Das Jahr der großen Klimaproteste endet mit einer bitteren Enttäuschung für "Fridays for Future" – und für alle, die dachten, dass Klimaschutz jetzt überall ganz oben auf der Agenda steht. Greta Thunberg und ihre Mitstreiter waren auf dem UN-Klimagipfel in Madrid überall zu sehen und zu hören, wurden in fast jeder Rede genannt und gelobt. Erhört wurden sie nicht. Zwar einigten sich die knapp 200 Länder nach Marathonverhandlungen und einer Rekord-Verlängerung von mehr als 40 Stunden auf eine gemeinsame Abschlusserklärung. Sie wurde aber am Sonntag von den übermüdeten Klimadiplomaten mit sehr spärlichem Applaus begrüßt. Zu viel war in den vergangenen Tagen und Nächten passiert – und doch zu wenig. Andere Einigungen, die wichtig gewesen wären, wurden vertagt.
"Es sollte ein Kampf für mehr Klimaschutz werden, am Ende war es eine Abwehrschlacht gegen den Rückschritt", kommentiert etwa die "Tagesschau" das dürre Ergebnis. "Der Berg kreißte und gebar eine Maus", bilanziert die "Neue Osnabrücker Zeitung". Die Pressestimmen.
Die Pressestimmen zur UN-Klimakonferenz: "Was lange währt, wird nicht immer gut"
"Tagesschau": "Es sollte ein Kampf für mehr Klimaschutz werden, am Ende war es eine Abwehrschlacht gegen den Rückschritt. Das Ergebnis kommt einem Scheitern nahe. (...) Man kann das lange analysieren. Fakt ist: Im dringend nötigen Kampf gegen den Klimawandel war das eine Nullnummer. Umso mehr müssen jetzt diejenigen zuhause liefern, die wirklich etwas wollen - die EU-Staaten. Und in der Folge muss Deutschland dringend sein Klimaschutzpaket aufrüsten, wenn es glaubwürdig bleiben will."
"Zeit Online": "Wohl nie war die Kluft zwischen dem, was Klimaschützer wissenschaftlich fundiert fordern, und dem, was ein UN-Klimagipfel überhaupt zu leisten vermag, so groß. Zum Schluss ging es in Madrid nur noch um Schadensbegrenzung, ausgerechnet am Ende eines Jahres, in dem Millionen Menschen in aller Welt für mehr Klimaschutz demonstriert haben, in dem die Warnungen der Wissenschaft vor den Folgen der Klimakrise lauter geworden sind, und in dem klar geworden ist, wie sehr die Zeit drängt."
"Frankfurter Rundschau": "Das Einstimmigkeitsprinzip verhindert, dass schnell gehandelt wird. Hinzu kommt, dass die USA als zweitgrößter CO2-Einheizer im November aus dem Paris-Abkommen austreten werden. Die Blockade des internationalen Klimaschutzes kann nur durch Vorreiter aufgelöst werden, die ohne Rücksicht auf die Bremser mit einer modernen, strikt am CO2-Sparen orientierten Energie- und Verkehrspolitik, einer klimafreundlichen Landnutzung und (Wieder-)Aufforstung von Wäldern vorangehen."
"Nürnberger Nachrichten": "Bezeichnend, dass auf Facebook mehr über Greta Thunberg im überfüllten Zug gestritten wurde als darüber, dass die 16-Jährige drastisch auflief in Madrid. Ein Misserfolg? Nein - aber der vor den Augen der Welt erbrachte Beweis dafür, dass die Politik auf schöne Reden und Lobeshymnen für Greta setzt statt aufs Handeln. Das gilt gerade auch für die Bundesrepublik, die sich momentan wieder als Klima-Retter aufzuhübschen versucht - aber konkrete Vorschläge ihres eigenen Umweltbundesamts aus Angst vor Lobbyisten und fehlendem Mut am liebsten shreddern lässt."
"Stuttgarter Zeitung": "Nach der Pleite des diesjährigen Gipfels wird es darum gehen, überhaupt wieder eine Dynamik in die internationale Klimadiplomatie zu bringen. Ausgerechnet den Europäern, die sich ansonsten mit außenpolitischen Initiativen schwertun, wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Die Europäische Union ist nach China und den USA der drittgrößte CO2-Emittent des Planeten. Als einziger großer Wirtschaftsblock hat sie die politische Absicht und die technischen Fähigkeiten, um im großen Stil Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen zu entkoppeln."
"Neue Osnabrücker Zeitung": "Der Berg kreißte und gebar eine Maus. So in etwa lässt sich das Ergebnis des Klimagipfels zusammenfassen. Fast 200 Länder haben nunmehr die Notwendigkeit anerkannt, dass alle ihre nationalen Klimaschutzziele deutlich anheben müssen, wenn man die Erderwärmung mit ihren drastischen Konsequenzen eindämmen will. Ja und? Weder haben die Industriestaaten den ärmsten Staaten zur Bewältigung von Klimaschäden genug Geld zugesagt, noch konnten sich die Teilnehmer auf Regeln zum internationalen Handel mit Klimaschutzgutschriften einigen. Bis auf Weiteres klaffen tatsächliche Anstrengungen zur Reduzierung der Erderwärmung und nötige Maßnahmen zur Erfüllung der Paris-Ziele auseinander."
"Straubinger Tagblatt": "Die Bundesregierung mag vielleicht nicht so rigoros eigene Interessen vertreten, wie dies andere Länder tun. Es hilft aber angesichts der mageren Ergebnisse von Madrid nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Immerhin hat Deutschland seine nationalen Klimaziele bis jetzt auch nicht eingehalten. Es wurde schon oft geschrieben, aber es stimmt: Wenn nicht schnell etwas passiert, wächst sich der Klimawandel zur globalen Katastrophe aus. Die Quittung fürs Nichtstun ist dann unüberschaubar groß."
"Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg): "Was lange währt, wird nicht immer gut. Trotz der Marathonüberziehung von mehr als 36 Stunden, trotz eindringlicher Appelle der Wissenschaft und trotz massiver Proteste von Klimaaktivisten ist bei der Madrider Klimakonferenz nur ein dürftiger, ein sehr enttäuschender Minimalkompromiss heraus gekommen. Doch der hilft beim Kampf zur dringend notwendigen Begrenzung der Erderwärmung aber kaum weiter. In Madrid hat der gesamte Globus verloren. Und es steht zu befürchten, dass der Schwung, der mit dem Pariser Vertrag von 2015 in die Klimarettung kam, weiter abnimmt."