Konvent für Deutschland Wer will Reformen?

Roman Herzog, Hans Olaf Henkel, Wolfgang Clement: Der Konvent für Deutschland, ein politischer Think Tank, hat eine Reihe prominenter, streitbarer Köpfe aufzubieten. Sie fordern in einem neuen Buch mehr Reformtempo - wohlwissend, dass Politik und Wähler lieber ruhig schlafen.

Reformen. Wer kann das Wort noch hören? Die Bevölkerung hat gelernt, dass Reformen nichts Gutes bedeuten. Die letzte tiefgreifende Reform, Gerhard Schröders Agenda 2010, hat den Sozialstaat alter Prägung abgeräumt und Arbeitslose massiv unter Druck gesetzt. Schröder hat für die Agenda Amt und Regierung riskiert - und verloren. Seine Überzeugung war ihm in diesem Fall wichtiger als die Macht.

Der Konvent für Deutschland, ein hochkarätig besetzter politischer think tank, lechzt geradezu nach solchen Taten. "Mut zum Handeln" steht in großen, schwarz-rot-goldenen Lettern auf dem Buch, das der Konvent just publiziert hat. Es enthält Interviews mit den Konventmitgliedern, darunter Altbundespräsident Roman Herzog, Ex-Superminister Wolfgang Clement (SPD), Industrielobbyist Hans-Olaf Henkel, Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) und vielen anderen. "Es ist ein Arsenal von Vorstellungen und Ideen", sagte Roman Herzog bei der Buch-Präsentation in Berlin. Wolfgang Clement meinte: "Ich betrachte es als eine Art Weckruf."

624 Seiten

... für ein smarteres Deutschland

Das Erreichte und das Erreichbare

Worum geht es konkret? Herzog und Clement diskutierten in Berlin expemplarisch eine Idee. Wie wäre es zum Beispiel, die Termine für Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen auf einige wenige Zeitpunkte zu verteilen? Tatsächlich ist es so, dass in Deutschland dauernd irgendwo Wahlen abgehalten werden. Die Parteien sind also dauernd im Wahlkampf, was dauernd zu Strategiespielchen, Misstönen und Blockaden führt. Um einheitliche Wahltermine herzustellen, müssten sämtliche Landesverfassungen geändert werden. Wer stellt sich dieser Herkulesaufgabe?

"Es scheint der Glaube verbreitet, dass das Verteidigen des Erreichten das Maximum des Erreichbaren ist", sagte Wolfgang Clement. "Das ist ein Irrtum." Natürlich hat Clement leicht reden, er steht nicht mehr in der politischen Verantwortung. Deswegen liegt er in der Sache aber nicht notwendig falsch. Über die große Koalition sagte er: "Es ist [schon bei den Koalitionsverhandlungen, d. Red.] zuviel darüber nachgedacht worden, wie man am Ende auseinander geht. Und zu wenig darüber, was man in der Zwischenzeit macht." Roman Herzog, der seine Parteifreundin Angela Merkel (CDU) nicht direkt kritisieren mochte, sagte, sie habe die Chance gesehen, der SPD Themen der politischen Mitte abzujagen. Was im Umkehrschluss heißt: Herzog hätte es lieber gesehen, Merkel hätte den Reformkurs des Leipziger Parteitags weiter verfolgt.

Das Elend der Dreierbündnisse

So ackern sich die Konventmitglieder durch die Themenfelder, von Zuwanderung, Bildungspolitik, Integration, Energie über Wirtschaft bis hin zu den Irrungen des Fünf-Parteiensystems. Neben Herzog plädierte in Berlin erstmals auch Clement für das Mehrheitswahlrecht, das nach dem Prinzip "the winner takes it all" funktioniert und in Großbritannien und Amerika für stabile Regierungen sorgt. Die Aussicht auf Dreier-Koalitionen, die künftig vielleicht unumgänglich sind, schien Clement doch zu "elend". Mit dem Mehrheitswahlrecht verhält es sich allerdings wie mit den einheitlichen Wahlterminen: beides ist auf absehbare Zukunft keine realistische Option. Es handelt sich um Denkanstöße.

Harsche Kritiken des Buchs sind übrigens nicht zu erwarten. Die abgedruckten Interviews wurden von Journalisten der großen deutschen Medien geführt. Claus Kleber, ZDF, sprach mit Roman Herzog; Stefan Aust, Spiegel, mit Klaus von Dohnany; Thomas Schmid, Welt mit Otto Graf Lambsdorff, auch stern.de-Autor Hans Peter Schütz ist vertreten. Auf insgesamt 624 Seiten wird diskutiert und gefachsimpelt, wie ein smarteres Deutschland aussehen könnte. Und auch wenn es nicht ruckt - ein Ruckeln versprechen sich die Autoren wohl schon.

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