne nur in Phasen des Wachstums gelingen, sagte Müntefering am Montagabend in den ARD-"Tagesthemen". Deshalb müssten nun die vorhandenen Mittel gezielter für Wachstum eingesetzt werden. Zugleich räumte Müntefering ein, dass die Bundesregierung mehr Schulden machen werde als geplant.
Eine genaue Zahl wollte der SPD-Chef aber unter Verweis auf das noch nicht bekannte Maß des Konjunkturwachstums nicht nennen. Die Schulden müssten so gering wie möglich gehalten werden. Die Vorbereitungen auf den Haushalt 2005 liefen unter dem Motto „Konsolidierungsfahrt nicht aufgeben, aber Wachstum suchen mit allem, was möglich ist“, sagte Müntefering und stärkte zudem Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) den Rücken.
Grüne streiten um künftige Ausrichtung der Haushaltspolitik
Unterdessen streiten sich die Grünen weiter um die künftige Ausrichtung der Haushaltspolitik. Die haushaltspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Antje Hermenau, wies die Forderung des ehemaligen Parteichefs Fritz Kuhn nach einer Abkehr vom strikten Sparkurs zurück und sagte, dies sei eine Einzelmeinung in der Fraktion. Hermenau warf Kuhn wie auch Bundesaußenminister Joschka Fischer in der "Financial Times Deutschland" eine zu große Nähe zur SPD vor.
Unionspolitiker und Wirtschaftsforscher warnten die Bundesregierung eindringlich vor neuen Schulden. CSU-Chef Edmund Stoiber forderte, die Milliardenlöcher durch Einsparungen zu schließen. "Am Sparkurs führt kein Weg vorbei", sagte der bayerische Ministerpräsident der Tageszeitung "Die Welt". Stoiber warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, anstelle dessen in Berlin "Schuldenorgien" zu veranstalten.
Koch pocht auf Euro-Stabilitätspakt
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach von einem "politisch verheerenden Signal", sollte Deutschland mit einer höheren Neuverschuldung den Euro-Stabilitätspakt erneut brechen, obwohl die Bundesrepublik den Pakt einst initiiert habe. Auch der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) warnte vor weiteren Schulden. Ein Aufweichen des Stabilitätspaktes wäre nicht nur unglaubwürdig, sondern auch "verantwortungslos gegenüber jetzigen und künftigen Generationen", wird Milbradt zitiert.
Der Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut nannte in der "Bild"-Zeitung die Folgen einer noch höheren Verschuldung mit Zins- und Zinseszinsen einen "Teufelskreislauf". Stattdessen sei ein Entschuldungsplan wie bei einer Privatinsolvenz nötig, sagte Sinn.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung nimmt heute im thüringischen Gotha seine Beratungen auf. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums muss der Staat insgesamt bis 2007 voraussichtlich Steuerausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro verkraften. Allein in den Jahren 2004 und 2005 dürfte sich das Minus auf etwas mehr als 20 Milliarden Euro belaufen.