Merkel in Paris Gipfeltreffen mit Handkuss

Ihr erster Auslandsbesuch als Bundeskanzlerin ist eine symbolische Reise: Für Angela Merkel ging es zunächst nach Frankreich - danach besuchte sie in Brüssel NATO und EU. Die Atmosphäre der Treffen war höflich, unangenehme Themen wurden ausgespart.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am ersten Tag ihrer Amtszeit ein straffes Programm auferlegt: Von Berlin über Paris, nach Brüssel und zurück nach Berlin.

In der französischen Hauptstadt hat sie am Mittag Staatschef Jacques Chirac besucht. Bei ihrem symbolisch wichtigen ersten Antrittsbesuch im Frankreich sagte sie: "Ich bin guten Mutes, dass es uns gelingt, die herzliche Beziehung fortzuentwickeln."

Chirac, der mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder eine enge politische und persönliche Beziehung gepflegt hatte, betonte ebenfalls die Bedeutung der deutsch-französischen Sonderbeziehung für die EU. Merkel hat zudem darauf hingewiesen, dass die Staaten Mittel- und Osteuropas weiterhin eine wichtige Rolle in der deutschen Europapolitik spielen werden.

Gespräch, Pressekonferenz, Mittagessen

Bei ihrem Gespräch und der gemeinsamen Pressekonferenz, auf die ein Mittagessen folgte, waren Merkel und Chirac sichtbar um Einigkeit bemüht. Merkel wurde von Chirac mit einem Handkuss begrüßt und in den Elysee-Palast geführt. Die Kanzlerin nannte die enge Freundschaft beider Staaten angesichts ihrer Geschichte ein Wunder. "Das muss gepflegt werden."

Chirac dankte Merkel dafür, dass sie ihre erste Auslandsreise nach der Kanzlerwahl vom Dienstag nach Paris führte. "Ich danke Ihnen sehr für diese Geste, dies ist ein Zeichen der Freundschaft, eine große Ehre", sagte der Präsident.

Merkel lud Chirac für Dezember zu einem Gegenbesuch nach Berlin ein und kündigte für das kommende Frühjahr ein Treffen der Minister beider Länder an, damit diese sich kennen lernten. Auch die seit Jahren gepflegten informellen Treffen der Regierungschefs und Außenminister alle sechs Wochen sollen fortgesetzt werden.

Zu den strittigen Themen der Europapolitik vermieden Merkel und Chirac neue Festlegungen. Merkel wich der Frage aus, ob es ein gemeinsames Vorgehen mit Frankreich im EU-Finanzstreit geben werde. Man solle die Vorschläge der britischen EU-Präsidentschaft abwarten. Eine Budgeteinigung für 2007 bis 2013 wird vor allem durch den Streit über den britischen Beitragsrabatt blockiert, so dass eine Lösung unter britischer Vermittlung als unwahrscheinlich gilt. Strittig sind auch die EU-Agrarausgaben, von denen Frankreich profitiert. Die Finanzen sind Thema des EU-Gipfels im Dezember. Die neue Regierung will den deutschen EU-Beitrag auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens begrenzen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nichts Neues beim Streitthema Türkei

Auch beim Streitthema des türkischen EU-Beitritts verwies Merkel nur auf die bisherigen Positionen, wonach die Union eine Mitgliedschaft des Landes ablehnt. Sie erinnerte zudem an die lange Dauer der seit Oktober laufenden Beitrittsverhandlungen und sagte: "Über das Ende dieses Prozesses müssen wir in den nächsten Wochen nicht sprechen."

Stippvisite auch in Brüssel

Am Nachmittag reisten Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Brüssel weiter. Die Kanzlerin sagte nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer: "Die Nato soll wieder der Ort sein, an dem man über politische Fragen zuerst spricht." Erst wenn es im Bündnis keine gemeinsame Haltung gebe, sollten die Verbündeten national eigene Wege gehen. Merkel machte zudem deutlich, dass sie das Verhältnis zu den USA verbessern wolle. Dieses könne "weiter entwickelt werden", sagte sie. Merkel schloss aus, dass sich Deutschland unter der neuen Regierung am Nato-Ausbildungseinsatz im Irak beteilige. Deutschland werde weiter die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte außerhalb des Landes unterstützen.

Auch Merkels Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) hatte sich zuletzt für eine Stärkung der Allianz als politisch-strategisches Forum ausgesprochen. Zahlreiche europäische Nato-Staaten haben die USA immer wieder dafür kritisiert, mit so genannten Koalitionen der Willigen die Allianz zu schwächen. Die deutsch-französische Ablehnung des Irak-Krieges hatte auch die Allianz vor eine Belastungsprobe gestellt.

Nato-Generalsekretär De Hoop Scheffer sagte, dass Merkel gemeinsam mit dem neuen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nur einen Tag nach ihrem Amtsantritt zur Nato kam, zeige die Bedeutung des Bündnisses für die Bundesrepublik. Er kündigte einen Gegenbesuch in Berlin an.

Nächster Stop bei Barroso und Blair

Zum Abend hatte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zum Gespräch gebeten. Und schon am Donnerstagabend ist ein Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in London vorgesehen.

Reuters
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