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NSA-Untersuchungsausschuss Der Wolff des Kanzleramts

Er ist der Mann, der immer Nein sagt. Der Transparenz verhindert, wenn er sie verhindern kann. Philipp Wolff ist der Vertreter des Kanzleramts im NSA-Untersuchungsausschuss. Wer ihn kennt, sagt, er sei sonst sehr nett.
Von Larissa Schwedes & Lutz Kinkel

Wolff steht auf seinem Namensschild. Wolff mit zwei "f". Im NSA-Untersuchungsausschuss, der im Berliner Paul-Löbe-Haus tagt, sitzt er immer an einer bestimmten Stelle. Tische und Stühle sind zu einem Kreis angeordnet, die Abgeordneten, die Fragen stellen und Zeugen vernehmen, nehmen an der Fensterseite Platz. Herr Wolff postiert sich auf der gegenüberliegenden Seite, im Halbschatten der Besuchertribüne. Er ist der Abgesandte des Kanzleramts, Merkels Watchdog. Manchmal nascht Herr Wolff Kinderschokolade während der Sitzungen.

Herr Wolff, Philipp Wolff, entzieht sich der Öffentlichkeit, soweit es geht. Nichts ist über ihn bekannt. Es gibt kein offizielles Foto, er hat keinen Wikipedia-Eintrag, keine Xing-Seite, kein Facebook-Profil. Wolff gibt keine Interviews, nicht einmal Auskünfte über seine Tätigkeit. Es heißt, er sei mal Agent des BND gewesen. Aber das heißt es auch nur. Sicher weiß das niemand. Nachfragen beim Kanzleramt laufen ins Leere: kein Kommentar. Im Organigramm der Regierungszentrale ist er als Regierungsdirektor eingetragen, zuständig für die "Projektgruppe Untersuchungsausschuss". Klingt bemüht langweilig.

Der Verhinderer im Ausschuss

Herr Wolff hat bei den Sitzungen des NSA-Untersuchungsausschusses exakt eine Aufgabe: Er soll verhindern, dass Geheimes öffentlich wird. Dass die Zeugen zu viel ausplaudern, während Journalisten auf der Bühne sitzen. Oder dass Abgeordnete Fragen stellen, die über den juristisch abgezirkelten Kanon hinaus reichen. Deswegen grätscht er laufend in die Sitzung. Sagt: "Das gehört nicht zum Untersuchungsgegenstand". Verweist auf die nicht-öffentliche Sitzung, wo die Zeugen freier reden könnten. Schweigt wieder. Und grätscht wieder rein. In den Protokollen von netzpolitik.org ist nachzulesen: Er tut das bis zu 30 Mal pro Sitzung.

"Warum unterbrechen Sie ständig?", fragte mal Konstantin von Notz, der Obmann der Grünen. "Weil ich das muss", antwortete Wolff trocken. Als Regierungsdirektor ist Wolff Beamter. Beamte haben Vorschriften. Und Herr Wolff folgt ihnen getreulich. So getreulich, dass sich in die Wahrnehmung seiner Person auf die Dauer etwas Maschinelles festsetzt. Zeugenaussage läuft, Wolff gleicht simultan mit seinen Paragraphen ab, "das gehört nicht zum Untersuchungsgegenstand", weiter geht's.

Mit Buzzern gegen Aufkärung

Martina Renner, die Vertreterin der Linken im Ausschuss, kann über Wolffs Auftritte auch mal schmunzeln. Dann nennt sie ihn "Mister Buzzer-Knopf". Das wäre in der Tat eine zeitgemäße Übersetzung: Wenn Wolff wie in einer TV-Show einen roten Buzzer auf dem Tisch hätte. Der immer laut "Mööööp" dröhnen würde, sobald er drauf haut.

Leider ist das wahre Leben ernster. Herr Wolff hat eine politische Funktion. "Die Regierung hält viele Themenkomplexe geheim, weil sie unangenehme und skandalöse Vorgänge vertuschen will", sagt Martina Renner. Wolff hilft der Regierung dabei. Er ist der Anti-Aufklärer. Renners Parteikollege André Hahn sagt: "Immer wenn es kritisch und spannend wird, würgt Wolff uns ab. Er behindert und erschwert uns die Arbeit."

Die Grenzen der Demokratie

Das sehen auch viele andere Abgeordnete so. Eine Ausnahme ist Patrick Sensburg, CDU, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Er begrüße es, dass ein Vertreter der Regierung anwesend sei, der sich so gut auskenne, sagt Sensburg. Der Christdemokrat ist bei den Sitzungen so etwas wie der Zeremonienmeister, er erteilt das Wort oder entzieht es. Er könnte kritisch nachfragen und Begründungen verlangen, auch von Wolff. Aber das gehört sich nicht unter Merkels Mannen. "Sobald das Wort 'Staatswohl' fällt, gibt Sensburg keine Widerrede", klagt Linken-Vertreter Hahn. "Ihm scheinen die Interventionen von der Regierungsbank durchaus willkommen zu sein.“

Freiwillig jedenfalls gibt das Kanzleramt, das Wolff so tadellos verkörpert, rein gar nichts preis. Es informiert nicht über die Suchanfragen, die die NSA beim BND einspeiste, und schon gar nicht über die Suchanfragen, mit denen der BND selbst die europäischen Freunde ausspähte. Praktisch alles, was an großen Skandalen bekannt wurde, verdankt die Öffentlichkeit Whistleblowern. Ginge es nach den Wolffs, wüsste niemand etwas. Er ist der lebende Beweis dafür, dass das Kanzleramt beim NSA-Skandal versucht, der Demokratie Grenzen zu setzen: Aufklärung ist gut, Geheimhaltung besser. Was allerdings nicht immer gelingt. Es muss Wolff einen Schock versetzt haben, als Protokolle der nicht- öffentlichen Sitzungen des Ausschuss geleakt wurden. All' seine Interventionen - für die Katz.

"Der Wolff erzählt viel, wenn der Tag lang ist"

Herr Wolff ist noch jung, vielleicht um die 40. Er trägt randlose Brille, gut sitzende Anzüge und einen akkuraten Bürstenschnitt. Äußerlich erinnert er an Hans-Georg Maaßen, den Chef des Bundesverfassungsschutzes, auch so ein Karrierebeamter. Aber im Gegensatz zu Maaßen scheint Wolff bewusst zu sein, dass es einen Unterschied zwischen Amt und Mensch gibt. Dass er eine Rolle spielt. "Der Wolff erzählt viel, wenn der Tag lang ist", zischte mal ein Zwischenrufer in die Sitzung. Darüber konnte Wolff sogar selbst lachen. Sobald er nicht fürs Protokoll auftritt, sei er ein umgänglicher, sympathischer Typ, heißt es unter den Ausschussmitgliedern. Hans-Christian Ströbele von den Grünen sagt, er könne nicht feststellen, dass es Wolff "Lust" bereite, Merkels Watchdog zu sein. Ströbele, der in ungezählten Untersuchungsausschüssen saß, scheint unangenehmere Regierungsvertreter zu kennen.

Gewöhnlich tagt der Ausschuss zwölf Stunden, mit kleinen Unterbrechungen. Wolff verschwindet ebenso unauffällig wie er gekommen ist. Es liegt auch an ihm, dass noch viele, viele Zwölf-Stunden-Sitzungen notwendig sein werden. Er selbst wird möglicherweise auch als Zeuge vernommen. Das könnte eine sehr zähe Befragung werden.

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