NPD-Verbot SPD sammelt sich hinter Beck

Der Chef war vorgeprescht, nach und nach folgen jetzt die Truppen. Nach anfänglicher Zurückhaltung stellen sich immer mehr SPD-Politiker hinter den Vorschlag von SPD-Chef Kurt Beck, die NPD zu verbieten. Die Union bewertet einen möglichen Verbotsantrag skeptisch.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder, Ehrhart Körting, sieht gute Chancen für ein NPD-Verbot. "Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass ein neues Verfahren Erfolg hat. Die NPD ist ganz zweifelsfrei verfassungswidrig", sagte der SPD-Politiker und Berliner Innensenator dem "Tagesspiegel". Dies sei durch viele öffentliche Äußerungen belegt. Ein neues Verbotsverfahren könne nach gründlicher Vorbereitung in ein, zwei Jahren beginnen. "Es gilt jetzt eigentlich nur, die Formalien eines NPD-Verbotsverfahrens einzuhalten."

Es war bekannt geworden, dass die SPD-Führung ein neues NPD-Verbotsverfahren anstrebt, dass im Gegensatz zum ersten Anlauf einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht standhält. Die Karlsruher Richter hatten 2003 den ersten Versuch gestoppt, nachdem bekannt geworden war, dass Spitzel des Verfassungsschutzes führende NPD-Funktionen bekleideten. Die SPD will nun versuchen, einen rechtlich einwandfreien Weg für ein NPD-Verbot zu finden, ohne die V-Leute abziehen zu müssen.

Er gehe davon aus, dass die Verfassungsschützer in Bund und Ländern die Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichts gezogen und die V-Leute aus den Führungsgremien abgezogen hätten, sagte Körting. Er halte den Einsatz von V-Leuten bei der NPD grundsätzlich für verzichtbar, "weil er keinen qualitativen Erkenntnisgewinn bringt". Die NPD sei keine konspirativ arbeitende Organisation, sondern agiere völlig offen. Der scheidende CSU-Chef Edmund Stoiber nannte es wiederum einen Fehler, auf den Einsatz von V-Leuten zu verzichten.

Union lehnt NPD-Verbot ab

Die Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahrens spaltet zunehmend die große Koalition. Spitzenpolitiker von CDU und CSU wiesen den Vorstoß des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck zurück, einen neuen Versuch zu starten. Auch Kanzlerin Angela Merkel ist skeptisch. Trotzdem treibt Beck die Planungen für ein neuerliches Verfahren voran. Die EU-Kommission beklagte derweil das Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und verlangte ein Verbot der NPD. Nach Angaben ihres Vizepräsidenten Franco Frattini zählt die Brüsseler Behörde die Bundesrepublik zu den fünf EU-Ländern, "die uns besondere Sorge bereiten".

Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich für mehr "intensive und professionelle Jugendsozialarbeit in den Brennpunkten" aus. "Ein NPD-Verbot löst die aktuellen Probleme nicht", sagte er der "Bild am Sonntag". Deutschland brauche Zivilcourage, damit Gewalttäter spürten, dass ihnen neben dem Staat auch die Gesellschaft entgegentrete. Der scheidende CSU-Chef Edmund Stoiber forderte eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD statt sie zu verbieten.

"Wenn es in Deutschland eines Tages zu einem Verbot der NPD kommen sollte, würde ich dies klar und deutlich begrüßen", sagte Innenkommissar Frattini der "Bild am Sonntag". "Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus nehmen in Europa zu." Neben der Bundesrepublik gehörten Frankreich, Belgien, Dänemark und Italien zu den Staaten der Europäischen Union, wo die Neonazi-Szene ein problematisches Ausmaß angenommen habe.

Beck: NPD-Verbot hat sich nicht erledigt

Auch nach den Aussagen Merkels habe sich das Thema NPD-Verbot nicht erledigt, sagte Beck dem "Tagesspiegel am Sonntag". Die Sozialdemokraten suchen nach einer Möglichkeit, die rechtsextreme Partei verbieten zu lassen, ohne Informanten des Verfassungsschutzes aus der NPD abziehen zu müssen. Das von Beck als Ministerpräsident regierte Rheinland-Pfalz übernimmt die Koordinierung. "Wir müssen Mittel und Wege finden, wie auch nach einem Verbot V-Leute gegen die NPD eingesetzt werden können", berichtete Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) der "Welt am Sonntag".

Regierung, Bundestag und Bundesrat waren 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch gescheitert, die NPD zu verbieten. Die Richter monierten damals, dass Informationen von V-Leuten in die Verbotsbegründung eingeflossen waren. Merkel hatte deshalb vor einer weiteren Niederlage in Karlsruhe gewarnt: "Ich habe die Erfahrung, die wir einmal durchlebt haben, als eine sehr unliebsame Erfahrung kennengelernt."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Stoiber sagte der ARD, bei einem weiteren Verfahren müssten alle V-Leute aus der NPD abgezogen werden, was unverantwortlich wäre, da die gelieferten Informationen wichtig seien. Die Debatte mit der NPD sei juristisch nicht zu gewinnen. Bruch betonte dagegen: "Diese schwierige Hürde muss beim Bundesverfassungsgericht genommen werden." Deshalb lade er in Kürze alle SPD-Innenminister der Länder ein, um den Sachverhalt zu klären.

Reuters
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