Manchmal fragt man sich, wann denn dieser Bundestagswahlkampf endlich richtig Fahrt aufnimmt. Vier Wochen vor der Wahl am 24. September ist es immer noch erstaunlich ruhig in der deutschen Politik: Angela Merkel hat den anderen Parteien das "Ehe für alle"-Thema vom Brot genommen, ohne selbst dafür zu stimmen. Linken-Politiker Gregor Gysi hat FKK als Wahlkampfaufreger entdeckt, doch so richtig wollte sich auch darüber niemand streiten. Spannend geht irgendwie anders.
Beinahe könnte man vergessen, dass in wenigen Wochen ein neues Parlament und in dem Zuge auch der Bundeskanzler gewählt wird – wäre da nicht die allgegenwärtige Plakatierung quer durch die Republik. Besonders stark scheint die SPD in Hamburg für den Wahlkampf dieser Art zu brennen. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man dieser Tage den Neustädter Neuen Weg entlanggeht. Auf der Straße von der Elbpromenade zum Michel, der berühmten Hamburger Kirche, flaniert der Bürger durch eine wahre Schulz-Plakatallee.
Massive Werbung für Auftritt von Martin Schulz
Die Genossen in Hamburg sind offenbar so begeistert vom anstehenden Besuch ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz am 31. August, dass sie die gesamte Straße mit seinem Konterfei plakatierten. Schulz soll dann gemeinsam mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz, der in der Hansestadt seit dem G20-Wochenende einen schweren Stand hat, sprechen. Der Kandidat befindet sich derzeit auf einer Kundgebungstour quer durch Deutschland.
Alle fünf Meter blickt man in die Augen von Schulz. Auf beiden Seiten. Wenige Schritte vorm Veranstaltungsort, der Michelwiese, will die SPD die Passanten offenbar besonders massiv auf den Wahlkampfauftritt aufmerksam machen. Den meisten Bürgern dürfte eine solche penetrante Wahlwerbung aber eher auf die Nerven gehen – und die Lust auf Politik im Allgemeinen und die SPD im Besonderen in der Bevölkerung nicht gerade steigern.
Missverständnis: SPD Hamburg will Plakatierung zurückfahren
Will die SPD, in den Umfragen derzeit weit hinter Angela Merkels CDU, den Wähler jetzt nach dem Motto "Viel hilft viel" überzeugen? Nach Angaben von Lars Balcke handelt es sich nur um ein Missverständnis. Der Pressesprecher der Sozialdemokraten in Hamburg reagierte selbst überrascht, als ihm der stern ein Foto der geballten Plakatierung vorlegte: "Das ist eine erstaunliche Ansicht." Ein Dienstleister, mit dem die SPD Hamburg seit Jahren zusammenarbeite, habe es etwas zu gut gemeint.
Mit insgesamt 1400 Plakaten wirbt das Wahlkampfteam der SPD in der gesamten Stadt für die Veranstaltung. Im Optimalfall sollten diese aber über die sechs Wahlkreise verteilt werden – natürlich verstärkt rund um den Veranstaltungsort, aber "das ist eindeutig zu viel", wie auch Balcke zugeben musste. Die Schulz-Allee solle nun so bald wie möglich gelichtet werden.