In der Union gibt es neue Differenzen über die grundsätzliche Oppositionsstrategie und über die Reaktion auf die jüngst verabschiedeten Reformgesetze der Regierung. Dabei wurden neue Meinungsunterschiede zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch deutlich. Trotz der Forderung von Koch nach mehr Härte gegen Rot-Grün machte Merkel am Samstag deutlich, dass sie an ihrem Kurs festhalten wolle, für Kompromisse mit der Regierung unter Bedingungen offen zu sein. FDP-Chef Gudio Westerwelle brachte zur Koordinierung der Ansichten der Opposition einen "Reformgipfel" von Union und FDP ins Gespräch.
Auch Althaus zu Kooperation bereit
Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union sagte Merkel: "Die Leute wollen nicht, dass die Union eine Position bezieht, das Land vor die Wand zu fahren." Auch der neue Bundesratspräsident, Thüringens CDU- Ministerpräsident Dieter Althaus, kündigte an, im Streit um Reformen zwischen Union und Rot-Grün vermitteln zu wollen. "Ich werde mich darum bemühen, dass wir zu Entscheidungen kommen." SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sagte der "Rheinischen Post" (Samstag), Rot-Grün werde zwar mit der Union nach Kompromissen suchen - "aber nicht bedingungslos".
Koch will Regierung schnell stürzen
Koch hatte am Freitag in einem Interview die Union aufgefordert, mit aller Kraft auf den schnellen Sturz von Rot-Grün hinzuarbeiten. Koch hatte damit deutlich andere Akzente als Merkel gesetzt. "Es muss das Hauptziel der Opposition sein, so schnell wie möglich diese Regierung zu beenden", hatte Koch erklärt.
Merkel gegen Rentenkompromiss
Am Rande des Deutschland-Tags sagte Merkel, die Union würde aber nur Kompromisse mit der Regierung eingehen, "wenn die Vorteile, die Nachteile überwiegen". Das schließe auch ein Scheitern von Kompromissen ein, wenn sich Rot-Grün nicht auf die Union zubewege. Merkel kündigte an, dass die Union die Notmaßnahmen der Regierung zur Stabilisierung der Renten auf keinen Fall mittragen würde, die die Koalition am Sonntag vorstellen will.
Althaus gegen Änderung an Harz-Gesetzen
Uneinigkeit zeigte die Union auch in Detailfragen. Koch sprach sich im Nachrichtenmagazin "Focus" dafür aus, die von Rot-Grün in den Hartz-Gesetzen ausgeschlossene Unterhaltspflicht von Familienangehörigen für Arbeitslose wieder in das Gesetzespaket aufzunehmen. Althaus sagte dagegen: "Die Vorschläge, die die Regierungskoalition zur Unterhaltspflicht und Anrechnung von Vermögen vorgelegt hat, sind sicher sachgerecht. Ich sehe nicht, dass wir daran etwas ändern sollten."

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Union begrüßt "Reformgipfel" der Opposition
Westerwelle sagte in der "Welt am Sonntag" zu einem "Reformgipfel": "Jetzt kommt es darauf an, dass die Bundestagsopposition im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag geschlossen einen marktwirtschaftlichen Kurs vertritt." Stoiber unterstützte in dem Blatt den Vorschlag. "Denn wir wollen gemeinsam im Interesse des Landes möglichst viel von unserer Programmatik durchsetzen." CDU-Vize Christoph Böhr sprach von einer "sehr guten Idee". Die "Berliner Morgenpost" (Sonntag) berichtete aus dem Umfeld von Merkel, auch die CDU-Chefin sei bereit, "von Fall zu Fall Abstimmungen in den einzelnen Punkten" zwischen Union und FDP herbei zu führen. In Vorbereitung des Vermittlungsausschusses biete sich ein gemeinsames Gespräch an.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) rechnet mit Kompromissen im Vermittlungsausschuss. "Wir werden mit den Ländern sprechen und zu vernünftigen Lösungen kommen", sagte er am Freitagabend in der ARD. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz will der Union entgegen kommen und Mindestlöhne auf dem Niveau der Sozialhilfe akzeptieren. Der Sozialhilfesatz werde für Alleinstehende "in etwa der Maßstab" sein, sagte er der "Berliner Zeitung".