Nach dem erneuten Debakel beim geplanten Berliner Großflughafen hat das Abgeordnetenhaus in einer lebhaften Sondersitzung über die Notwendigkeit eines Rücktritts des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) gestritten. Einziger Tagesordnungspunkt war am Donnerstag ein Misstrauensantrag der Opposition. Die rot-schwarze Koalition stellte sich erwartungsgemäß hinter den Regierungschef. "Wir stehen geschlossen zu dieser Koalition", sagte CDU-Fraktionschef Florian Graf. Es gebe eine handfeste Flughafenkrise, aber keine Regierungskrise.
Auszüge aus der Begründung des Misstrauenantrags
"Das Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner in die Handlungsfähigkeit des Senats mit Klaus Wowereit an seiner Spitze ist irreparabel erschüttert. (…)
Die neuerliche Verschiebung der Flughafeneröffnung und die fortgesetzte Weigerung des Regierenden Bürgermeisters, für das Debakel in Schönefeld die politische Verantwortung zu übernehmen, haben das Ansehen unserer Stadt schwer geschädigt. (…)
Bis heute übernimmt der Regierende Bürgermeister hierfür nicht die politische Verantwortung. Stattdessen wird abgewiegelt, die Probleme werden kleingeredet, wichtige Informationen der Öffentlichkeit und dem Parlament immer wieder vorenthalten. Als einzige Konsequenz wird der Öffentlichkeit ein Ringtausch im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft angeboten. (…)
Der Regierende Bürgermeister hat weder die Kraft noch das Ansehen, um das Vertrauen in die Berliner Politik wieder zu stärken. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit kann seinen Verfassungsauftrag - zum Wohle der Stadt zu wirken - nicht mehr dadurch erfüllen, dass er im Amt bleibt.“
Anlass war die vierte Verschiebung des Eröffnungstermins. für den neuen Großflughafen. Wowereit hatte danach angekündigt, den Aufsichtsratsvorsitz der Betreibergesellschaft an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) abzugeben. Berlin, Brandenburg und der Bund sind die Gesellschafter des Flughafens.
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop warf Wowereit vor, politische Verantwortung zu verweigern. Er tue so, als sei der Aufsichtsratschef nur ein Schirmherr. Wowereit beanspruche andere Maßstäbe für sich und wolle nur die glanzvollen Dinge mitnehmen. "Wir glauben Ihnen nicht." Linken-Fraktionschef Udo Wolf sagte zu Wowereit: "Sie glauben selbst nicht mehr daran, dass Sie die Probleme in den Griff bekommen."
Wowereit weist Vorwurf der Falschinformation zurück
Klaus Wowereit wies die Rücktrittsforderungen der Opposition im Abgeordnetenhaus zurück. Die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins für den geplanten Berliner Großflughafen sei kein politisches Versagen, machte er am Donnerstag in einer Sondersitzung zum Misstrauensantrag von Grünen und Piratenpartei deutlich. "Da hat die Politik auch ihre Grenzen." Der neue technische Geschäftsführer Horst Amann habe mit seinem Team den letzten geplanten Eröffnungstermin am 27. Oktober 2013 erarbeitet. Es sei alles getan worden, um das Flughafenprojekt so aufzustellen, dass Fehler abgestellt werden. Aber: "Es ist nicht besser geworden."
Er wies auch den Verdacht zurück, er habe bereits am 18. Dezember über die drohende weitere Verschiebung Bescheid gewusst. Technikchef Amann habe am 4. Januar per Brief darüber informiert, dass der 27. Oktober 2013 nicht zu halten sei, sagte Wowereit. Die Grünen, die nicht im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft säßen, machten sich einen schlanken Fuß. "Dann ist es leicht, alles besser zu wissen."
"Die Koalition steht"
Kämpferisch konterte Wowereit den Misstrauensantrag der Opposition weiter. Die erneute Verschiebung des Starts des Großflughafen habe zwar die Vertrauenskrise gegenüber der Politik verschärft, räumte der SPD-Politiker am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus ein. "Ich gehöre aber zu denjenigen, die nicht weglaufen und sich dieser Verantwortung stellen", rief der Opposition aus Grünen, Piraten und Linken zu. Er habe sich angesichts der Lage auch selber überprüft.
Ein Rücktritt sei dabei nicht unbedingt die schwerste Option für ihn gewesen. Es dürften aber nicht diejenigen Oberwasser bekommen, die den Flughafen nie wollten. Sein Bündnis mit der CDU sei zudem solide. "Die Koalition steht", sagte Wowereit. CDU-Fraktionschef Florian Graf gab Wowereit wie erwartet Rückendeckung: "Wir stehen geschlossen zur großen Koalition."

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Über den Misstrauensantrag von Grünen und Piraten soll am Samstag abgestimmt werden. Angesichts der großen Mehrheit von SPD und CDU im Parlament gilt er aber als aussichtslos.