Um 09.00 Uhr teilte Christian Lindner seinem Parteichef Philipp Rösler mit, dass er die Brocken hinschmeißt. Für Rösler kam der Rücktritt seines Generalsekretärs offensichtlich völlig überraschend. Aber er dürfte dann an diesem Mittwochmorgen doch ziemlich schnell erkannt haben, was das bedeutet. Die Boygroup Lindner, Rösler und Daniel Bahr, die angetreten war, um die FDP nach der Ära Guido Westerwelle zu retten, ist gerade auseinandergebrochen.
Schon auf dem Parteitag Mitte November in Frankfurt kamen Gerüchte hoch, nach einem halben Jahr stimme die Chemie zwischen Rösler und Lindner nicht mehr. Es gebe große Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen Chef und Generalsekretär - für die am Boden liegende Partei eine existenzielle Gefahr.
Nun machte Lindner, wie er sagte nach längerer Überlegung, den klarsten Schnitt, der möglich ist. Er ging. Interessanterweise erinnerte Lindner in seiner Rücktrittserklärung indirekt daran, dass er bereits von Röslers verdrängtem Vorgänger Westerwelle in das Parteiamt gehoben worden sei.
Rösler stand auf dem Parteitag alleine auf der Bühne
Rösler und Lindner gelang es nie, die Sache der Liberalen in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Sie verwendeten mehr Energie auf Personalfragen, als auf Sachthemen. Gerade beim jüngsten Mitgliederentscheid schien ihre Strategie eher die zu sein, möglichst wenige Parteimitglieder zur Stimmabgabe zu bringen, anstatt offensiv die Mitglieder für ihre Sache zu mobilisieren. Es war daher zwar politisch unklug, aber für Rösler nur konsequent, dass er vorzeitig das Scheitern der Euroskeptiker verkündete, weil sie das Quorum nicht erreicht hätten.
Es gab reichlich Fehler im politischen Handeln der jungen Parteispitze. Sie blieben vor allem an Rösler und Lindner hängen. Rösler stand auf dem Parteitag sichtlich alleine auf der Bühne. Immer wieder kamen und kommen seine flehentlichen Appelle an die Geschlossenheit der Führungsmannschaft. Doch diese wartet ab.
Ein Meister des Abwartens scheint der Dritte aus der Boygroup. Daniel Bahr, Gesundheitsminister und Chef des mächtigen NRW-Landesverbandes, zog beim Wechsel von Westerwelle zu Rösler die Fäden im Hintergrund. Wenn es darum ging, in kritischer Situation in der Parteispitze Flagge zu zeigen, so kritisieren Parteimitglieder hinter vorgehaltener Hand, sei er aber konsequent nicht zu sehen.
Der Anfang vom Ende?
Es ist nicht so sehr die Frage, ob Lindner ein Bauernopfer für den seit seiner Wahl zum Vorsitzenden im Mai unter Dauerbeschuss stehenden Rösler sein könnte. Es ist vielmehr die Frage, welche Konsequenzen der Schritt Lindners für Rösler hat. Ist es der Anfang vom Ende der aktuellen Parteiführung?
Seit Wochen wird spekuliert, dass Fraktionschef Rainer Brüderle den Parteivorsitz übernimmt. Der 66-Jährige ist selbst ein Opfer des Putsches an der Parteispitze Anfang des Jahres, denn er musste sein geliebtes Wirtschaftsressort aufgeben und auf den Posten des Fraktionschefs wechseln. Trotz seines anfänglichen Widerstandes fand er sich schnell zurecht und gilt jetzt als der eigentliche starke Mann in der Partei.

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Brüderle hat wohl keine großen Ambitionen, in der jetzigen Situation die Parteiführung zu übernehmen. Doch wenn die Partei ihn drängen würde, würde er sich wohl nicht lange bitten lassen. Denn Brüderle weiß auch, dass es mehr und mehr um die Existenz der FDP geht.
Wenn die Partei über Weihnachten und Neujahr nicht einigermaßen zur Ruhe kommt, ist Rösler bei seinem Auftritt auf dem traditionellen Dreikönigstreffen am 6. Januar in Stuttgart in einer ähnlichen Situation wie Westerwelle ein Jahr zuvor. Es ist dann fraglich, ob er sich bis zur entscheidenden Landtagswahl am 6. Mai in Schleswig- Holstein retten kann. Und dann ist auch Feuer unterm Dach der schwarz-gelben Koalition. Spätestens dann.