SPD-Rauswurf Beck schaltet sich im Fall Clement ein

In der SPD ist ein erbitterter Streit über den Ausschluss des früheren Bundesministers Wolfgang Clement entbrannt. Parteichef Kurt Beck mahnt zur Besonnenheit - und schickt seinen Generalsekretär in die Bundesschiedskommission. Clement meldete sich erstmals öffentlich zu Wort.

SPD-Chef Kurt Beck will sich ins Parteiausschlussverfahren gegen Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement einschalten. Angesichts der öffentlichen Diskussion habe er entschieden, dass der Parteivorstand am Schiedsverfahren beitreten werde, teilte Beck in Berlin mit. Zwar solle dem Urteil der Bundesschiedskommission nicht vorgegriffen werden. "Mir ist aber wichtig, dass in einer Gesamtbetrachtung sowohl persönliches Verhalten als auch die politische Lebensleistung in die Beurteilung einbezogen werden." Der Parteivorstand werde in dem Verfahren das Interesse der Gesamtpartei vertreten.

SPD-Politiker und Parteienforscher hatten davor gewarnt, der Parteiausschluss einer der zentralen Figuren der Agenda 2010 werde die Partei schwächen und Wähler vergraulen. Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sagte, wenn Clement ausgeschlossen werde, könnten sich viele SPD-Wähler nicht mehr repräsentiert fühlen und austreten. Clement hatte am Donnerstag Berufung gegen den Spruch der Schiedskommission der nordrhein-westfälischen SPD eingelegt, die ihm wegen parteischädigenden Verhaltens die Mitgliedschaft entziehen will.

Finanzminister Peer Steinbrück schlug sich wie auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier eindeutig auf Clements Seite: Beide verlangten dessen Verbleib in der SPD. "Die SPD und Wolfgang Clement müssen einander aushalten", erklärte der stellvertretende SPD-Chef Steinbrück. Ähnlich äußerten sich Vertreter des konservativen SPD-Flügels Seeheimer Kreis und der bayerische Landeschef Ludwig Stiegler. Dagegen sagte SPD-Vorstand Hermann Scheer, Clement habe mit seinem Aufruf vor der hessischen Landtagswahl, nicht SPD zu wählen, seiner eigenen Partei bewusst geschadet.

Clement lässt sich Mund nicht verbieten

Der frühere Ministerpräsident Clement äußerte sich erstmals selbst zu dem noch nicht rechtskräftigen Parteiausschluss der Schiedskommission NRW, gegen den er in Berufung geht. Der 68-jährige Ex-Politiker sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Partei Willy Brandts so gering geschätzt wird. Das war undenkbar für mich." Seine Kritik an der Energiepolitik der hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti hielt Clement, der inzwischen Aufsichtsrat eines Energieunternehmens ist, aufrecht. "Der richtige energiepolitische Weg kann nicht sein, gleichzeitig auf Atomenergie und Kohle zu verzichten." Er kündigte an, auch künftig "unmissverständlich" sein Wort zu erheben, "wenn in meiner Partei Unverantwortliches vertreten und gar in Regierungspolitik umgesetzt werden soll".

Beck mahnte die gesamte Partei zur Umsicht. "Besonnenheit und Verantwortung sind das Gebot der Stunde." Nach der angekündigten Berufung Clements habe jetzt die Bundesschiedskommission das letzte Wort. Zum Fall selbst sagte Beck: "Die engere Parteiführung kann und wird dem Urteil der Bundesschiedskommission nicht vorgreifen." Beck betonte, die Schiedsgerichtsbarkeit sei wie die Justiz unabhängig und nicht an politische Weisungen gebunden. Grundsätzlich bewerte die Schiedskommission nicht Überzeugungen und Meinungen, sondern Verhalten.

Indem er sich in das Verfahren einschaltet, folgt Beck auch Appellen konservativer SPD-Politiker. So hatte Johannes Kahrs vom Seeheimer Kreis gefordert, der Vorstand müsse Stellung beziehen. Auch der Wirtschaftspolitiker Rainer Wend erklärte, der Vorstand habe eine klare Verantwortung. Vertreter des linken Flügels warnten dagegen vor einer Einflussnahme. "Der Parteivorsitzende Kurt Beck kann und darf sich nicht in die Arbeit dieser Gremien einmischen, sonst wäre die Neutralität infrage gestellt", sagte der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Besonderes Gewicht hat der Fall Clement auch vor dem Hintergrund der Entscheidung über den SPD-Kanzlerkandidaten. Eine Alternative zu dem in Umfragen schlecht abschneidenden Beck ist Außenminister Steinmeier - einer der Architekten der Agenda 2010. Lauterbach und der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner bestritten, ein Rauswurf Clements senke die Chancen Steinmeiers. Dagegen erklärte Forscher Langguth, dies würde sich negativ auf die Aussichten des Außenministers auswirken.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Steinbrück würdigt Clements Verdienste

Steinbrück wurde deutlicher und begrüßte ausdrücklich die Entscheidung Clements, Berufung einzulegen. Clement habe durch sein politisches Lebenswerk erhebliche und beachtenswerte Leistungen und Beiträge erbracht und sich damit um die SPD verdient gemacht, erklärte Steinbrück. "Ich wünsche mir, dass er dies auch künftig als Mitglied der SPD aus ihr heraus wird leisten können." Steinbrück betonte, die SPD sei eine Volkspartei und müsse es bleiben. "Sie kann diesen Charakter nur beibehalten, wenn sie in ihren Reihen über ein breites Spektrum an Meinungen und Persönlichkeiten verfügt. Nur das macht die SPD mehrheitsfähig."

AP · Reuters
joe/AP/Reuters