In der schwarz-gelben Koalition gibt es weiter deutliche Meinungsverschiedenheiten über den Kurs in der Europapolitik und bei der Euro-Rettung. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte im Magazin "Der Spiegel": "Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg." Eine Kritik, die offensichtlich an die Adresse von Finanzminister Wolfgang Schäuble gerichtet ist.
Schritte in Richtung politische Union
Der Bundesfinanzminister hatte als Gastautor der „Welt am Sonntag“ seine Forderung nach stärkerer europäischer Integration mit einer politischen Union als Ziel bekräftigt. "Die Antwort auf die Krise kann nur ein Mehr an Europa bedeuten", schrieb der CDU-Minister. Niemand wolle einen europäischen Superstaat, der nur das Regelungsmonopol des überholten Nationalstaats auf eine größere Einheit zu übertragen versuchen würde, schrieb Schäuble in dem am Samstag veröffentlichten Gastbeitrag. Daher sei eine neue Form der Zusammenarbeit der Staaten nötig. "Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer Vertiefung der europäischen Institutionen werden wir ... auf Dauer unsere europäische Handlungsfähigkeit verlieren", sagte Schäuble unter Verweis auf die Globalisierung voraus.
Die Vergemeinschaftung der Geldpolitik in der Euro-Zone müsse jetzt durch Schritte in Richtung einer politischen Union ergänzt werden. Diese Änderungen müssten behutsam und zielgerichtet vorangetrieben werden. "Am Ende dieses Prozesses wird die politische Union Europas stehen", schrieb der Minister.
Keine weiteren deutschen Finanzhilfen
In ganz Europa, auch in Deutschland, wachse die Europa-Skepsis, betonte derweil Innenminister Friedrich. "Der kann man nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden." Kritik an Schäubles Kurs kommt auch vom wirtschaftspolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe, Georg Nüßlein. "Für mich ist nicht mehr erkennbar, worum es dem Bundesfinanzminister geht", sagte er dem "Spiegel". "Wenn es Schäuble darum geht, seine europapolitischen Träume in der Krise zu verwirklichen, wird er seinem Job nicht mehr gerecht", kritisierte der CSU-Politiker.
Über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms hinausgehende deutsche Finanzhilfen für schwächelnde Euro-Staaten hatte Schäuble jedoch erneut ausgeschlossen. "Auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss. Bis auf die Zinsen, die kämen noch obendrauf", sagte er der Zeitschrift "Super Illu".
Kanzlermehrheit "kein großer Sieg"
Wie Schäuble und auch Kanzlerin Angela Merkel forderte auch Außenminister Guido Westerwelle ein direktes Eingreifen in die Haushaltsplanung von Krisenländern. "Staaten, die in Zukunft die Solidarität des Rettungsschirms in Anspruch nehmen wollen, müssen in dieser Zeit der europäischen Ebene verbindliche Durchgriffsrechte in ihre Haushaltsentscheidungen einräumen", schrieb Westerwelle in der "Süddeutschen Zeitung" . Ähnlich äußerte sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wenige Tage vor seiner Reise nach Athen in der "Mitteldeutschen Zeitung". Auch Steinmeier befürwortete solche Eingriffsrechte, etwa in Form in eines Treuhand-Abkommens.
DGB-Chef Michael Sommer warnte nach der beschlossenen EFSF-Erweiterung im SWR vor neuen Milliardenbelastungen. Einer Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" zufolge hält mehr als die Hälfte der Deutschen die beschlossene Aufstockung des Rettungsschirms auf insgesamt 440 Milliarden Euro für falsch. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler bekräftigte in der Zeitung, dass er den Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone für unausweichlich hält.
Steuerabkommen mit Liechtenstein
Einen bemerkenswerten Beitrag zur Debatte bot Liechtensteins Regierungschef Klaus Tschütscher im "Hamburger Abendblatt". Er bot Griechenland - nach deutsch-schweizer Vorbild - ein Steuerabkommen an, damit Athen zu seinen "legitimen Steueransprüchen" komme. Auch wenn in Liechtenstein wenig unversteuertes griechisches Geld liegen sollte, sei dies angesichts der Schwierigkeiten Athens, fällige Steuern einzutreiben, erwägenswert.